Side Letter in der Transaktion: Fluch und Segen

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veröffentlicht am 20. November 2019 | Lesedauer ca. 5 Minuten

von Michael Wiehl, Rödl & Partner Nürnberg, und Annette Jakob


Side Letter werden im Transaktionsgeschäft mit sehr unterschiedlichen Inhalten und Zielrichtungen geschlossen. Der Anwendungsbereich reicht u.a. von Absprachen zu Garantieversprechen über die Vereinbarung von Verhaltenspflichten der Parteien bis zu Absprachen zu Optionsrechten. Auch wenn ein Side Letter eine Nebenvereinbarung außerhalb des Kaufvertrags darstellt, kann seine Verwendung Auswirkungen auf den entsprechenden Hauptvertrag haben und (im worst case) sogar zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen.



Vorteile eines Side Letters bei Transaktionen

Die ausschlaggebenden Gründe für den Abschluss eines Side Letters, d.h. einer zum Hauptvertrag zugehörigen Nebenvereinbarung, bei Transkationen sind meist die inhaltliche Regelungsfreiheit sowie mögliche Kosten­vorteile (mehr dazu auch im Beitrag „Side Letter in der Praxis“.

Grundsätzlich steht es den Parteien eines Geschäftsanteils- oder Immobilienkaufvertrags frei, wie sie einen solchen Side Letter ausgestalten. Insbesondere gibt es hierfür keine gesetzlich zwingenden oder rechtlich notwendigen Inhalte. Vielmehr können die Parteien im Side Letter sämtliche Nebenvereinbarungen treffen, die sie aus verschiedensten Gründen nicht in den Kaufvertrag aufnehmen möchten.

Oftmals entscheiden sich Parteien bei einer Transaktion auch aufgrund eines Geheimhaltungsinteresses für den Side Letter. Es soll verhindert werden, dass die getroffenen Absprachen von nicht an der Transaktion beteiligten Personen eingesehen werden können und somit u.U. vertrauliche Informationen nach Außen gelangen. Beim Hauptvertrag lässt sich das meist nicht vermeiden, da die Verträge oftmals dem Beur­kun­dungserfordernis unterliegen.

Auch das Formerfordernis (verbunden mit dem dadurch entstehenden Kostenaufwand) kann die Parteien zu einem Side Letter motivieren. Im Gegensatz zum Hauptvertrag, der in den Fällen von GmbH-Anteilsübertra­gungen und Immobilientransaktionen notariell beurkundet werden muss, unterliegt ein Side Letter grundsätzlich keinem bestimmten Formerfordernis. So können die Parteien durch den Abschluss eines Side Letters die Kosten der Beurkundung oder Beglaubigung eindämmen.


Grenze: Beurkundungspflicht

Diese mutmaßlichen Vorteile gelten in Zusammenhang mit beurkundungspflichten Immobilien- bzw. Geschäftsanteilskaufverträgen jedoch nur eingeschränkt.


Immobilienkaufverträge

§ 311b Abs. 1 BGB legt fest, dass Verträge, durch die sich ein Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung bedürfen.

Der Normzweck besteht darin, die Bedeutung des Rechtsgeschäfts zu betonen und vor Übereilung zu schützen (Warnfunktion). Zudem erleichtert die notarielle Form den Beweis der Vereinbarung und ermöglicht den Parteien eine sachkundige Beratung. Das Formerfordernis kann sich auch auf sämtliche Nebenvereinbarungen erstrecken, sofern diese nach dem Willen der Parteien  „Teil des Veräußerungsgeschäfts” sind. Vom Formzwang erfasst sind dabei alle Abreden, die zusammen mit dem Grundstückskaufvertrag ein einheitliches Rechts­geschäft bilden. Eine solche rechtliche Einheit besteht, wenn die beiden Vereinbarungen aneinander gekoppelt sind und nach dem Willen der Parteien miteinander „stehen und fallen” sollen. Zumindest bedarf es einer einseitigen rechtlichen Abhängigkeit des Grundstückkaufvertrags vom Side Letter. Auf eine wirtschaftliche Verknüpfung kommt es gerade nicht an.

