Die neue Grunderwerbsteuer nach der „Share Deal-Reform”: Verschärfte Regelungen und Schlechterstellung durch Ungeregeltes

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veröffentlicht am 11. Juni 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Das Inkrafttreten der Gesetzes­änderung zur Grund­erwerb­steuer bei Share Deals steht bevor. Ab dem 1. Juli 2021 ist vieles anders. Es entstehen neue Hürden für Anteilsüber­tragungen und Steuerbefreiungen.


Was lange währt wird endlich, gut? Auch dabei hat die Grunderwerbsteuer ihre eigenen Gesetze. Das Eigen­heim der jungen Familie wird besteuert und die Konzerne kaufen über sog. „RETT-Blocker”-Strukturen steuerfrei? Seit 2016 arbeitet die Politik an einer Eindämmung ungewünschter Strukturen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer bei Share Deals.

Schon am 9. August 2019 hatte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grund­erwerbsteuergesetzes vorgelegt. Nur wenig später wurde er nach der ersten Lesung im Bundestag an die Ausschüsse unter Federführung des Finanzausschusses zur weiteren Beratung überwiesen. Den einen ging er nicht weit genug, die anderen befürchteten Kollateralschäden. Letztendlich entschied sich das Parlament nach rund 18-monatiger Bedenkzeit dafür, die Reform in wesentlichen Punkten wie bisher diskutiert durchzuziehen. Nachbesserungen waren rar, trotz vieler bekannter (und erörterter) überschießender Auswirkungen. Die zweite und dritte Lesung im Bundestag fanden am 21. April 2021 statt, der Bundesrat gab seine Zustimmung am 7. Mai 2021.

Sieht man es positiv, sind insbesondere zwei Punkte hervorzuheben: Das befürchtete und teils von Vertretern der Verwaltung zur Unterbindung von Ausweichgestaltungen bewusst nicht ausgeschlossene Risiko eines rückwirkenden Inkrafttretens ist gebannt; die Gesetzesneufassung tritt am 1. Juli 2021 in Kraft, einem in der Zukunft liegenden, auch verfassungsrechtlich unbedenklichen Stichtag. Damit wird, allerdings sehr spät, ein Stück von dem zurückgegeben, was die Wirtschaft am meisten benötigt: Eine verlässliche Planungs­basis.

Nachstehend führen wir einige wesentlichen Elemente (nicht abschließend) der gesetzlichen Neufassung („n.F.”) auf.


Inkrafttreten

  • Das Inkrafttreten der Neuregelungen erfolgt zum 1. Juli 2021. Eine befürchtete rückwirkende Anwendung wurde damit nicht Realität. Allerdings bestehen im Detail Übergangsvorschriften mit Auswirkungen auf bereits begonnene Sachverhalte.


Steuerbarkeitstatbestände

  • Die Steuerbarkeitsschwellen der Ersatztatbestände § 1 Abs. 2a, Abs. 3 sowie Abs. 3a GrEStG für grund­be­sitzende Gesellschaften werden wohl von derzeit (mind.) 95 auf (mind.) 90 Prozent herabgesetzt.
  • Mit § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. wird ein weiterer Ersatztatbestand für Kapitalgesellschaften geschaffen. Er besteuert als Parallelvorschrift zur bislang nur für Personengesellschaften geltenden Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang von mind. 90 Prozent der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren. Damit führen künftig auch solche Bewegungen an Kapital­gesellschaften zur Besteuerung, die nicht in einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Anteilsver­einigung in einer Hand resultieren, sondern auf mehrere Erwerber erfolgen.
  • Der Betrachtungszeitraum für § 1 Abs. 2a GrEStG wird auf zehn Jahre verlängert und entspricht damit dem für den neuen § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. geltenden Zeitraum.
  • Da es sich bei § 1 Abs. 2b GrEStG-E um eine neue Vorschrift handelt, sollen Anteilsbewegungen, die bereits vor dem geplanten Inkrafttreten am 1. Juli 2021 dinglich abgeschlossen sind, nicht bei der Tatbestands­prüfung berücksichtigt werden. Eine entsprechende Übergangsvorschrift wurde kurzfristig durch den Finanzausschuss noch aufgenommen. Ob die günstige Übergangsregelung auch für die Beurteilung von mittelbaren Übertragungen gilt, scheint im Wortlaut nicht explizit geregelt.
  • Bestimmte an definierten Börsen erfolgende Anteilsbewegungen sollen weder für § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. noch für § 1 Abs. 2a GrEStG mitgezählt werden. Insofern hat der Finanzausschuss die Einführung eines § 1 Abs. 2c GrEStG n.F. (sog. „Börsenklausel“) ergänzt. Aus der Ausdehnung der Börsenklausel auch auf § 1 Abs. 2a GrEStG dürfte u.E. abzuleiten sein, dass auch über einen Börsenhandel erfolgte mittelbare Bewegungen unschädlich sein sollten. Nicht privilegiert werden dagegen Bewegungen, die zwar mittelbar eine an einer geeigneten Börse gehandelte Gesellschaft betreffen, selbst aber nicht durch einen Verkauf über eine solche Börse erfolgen (Bsp.: Notarieller Verkauf einer als Aktionär fungierenden Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH).
  • Der früheren Forderung des Bundesrats, die zeitliche Relevanz von Anteilsbewegungen auf mittelbarer Ebene für § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. gesetzlich zu regeln, wurde nicht gefolgt. Im Erlass vom 12. November 2018 zum bisherigen § 1 Abs. 2a GrEStG vertritt die Finanzverwaltung in Ermangelung einer (für unmittelbare Änderungen bestehenden) expliziten Regelung eine zeitlich unbefristete Berück­sichtigung von Anteilsübertragungen auf mittelbarer Ebene (sog. „Ewigkeitsbetrachtung“). Insofern ver­bleiben hier bei der Gestaltung Risiken sowohl für § 1 Abs. 2a GrEStG als auch für § 1 Abs. 2b GrEStG n.F.


