Sanierung unter dem Schutzschirm: Ein Praxisfall

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zuletzt aktualisiert am 22. Juli 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten

von Tillmann Peeters


Der Gesetzgeber hat mit dem Schutzschirmverfahren die breite Anwendung des Insol­venzrechts als Sanierungsmittel unter eigener Regie eröffnet. Unternehmen können sich in dem Verfahren selbstständig, nur überwacht durch einen Sachwalter, ent­schulden und reorganisieren. Das Privileg verdient sich das Unternehmen durch ein hohes Maß an Transparenz und durch eine frühzeitige Antrag­stellung. Das im Folgen­den dargestellte Schutzschirmverfahren zeigt Ihnen ein Praxisbeispiel aus unserer Bera­tungspraxis. [1]



 

1. Das Problem

Die B GmbH bot hochwertige Dienstleistungen für deutsche Großunternehmen an. Aufgrund einer sehr hohen Umsatzabhängigkeit von einem bestimmten Kunden (rund 75 Prozent) geriet die B GmbH in existenz­bedrohende wirtschaftliche Probleme, als der Kunde seine Ausgaben kurzfristig deutlich reduzieren musste.
 
Als Dienstleistungsunternehmen hatte die B GmbH eine Fixkostenquote von etwa 80 Prozent, sie setzte sich über­wiegend aus Personalkosten und Mietaufwand zusammen. Eine kurzfristige Reduzierung der Kosten wäre nur mit hohem finanziellen Aufwand möglich gewesen. Der Aufwand hätte die Leistungs­fähigkeit deutlich überschritten. Alleine für den Sozialplan für ca. 120 Mitarbeiter wären nach überschlägigen Berechnungen ca. 3,5 Mio. Euro zu zahlen gewesen, ohne Auslauflöhne bei langen Kündigungsfristen.
 

2. Das Ergebnis

Schnell war klar: Entscheidende Erfolgs­faktoren konnten nur ein klarer Sanierungsprozess und eine aktive und offene Kommunikation hinsichtlich des Ablaufs und der Ziele sein.
  • Im Laufe des Verfahrens konnten die Personalkosten von 22 Mio. Euro in der Gruppe auf ca. 12 Mio. Euro gesenkt werden.
  • Der Aufwand dafür betrug mit ca. 700.000 Euro für den Sozialplan rund 20 Prozent des Aufwandes ohne Durchführung des Schutzschirmverfahrens.
  • Der Mietaufwand konnte durch eine Verlagerung ebenfalls deutlich auf rund 25 Prozent der ursprünglichen Kosten reduziert werden.
  • Im Laufe des Verfahrens verzichteten die Gläubiger auf Verbindlichkeiten von rund 9,3 Mio. Euro, was zu einer deutlichen Verbesserung der Eigenkapitalquote auf etwa 65 Prozent geführt hat.
  • Das Verfahren dauerte bis zur Abstimmung über den Insolvenzplan nur 3 Monate, davon waren nur etwa 6 Wochen öffentlichkeitswirksam.
  • Das Finanzamt sowie die beteiligte Gemeinde haben deutlich zum Sanierungserfolg beigetragen, indem sie sich hinsichtlich des Sanierungsgewinns bereiterklärt haben, die aus der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplanes entstehenden Gewinne entsprechend den Regelungen des Sanierungserlasses als Sanierungsgewinn zu besteuern und auf die gegebenenfalls anfallenden Ertragssteuern im Billigkeitswege zu verzichten. 
     

3. Der Weg

Das Management entschied sich in Abstimmung mit den Gesellschaftern kurzfristig für die Einleitung eines Schutz­schirm­verfahrens. Für Gesellschafter ist das Verfahren attraktiv, da die Möglichkeit der Sanie­rung im Insolvenzplan besteht, d.h. den Gesellschaftern wird das eigene Unternehmen erhalten. Für die Ge­schäfts­führung ist es interessant, da auch die Verfügungsmacht erhalten bleibt. Sie muss sich zwar der Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters stellen, an dessen Auswahl kann im Schutzschirm jedoch bestimmend mitgewirkt werden.
 
Um das Management in der schwierigen und haftungsträchtigen Zeit zu unterstützen, wurde ein Sanierungs­experte von Rödl & Partner als CRO bestellt. Der CRO hat als Mitglied der Geschäftsführung die Aufgabe, den Prozess der Sanierung zu steuern und die schnelle und effektive Umsetzung der Sanierungs­maß­nahmen zu veranlassen. 
 
Weiterer Vorteil war die Möglichkeit, das Verfahren still durchzuführen. Das Schutz­schirm­verfahren ist zwar in der Insolvenzordnung geregelt und damit grundsätzlich auch ein Insolvenzverfahren; da es aber freiwillig eingeleitet wird, kann von der sonst zwingenden Veröffentlichung weitgehend abgesehen werden. Das ermög­licht dem Unternehmen, die Öffentlich­keits­wirkung des Verfahrens zu steuern und Kunden und Lieferanten zu informieren, bevor Marktgerüchte sie erreichen.
 
Um in den Genuss der Privilegien eines Schutzschirmverfahrens zu gelangen sind allerdings einige Voraus­setzungen zu erfüllen.
 
So muss sich das Unternehmen zwar in einer Krise befinden, darf aber noch nicht zahlungsunfähig sein. Außerdem bedarf es eines Sanierungskonzepts, das nicht offenkundig aussichtslos sein darf.
 