Demnach sind Nebenvereinbarungen zu einem Immobilienkaufvertrag zumindest dann beurkundungspflichtig, wenn sie mit dem Hauptvertrag eine rechtliche Einheit bilden und das Grundstücksgeschäft nicht ohne den Side Letter vorgenommen worden wäre. Neben Willenserklärungen, die Rechtswirkungen erzeugen, sind vom Formzwang auch Abreden umfasst, die die Leistungen aus dem Hauptvertrag näher darstellen oder konkre­tisieren. Im Gegensatz dazu sind bloße Hinweise und Erläuterungen in einem Side-Letter unzweifelhaft nicht beurkundungspflichtig. Einer Erläuterung kommt i.d.R. lediglich veranschaulichende Wirkung zu. In der Praxis kann die Abgrenzung zwischen Erklärungen und bloßen Erläuterungen mitunter sehr schwierig sein und es besteht Gefahr gegen den Formzwang zu verstoßen.

Denkbar ist außerdem, dass ein Side Letter zwischen einer der Vertragsparteien des Hauptvertrags und einem außenstehenden Dritten geschlossen wird. Abhängig vom tatsächlichen Inhalt des Side Letters kann auch diese Konstellation einer notariellen Beurkundung bedürfen. Auch hier ist zur Einordnung des Side-Letters entscheidend, ob nach dem Willen der Parteien der Side Letter ein Bestandteil der kaufvertraglichen Einigung sein soll. Hält zumindest eine Partei ihn für unbedingt notwendig, ist er auch zum Gegenstand der notariellen Kaufvertragsbeurkundung zu machen.

Unterliegt der Side Letter aus den aufgeführten Gründen dem Formerfordernis aus § 311b Abs. 1 BGB (müsste er also notariell beurkundet werden), führt dessen privatschriftlicher Abschluss nach § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit desselben und kann auch den Hauptvertrag „infizieren”. Ein nichtiger Side Letter kann u.U. auch zur Unwirksamkeit eines an sich formwirksam abgeschlossenen Grundstückskaufvertrags führen. Nach den gesetzlichen Regelungen ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil desselben nichtig ist, und wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Es kommt also im Einzelfall darauf an, ob der Side Letter und der Grundstückskaufvertrag nach Ansicht der Parteien in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen.


GmbH-Anteilskaufverträge

Auch eine Vereinbarung, welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils einer GmbH beinhaltet, bedarf nach § 15 Abs. 4 GmbHG der notariellen Beurkundung.

Im Gegensatz zur Formbedürftigkeit bei Immobilienkaufverträgen besteht der Normzweck der Beurkundungs­pflicht von GmbH-Anteilskaufverträgen darin, den spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen zu verhindern. Der Beurkundungszwang beschränkt sich auch in dem Fall nicht auf die bloße Kaufabrede, sondern kann grundsätzlich auch Side-Letter treffen, die Abreden enthalten, welche über die Hauptleistungspflichten hinausgehen. Der eingeschränkte Zweck des Formbedürfnisses hat jedoch auch Auswirkungen auf die Auslegung, welche weiteren Abreden neben der Hauptverpflichtung zusätzlich zu beurkunden sind.

Unter derartigen Nebenabreden zum Hauptvertrag werden Vereinbarungen zwischen den Parteien zugeordnet, die kein eigenes Gegenleistungsverhältnis begründen und mithin nicht zwingend im Hauptvertrag abzubilden sind. So bspw. Absprachen zu Garantieversprechen, Verpflichtung zum Abschluss weiterer Verträge (z.B. Lizenzverträge) oder sonstige Regelungspunkte, die zwischen den Parteien des Hauptvertrags getroffen werden.

