Steuerpolitik nach der Bundestagswahl – Sondierungsdebakel und 30 Mrd. Euro

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veröffentlicht am 28. November 2017
 

Dass es auf Bundesebene zu einer Jamaika-Koalition kommen würde, hätte vor Kurzem kaum jemand für möglich gehalten. Nun ist klar: Auch die Parteien selbst kommen in den Verhandlungen nicht zusammen. In der Nacht vom 19. auf den 20. November 2017 sind die Sondierungsgespräche nach 4 diskussionsreichen Wochen gescheitert. Ob eine Große Koalition doch noch möglich ist, hängt von der Verhandungsbereitschaft von CDU und SPD ab. Der finanzielle Spielraum einer künftigen Regierung war und ist begrenzt. 30 Mrd. Euro sind nicht viel, um alle Vorstellungen aus den Wahlprogrammen umzusetzen. Folgende Steuerpläne lagen auf dem Tisch.

 

 

Die Steuerpolitik ist in mehrere Richtungen gefordert: Sie soll eine Entlastung von staatlichen Abgaben ermöglichen und den finanziellen Spielraum zur Erfüllung von Wahlversprechen eröffnen. Gleichzeitig muss die Schuldenobergrenze des Grundgesetzes beachtet und der Debatte um Steuergerechtigkeit Rechnung getragen werden.
 

Solidaritätszuschlag (Soli)

Aus Sicht der FDP sollte der Solidaritätszuschlag mit Auslaufen des Solidarpakts 2019 enden. Auch CDU und CSU wollen darauf verzichten, jedoch stufenweise erst zum Ende der Legislatur. Die SPD spricht sich in ihrem Wahlprogramm für einen schnelleren Abbau des Zuschlags aus; Bezieher niedriger Einkommen sollen dabei früher entlastet werden als Gutverdiener. Ebenso wissen die Grünen, dass der Soli über 2019 hinaus in verfassungsrechtliche Begründungsnot gerät. Würde in den nächsten 4 Jahren zumindest der Einstieg in den Ausstieg aus dem Soli umgesetzt werden, wäre das eine deutliche Steuererleichterung.
 

Einkommensteuer

Schwarz-Gelb-Grüne Einigkeit bestand vor der Wahl darin, die Bürger an der guten Einnahmesituation des Staats zu beteiligen. Selbst für den Fall einer Großen Koalition wären die Ansichten der Parteien zur Einkommensteuer kein Hindernis  –  die SPD vertritt eine ähnliche Position wie die CDU / CSU. Über die Höhe einer möglichen Entlastung und die Instrumente hierfür bestand jedoch von Anfang an Dissens. Das gesetzte Budget würde durch eine Abschaffung des Solis stark belastet. Das verhindert große Sprünge. Aus den Jamaika-Sondierungen wissen wir, dass es eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung, des Mietwohnbaus und der energetischen Gebäudesanierung hätte geben können. Dagegen sollten klimaschädliche Subventionen und der Abzug von Handwerkerleistungen in privaten Haushalten abgebaut werden.
 

Abgeltungsteuer

Ist die Abgeltungssteuer angezählt? Wenn der internationale Informationsaustausch Transparenz in die Kapitalerträge der Deutschen im Ausland gebracht hat, fällt ihre innere Rechtfertigung weg. CDU / CSU, SPD und Grüne haben die Abschaffung in ihren Wahlprogrammen verankert. Dass sich eine solche Reform der Besteuerung der Kapitalerträge vielfach zulasten des „kleinen Zinssparers” und nicht von „Großanlegern” auswirkt, das Besteuerungsverfahren wieder komplizierter würde und die Erzielung von Mehreinnahmen durchaus fraglich ist, sollte die Parteien aber nachdenklich stimmen. Die FDP schweigt in ihrem Wahlprogramm dazu. Ihre Aufgabe in einer Jamaika-Regierung wäre es gewesen, die Steuersystematik und die verfassungsmäßigen Prinzipien der Besteuerung im Auge zu behalten: Werbungskostenabzug und das Teileinkünfteverfahren für Dividenden müssen eine Individualbesteuerung flankieren.
 

Substanzbesteuerung

Signale aus den Sondierungen ließen vermuten, dass das Scheitern der Gespräche nicht an den Grünen und ihrem Wunsch nach Wiedereinführung der Vermögensteuer gelegen hätte. Auch der SPD  –  Junior-Partner in einer Großen Koalition  –  liegt an einer Besteuerung hoher Einkommen. Laut Wahlprogramm soll die Reichensteuer auf 48 Prozent erhöht werden. Die CDU / CSU dagegen möchte den Spitzensteuersatz bei 45 Prozent belassen, jedoch die Einkommensgrenze senken.
 
Ein anderes heißes Thema wurde scheinbar allseits vertagt: die Erbschaftsteuer. CDU und FDP wollen sie keinesfalls wieder ändern und die CSU will sich durch die Regionalisierung der Steuersätze weitere Freiräume sichern. Die SPD hingegen plant Erbschaften höher zu besteuern  –  besonders bei erheblichem Firmenvermögen. Dass die Grünen die Erbschaftsteuer zur Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben ertragreicher und „gerechter” ausgestalten wollen, ist bekannt. Im Wahlprogramm haben sie eine Reform jedoch nur für den Fall gefordert, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch der eingeschränkten Betriebsvermögensbegünstigung seinen Segen verweigert. Für die Unternehmensnachfolge heißt das: Bis zu einem erneuten Spruch des BVerfG wird es zwar keine Änderung geben, aber auch keine verlässlichen Planungsgrundlagen.
 

Unternehmensteuerrecht

Die Vorstellungen der Parteien scheinen hier ähnlich: Konsequente Umsetzung von BEPS, der Kampf gegen Steuerhinterziehung, Steuergestaltung sowie unfairen Steuerwettbewerb und die Entwicklung hin zu einer weiteren Steuerangleichung in Europa. Auch die digitale Wirtschaft soll sich dem Steuerzugriff künftig nicht entziehen können. Geplant waren entweder eine Equalization Tax oder die Ausweitung der Besteuerungsansprüche auf virtuelle Betriebsstätten. Die SPD äußert sich in ihrem Wahlprogramm eher unkonkret zu Plänen im Unternehmensteuerrecht. Einzig die Bekämpfung von Steuerhinterziehung sowie mehr Steuergerechtigkeit werden explizit genannt.
 
Für Familienunternehmen und Mittelständler in Deutschland hätte eine Jamaika-Koalition trübe Aussichten bedeutet. Für die so notwendige Verbesserung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts in Deutschland haben die „Jamaikaner”  –  aber auch die SPD  –  keine überzeugenden Konzepte vorgelegt. Das betrifft z.B. eine grundlegende Neuordnung der Verlustverrechnung, der ertragsteuerlichen Organschaft oder der Ersetzung der Gewerbesteuer durch eine andere Form der Kommunalfinanzierung.
 

Wie geht es nach dem Scheitern von Jamaika weiter?

Nach Abbruch der Sondierungsverhandlungen hat sich Bundespräsident Steinmeier zu Gesprächen mit allen Parteispitzen getroffen. Eine Wiederaufnahme der Jamaika-Verhandlungen erscheint ausgeschlossen und auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung unter Kanzlerin Merkel gilt als unwahrscheinlich. Ob der Bundespräsident Neuwahlen ausruft oder die SPD einer Großen Koalition am Ende doch noch zustimmt, bleibt abzuwarten.
    
 

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Dr. Hans Weggenmann

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