Das Sanierungskonzept beruhte in dem Verfahren naturgemäß auf einer Anpassung des Personalstammes auf die neue und nachhaltig zu erwartende Umsatzgröße. All das wurde durch einen insolvenzerfahrenen, unabhängigen Dritten geprüft und bestätigt. Daraufhin stellte die Geschäftsführung beim zuständigen Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens.
 
Das Gericht gab der B GmbH auf, innerhalb von zwei Monaten einen Insolvenzplan vorzulegen und umgehend einen Gläubigerausschuss zu bestellen. Als Sachwalter wurde in Abstimmung zwischen Gericht und Unter­nehmen ein anerkannter Sanierungsfachmann bestellt. Insgesamt wurde damit dem Antrag stattgegeben. 
 
Als wichtigste Aufgabe unmittelbar vor Antragstellung war bereits die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes vorbereitet worden. Das Insolvenzgeld ist eine Sozialleistung des deutschen Staates, durch die für max. drei Monate Löhne und Gehälter bezahlt werden und das Unternehmen von den Kosten entlastet wird. Das stellt naturgemäß einen wesentlichen Sanierungsbeitrag dar.
 
Da das Insolvenzgeld erst nach Verfahrenseröffnung ausgezahlt wird (und damit die Mitarbeiter rund drei Monate auf Geld warten müssten), wird die Auszahlung üblicherweise durch einen Bankkredit vorfinanziert (sog. Insolvenz­geld­vor­finan­zierung). Dadurch konnte den Mitarbeitern schnell die Auszahlung von Lohn und Gehalt für das Eröffnungsverfahren garantiert werden. 
 
Kern des Sanierungskonzeptes war es, in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat den notwendigen Personal­abbau im Sozialplan mit Interessenausgleich und Namensliste sicher zu stellen. 
 
Nachdem klar war, welche personellen Kapazitäten in Zukunft noch benötigt würden, konnte darauf das Personalkonzept erarbeitet und mit dem Betriebsrat verhandelt werden. Unterstützt wurde der Personalabbau durch ein aktives Outplacement. Dabei konnten knapp 50 Prozent der Kündigungen durch Vermittlung in andere Arbeitsplätze vermieden werden, sodass der – leider notwendige Personalabbau – deutlich sozialver­träglicher gestaltet werden konnte. Insgesamt wurden von rund 300 Mitarbeitern in der Unternehmensgruppe ca. 150 Mitarbeiter abgebaut. Das war v.a. deshalb möglich, weil es sich bei den Mitarbeitern um gut aus­gebildete Fachkräfte handelte, für die eine hohe Nachfrage am Arbeitsmarkt bestand.
 
Knapp ein Jahr nach der Einleitung des Verfahrens, hatten über 90 Prozent der Mitarbeiter eine neue Arbeits­stelle.
 
Die Kosten für den gesamten Personalabbau beliefen sich auf rund 700.000 Euro, also ca. 20 Prozent der Kosten ohne ein Schutz­schirm­verfahren. Hinzu kommt, dass durch die verkürzten Kündigungsfristen von max. drei Monaten im Schutzschirm auch die Auslauflöhne signifikant geringer waren.
 
Aufgrund der aktiven Kommunikation während der Schutzschirmphase kam es im gesamten Verlauf des Verfahrens nicht zu Kunden­verlusten. Das Unternehmen konnte den Geschäftspartnern ein nachvollziehbares Sanierungskonzept vorstellen und es dann im Laufe der Sanierung auch umsetzen. Das erzeugte ein hohes Vertrauen in die erfolgreiche Sanierung.
 
Nach zwei Monaten im Schutzschirm wurde das Verfahren eröffnet. Die Abstimmung über den Insolvenzplan fand weitere sechs Wochen später statt. Dem Insolvenzplan haben alle Gläubigergruppen zugestimmt. Da die wesentlichen Gläubiger Mitarbeiter und die öffentliche Hand waren, konnte die Zustimmung schon im Vorfeld aufgrund des Erhalts eines wesentlichen Teils der Arbeitsplätze sichergestellt werden. Damit war die Restruk­turierung rund dreieinhalb Monate nach dem Entschluss der Geschäftsführung in Übereinstimmung mit allen wesentlichen Gläubigern und den Mitarbeitern erfolgreich durchgeführt.
 
Die schnell und konsequente Durchführung des Verfahrens und die erzielten Sanierungserfolge sind der Beleg dafür, dass – bei richtiger Anwendung des Schutz­schirm­ver­fahrens – eine gute Option für die nachhaltige Sanierung von Unternehmen besteht.

 

Das Schutzschirmverfahren

Voraussetzung für die Anordnung des Schutzschirmverfahrens nach § 270b Insolvenzordnung (InsO) ist, dass der Schuldner einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, einen Antrag auf (vorläufige) Eigenverwaltung und einen Antrag auf Schutz zur Vorbereitung von Sanierungsmaßnahmen stellt. 
 
Zudem ist erforderlich, dass der Schuldner nicht zahlungsunfähig, mithin lediglich drohend zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist und zudem die beabsichtigte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos. Die letztgenannten Voraussetzungen sind von einem in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bescheinigen.
 


[1] Die Verfahrensabwicklung verlief ruhig zwischen Unternehmen und Gläubigern ab, daher wird von einer Namensnennung abgesehen. Der Insolvenzplan ist zwischenzeitlich rechtskräftig bestätigt.
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