In der Literatur und Rechtsprechung gibt es zur Beurkundungspflicht solcher Side Letter unterschiedliche Ansichten. Nach einer Ansicht können Nebenabreden u.U. dem Formzwang nach § 15 Abs. 4 GmbHG unterfallen, sofern sie für den Anteilskauf wesentlich sind oder einen Teil einer Gesamtvereinbarung darstellen (Vollständigkeitsgrundsatz). Eine andere Ansicht beschränkt die Beurkundungspflicht lediglich auf die Verpflichtung der Anteilsübertragung und sieht keinen Formzwang für übrige wirtschaftliche Vereinbarungen, die über die bloße Kaufabrede hinausgehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der erwähnte Vollständig­keitsgrundsatz die zu bevorzugende Ansicht. Eine Aufspaltung des Verpflichtungsvertrags in einen formbedürftigen und einen formfreien Teil ist wohl kaum rechtssicher handhabbar. Maßgeblich für den Umfang der Beurkundungspflicht ist vielmehr, was die Parteien als wirtschaftlich notwendig zusammenhängend ansehen. Alle Teile des nach dem Willen der Parteien einheitlichen Vertrags – inklusive der Nebenabreden – bedürfen damit der Form. Anderes kann lediglich für untergeordnete oder rein technische Vereinbarungen gelten. Der Beurkundung bedürfen nach der ersten Ansicht bspw. Zusicherungen von Eigenschaften des verkauften Anteiles, sowie Bedingungen der Abtretung oder Regelungen zur Erfüllung des Kaufvertrags.

Schließlich sind auch bei Anteilskaufverträgen Side Letter zwischen einer der Vertragsparteien und einem Dritten vorstellbar (z.B. Finanzierungsverträge). Bei den Beurkundungserfordernissen in diesen Konstellationen besteht ebenfalls keine Einigkeit in der Literatur. Während nach einer Ansicht ein Side Letter mit außen­stehenden Dritten in keinem Fall formbedürftig ist, erachten Teile der Literatur eine notarielle Beurkundung für notwendig, sofern der Dritte ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Verpflichtungsgeschäft hat. Nach zutreffender Ansicht sind solche Vereinbarungen nicht dem Formzwang zu unterwerfen. Den Parteien des Hauptvertrags kann nicht aufgebürdet werden, die Motive des Dritten zu erkennen und davon rechtssicher eine etwaige Beurkundungspflicht abzuleiten.

Die unterschiedlichen Überzeugungen können in der Praxis zu großen Unsicherheiten führen. Wird die Nebenabrede fälschlicherweise als nicht beurkundungspflichtig eingeordnet und wird der Side Letter formlos abgeschlossen, kann das wesentliche Auswirkungen auf den Verpflichtungsvertrag haben. Im Zweifel gilt auch hier oben Gesagtes und der privatschriftliche Abschluss des Side Letters kann (im worst case) zur Nichtigkeit des gesamten Hauptvertrags führen (§ 125 S. 1 BGB).


Fazit

Da Side Letter im Transaktionsgeschäft nicht zwingend lediglich Vorteile mit sich bringen, sollten sie keinesfalls unbedacht abgeschlossen werden. Bereits vor Abschluss des Side Letters bedarf es einer Prüfung des angestrebten Regelungsinhalts, um sich über mögliche Formerfordernisse klar zu werden. Ob der Abschluss eines Side-Letters zum Hauptvertrag im Detail sinnvoll ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Anhand des oben Aufgeführten gilt es zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und der Kostenersparnis einerseits und dem Risiko der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages andererseits abzuwägen und eine für alle Parteien passende, folgerichtige Lösung zu finden. Unabhängig davon kann es sich in der Praxis jedoch durchaus empfehlen, die Zweifel über die Wirksamkeit vorn vorherein auszuräumen, indem Nebenabreden mit dem formbedürftigen Verpflichtungsvertrag mitbeurkundet werden.   

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