Digitale Geschäftsmodelle im Steuerrecht – Herausforderungen bei der Internationalisierung

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Das heutige Steuerrecht ist an der Wirtschaftsstruktur des 20. Jahrhunderts ausgerichtet. Digitale Geschäftsmodelle finden erst zögerlich Eingang in die Steuerpolitik der Industriestaaten. Die Herausforderung besteht darin, die Modelle entsprechend ihrem Wertschöpfungspotenzial in bekannte Strukturen zu „übersetzen”, um sie anschließend mit den sich hieraus ergebenden Steuerfolgen zu verknüpfen.
 

Die digitale Revolution begann mit der Erfindung des Mikrochips, fand ihre wesentlichen Katalysatoren in der Computerisierung sowie dem Internet und mündet mittlerweile in der Digitalisierung unserer Wirtschaft. Hierdurch wurde nicht nur eine digitale Transformation des Handels („E-Commerce”) und unserer klassischen Industrie („Industrie 4.0”) angestoßen – vielmehr begann auch eine Evolution digitaler Märkte. Besonders Letztere treibt das von klassischen Wertschöpfungsketten geprägte Steuerrecht zusehends zur Veränderung. Mit der BEPS-Initiative der OECD sollen die traditionellen Steuerrechtsordnungen ebenfalls digitalisiert werden, so dass sie an die wirtschaftliche Realität des 21. Jahrhunderts anknüpfen können. Denn die Konsequenz der digitalen Transformation und Evolution wird bereits jetzt immer deutlicher: „ […] the digital economy is increasingly becoming the economy itself” (BEPS Aktionsplan 1, S. 12).
 

Bis zum Abschluss der eben angedeuteten Digitalisierung der deutschen sowie der internationalen Steuerrechtsordnung(en) besteht die Herausforderung darin, digitalisierte oder per se digitale Geschäftsmodelle in bekannte Geschäftsprozesse/-modelle zu „übersetzen” (Übersetzungsprozess). Nur so kann die Verknüpfung mit dem traditionellen Steuerrecht bzw. die Ableitung von sich möglicherweise ergebenden Steuerrechtsfolgen (Verknüpfungsprozess) gelingen.
 

„Mobile Advertising” als Beispiel

Zur Verdeutlichung der beiden Prozesse dient das Beispiel eines Performance-Marketing-Unternehmens, das ausschließlich auf dem virtuellen) Geschäftsfeld Mobile Advertising aktiv ist und eine Internationalisierung seiner Geschäftsaktivitäten plant.
 

Erwirbt das Performance-Marketing-Unternehmen Bannerwerbeplätze zu CPM („Cost per Millenium”), bedeutet das, dass der Banner für eine Anzahl von 1.000 Klicks „gemietet” und dessen Anbieter für die 1.000 Klicks vom Performance-Marketing-Unternehmen vergütet wird. Der Banner bewirbt dann die Mobile-App des Kunden des Performance-Marketing-Unternehmens (z.B. Uber oder AirBnB). Wird der (mobile) Internetkunde über den Bannerwerbeplatz erfolgreich auf die Seite des App-Anbieters geführt, vergütet der Mobile-App-Anbieter dem Digitalunternehmen diesen „Lead” zu CPL („Cost per Lead”), also mit einem „Lead-Honorar”. Die Differenz zwischen dem CPM-Honorar und der Summe der CPLHonorare stellt dabei den „Rohgewinn” des Performance-Marketing-Unternehmens dar.
 

Setzt das Digitalunternehmen im Zuge des Einkaufs eine selbst entwickelte Filtertechnologie ein und vermeidet so den Erwerb von Fake-Bannerwerbeplätzen, kann es dadurch seine Gewinnmarge erhöhen. Am Ende des „Übersetzungsprozesses” kann das Digitalunternehmen mit einem Handelsunternehmen verglichen werden, das virtuelle Waren in Form von temporären Werberechten vertreibt und eine eigene Technik zur Sicherung der Einkaufsqualität entwickelt hat.
 

Steuerliche Konsequenzen

Will das Performance-Marketing-Unternehmen seine Geschäftstätigkeit nun durch ausländische Tochtergesellschaften international etwa in Dubai (VAE) oder Hong-Kong multiplizieren, so kommt der Verknüpfungsprozess mit dem deutschen Außensteuerrecht in Gang. Im Zuge des Prozesses ist die internationalisierte Tätigkeit v.a. mit dem Steuerrechtsinstitut der Funktionsverlagerung und der – aufgrund der aus deutscher Sicht in den VAE und Hong-Kong vorherrschenden niedrigen Besteuerung – Hinzurechnungsbesteuerung zu verknüpfen und auf sich hieraus eventuell ergebende Rechtsfolgen zu untersuchen.
 

Basierend auf dem Verständnis eines qualitätssichernden (digitalen) Handelsunternehmens muss dann im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung geprüft werden, ob es durch die Internationalisierung tatsächlich zu einer steuerschädlichen Verlagerung der Funktion (Einschränkung/Einstellung der digitalen Handelstätigkeit in Deutschland) oder lediglich zu einer steuerunschädlichen Verdopplung der Funktion (uneingeschränkte Fortsetzung der digitalen Handelsfunktion in Deutschland) kommt. Nur im Fall des Vorliegens einer Funktionsverlagerung würden die künftigen Gewinne aus der digitalen Handelstätigkeit in Deutschland einer Schlussbesteuerung unterworfen werden.
 

Bei der Hinzurechnungsbesteuerung stellt sich v.a. die Frage, ob die Tochtergesellschaften passive Einkünfte aus einer reinen Handels­tätigkeit erzielen. Letzteres ist grundsätzlich nur insofern der Fall, wenn die folgenden 3 Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  1. Die inländische Muttergesellschaft wird ein digitaler Handelspartner der ausländischen Tochtergesellschaften.
  2. Die ausländischen Tochtergesellschaften verfügen über keine, für ihre digitale Handelstätigkeit ausreichende, wirtschaftliche Substanz.
  3. Die ausländischen Tochtergesellschaften üben die Handelstätigkeit unter Mitwirkung der inländischen Muttergesellschaft aus.

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Prof. Dr. Alexander Blank

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