Befreiungstatbestände

  • Vorbesitzzeiten und Haltefristen für die Befreiungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG werden auf zehn Jahre verlängert; für bestimmte Anteilsvereinigungen sind künftig sogar 15 Jahre Vorbesitzzeit als Voraussetzung für eine Steuerbefreiung vorgesehen.
  • Die Befreiungstatbestände der §§ 5 und 6 GrEStG werden nicht für Kapitalgesellschaften geöffnet, jedoch trotzdem über § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. die Besteuerung betreffend Kapitalgesellschaften erweitert. Es kommt also nicht zu einer „Gleichberechtigung“ der Gesellschaftsformen.
  • Die „Konzernklausel“ des § 6a GrEStG als Befreiungstatbestand für bestimmte gruppeninterne Umstruk­tu­rierungen soll nicht an die neuen Schwellen und Fristen der Steuerbarkeitstatbestände angepasst werden. Es bleibt für § 6a GrEStG bei einer geforderten Beteiligungshöhe von mind. 95 Prozent sowie bei Vor- und Nachbesitzzeiten von mind. fünf Jahren.


Die verabschiedeten Neuregelungen werden künftig steuerliche Gestaltungen in den meisten Fällen be-, nicht aber verhindern.

Die befürchteten Kollateralschäden ergeben sich jedoch außerhalb des Gesetzestextes, exakt gesagt durch Regelungsdefizite. Bekannte und diskutierte Problemfelder wurden nicht mehr aufgegriffen, vermutlich um die Gefahr eines Zerredens der Gesetzesänderung und damit eines Scheiterns der Share Deal-Reform kurz vor Ende der Legislaturperiode zu vermeiden.


Beispielhafte Stolperfallen

Zwischen Verabschiedung des Gesetzes und Inkrafttreten am 1. Juli 2021 bleibt noch etwa ein Monat. Natürlich sollten anstehende Strukturüberlegungen dahingehend beurteilt werden, ob eine Durchführung noch unter altem Recht vorteilhaft sein könnte. Dabei sollte jedoch besonderes Augenmerk daraufgelegt werden, dass nicht nur die Vereinbarung, sondern auch eine finale Umsetzung noch vor dem Stichtag erfolgen müssten. So wird ein Verkauf von 100 Prozent der Geschäftsanteile an einer GmbH mit Immobilienbesitz vor dem 1. Juli 2021 beim Käufer als Erwerb vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG) besteuert; auslösendes Element ist der Kaufvertrag. Erfolgt der Anteilsübergang, z.B. aufschiebend bedingt auf die Kaufpreiszahlung, erst nach dem 30. Juni 2021, tritt mit Eigentumsverschaffung eine Steuerbarkeit bei der GmbH nach § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. ein (maßgeblich nach dieser Vorschrift ist die Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts). Da § 1 Abs. 3 GrEStG unter altem Recht noch nicht von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. verdrängt wird, besteht ein hohes Risiko einer zweimaligen Besteuerung aufgrund ungenügender Übergangsvorschrift bzw. Konkurrenzregelung.

Ähnliches ist in folgender Konstellation zu befürchten: Die M-KG hat in der Vergangenheit steuerbar 100 Prozent an der grundbesitzenden T-GmbH gekauft. 2022 wird die M-KG vollständig verkauft und übertragen. Nach aktuell anzunehmender Rechtslage (und expliziter Erlassregelung) wird der Grundbesitz der steuerbar erworbenen GmbH der KG wie eigener zugerechnet. Aktuell wird eine Übertragung der KG damit bei dieser selbst nach § 1 Abs. 2a GrEStG besteuert. Künftig erfüllt der mittelbare Übergang von 100 Prozent an der GmbH auch den Wortlaut des § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. (Steuerpflicht bei der GmbH). Mangels gesetzlicher Konkurrenz­regelung besteht das Risiko einer Doppelbesteuerung.

Die Liste der Ungereimtheiten könnte fortgesetzt werden. Weitere werden sich noch im Laufe der praktischen Anwendung ergeben. Eines ist bereits jetzt klar: Für Unternehmen geht es wegen unzureichender Übergangs- und Konkurrenzvorschriften um echte Umstrukturierungsnachteile und Transaktionshindernisse; nicht um Vorteile gegenüber dem Familienheim.

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