Umwandlungsrichtlinie: EU-weite Umsetzung noch auf dem Weg statt am Ziel

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veröffentlicht am 19. April 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten 

    

Die Umwandlungsrichtlinie (EU) 2019/2121 hat die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge von Unter­nehmen (Verschmelzungen, Spaltungen, Formwechsel) innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten zum Gegen­stand. Die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie in nationales Recht sollte bis 31. Januar 2023 erfolgen. Daher sollte es zum jetzigen Zeitpunkt bereits einheitliche Regelungen in allen Mitgliedsstaaten geben – Ziel erreicht? Ein Blick in einzelne Länder verrät, dass man eher noch auf dem Weg ist als am Ziel angekommen.

    
 

 


Stand der jeweiligen Gesetzgebungsverfahren

Obwohl die Frist für die Umsetzung der gegenständlichen Richtlinie am 31. Januar 2023 auslief, befindet sich der Prozess ihrer Umsetzung in der Tschechischen Republik noch in einem frühen Stadium. Den vom tschech­ischen Justizministerium veröffentlichten Dokumenten entsprechend soll die Richtlinie in Form einer Novelle des bestehenden Umwandlungsgesetzes von 2008 umgesetzt werden. Das Gesetz befindet sich derzeit noch im Entwurfsstadium und wurde bislang nicht einmal auf Regierungsebene verabschiedet. 
 
Deutschland hingegen hat das Gesetzgebungsverfahren im Vergleich dazu zügig vorangetrieben. Nach dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) hat das Bundeskabinett bereits im Sommer 2022 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie beschlossen. Nachdem der Entwurf angepasst wurde und sich das Gesetzgebungsverfahren noch einige Monate hinzog, erfolgte die Beschluss­fassung des Deutschen Bundestags im Januar 2023. Da die Zustimmung des Bundesrats und die Verkündung des Gesetzes ausstand, konnte die Frist für die richtlinienkonforme Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie zum 31. Januar 2023 zwar nicht ganz eingehalten werden, wurde aber nur geringfügig überschritten. 

Regelungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel und der grenzüberschreitenden Verschmelzung

Über die bereits bestehenden Regelungen zur Verschmelzung hinaus sieht die Richtlinie vor, dass die grenz­über­schreitende Spaltung und der grenzüberschreitende Formwechsel in den jeweiligen nationalen Gesetzen umzusetzen sind. 
 
In Deutschland wurde damit der grenzüberschreitende Formwechsel und die grenzüberschreitende Spaltung auf Grundlage des Umwandlungsgesetzes erstmals gesetzlich geregelt. Da die Bestimmungen des Umwand­lungs­gesetzes über die grenzüberschreitende Verschmelzung bislang bereits in der Praxis als Regelungsvorbild dienten, bringt die nun erfolgte Umsetzung der Richtline aus deutscher Sicht keine Überraschungen. Vielmehr verspricht die einheitliche Regelung mehr Klarheit und Einheitlichkeit bei der internationalen Umsetzung.
 
In der Tschechischen Republik hingegen bringt die Einführung einer Spaltung durch Ausgliederung eine der wichtigsten geplanten Änderungen im Zuge der Gesetzesnovelle mit sich. Diese Art der Umwandlung ist für das tschechische Rechtssystem neu, auch als innerstaatliche Form der Umwandlung. Bei der Ausgliederung über­trägt der übertragende Rechtsträger einen oder mehrere Teile seines Vermögens auf eine neu gegründete Ge­sell­schaft oder auf eine bereits bestehende Gesellschaft gegen Gewährung von Anteilen. Im Unterschied zur Auf- und Abspaltung werden aber die Anteile an den übertragenden Rechtsträger (nicht an dessen Anteils­in­haber) ausgegeben. Der übertragende Rechtsträger tauscht folglich den ausgegliederten Vermögensteil gegen eine Beteiligung an dem übernehmenden Rechtsträger. Unter dem Druck der Richtlinie eine „Spaltung durch Ausgliederung“ bei grenzüberschreitenden Umwandlungen zu ermöglichen, hat der tschechische Gesetzgeber keine andere Wahl, als diese Umwandlung ebenfalls auf nationaler Ebene zuzulassen. Bisher war es nur mög­lich, sich dem Ergebnis einer Spaltung durch Ausgliederung oder Anwendung anderer rechtlicher Institute, insbesondere durch eine Sacheinlage, anzunähern.
 

Missbrauchskontrolle der Gerichte

Eine Neuerung, die bereits heute in der juristischen Fachöffentlichkeit der Tschechischen Republik über­wieg­end negative Emotionen hervorruft, ist die im Entwurf vorgesehene Missbrauchskontrolle. Der Entwurf sieht vor, dass der Notar verpflichtet ist, die Ausstellung einer so genannten Bescheinigung über die grenzüber­schreitende Umwandlung zu verweigern, wenn er feststellt, dass der Zweck der grenzüberschreitenden Um­wand­lung missbräuchlich oder betrügerisch ist, oder darauf abzielt, nationale oder EU-Rechtsvorschriften zu umgehen oder eine Straftat zu begehen. Im Zweifelsfall sollte sich der Notar an eine zuständige Behörde (z. B. Finanzbehörde) wenden und um Unterstützung bitten oder gegebenenfalls einen Sachverständigen hinzu­ziehen, dessen Kosten natürlich von der an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft getragen werden sollen. Eine Behörde kann einem Notar jedoch nur im Rahmen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften Mitwirkung leisten und daher beispielsweise keine Informationen offenlegen, die der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Wenn also eine beteiligte Partei ein Interesse daran hat, dass z.B. eine Finanzbehörde einem Notar relevante Informationen zur Verfügung stellt, muss sie die Behörde zunächst von der Schweigepflicht entbind­en. Es ist davon auszugehen, dass ein Notar in der Regel nicht bereit sein wird, sich mit Fragen zu befassen, die möglicherweise nicht zu seinem Fachgebiet gehören – insbesondere mit den steuerlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer grenzüberschreitenden Umwandlung – und diesbezüglich Verantwortung zu übernehmen. Infolgedessen kann diese Regelung zu einem erhöhten Verwaltungs- und Kostenaufwand für die beteiligten Parteien führen die gezwungen sein werden, dem Notar Erklärungen von Sachverständigen und anderen Spezial­isten vorzulegen, wonach die grenzüberschreitende Umwandlung nicht missbräuchlich ist, und zwar in einem Umfang, der für den Notar ausreichend sein wird, damit er bereit ist, eine derartige Bescheinigung aus­zustellen. 
 
Auch wenn nach deutschem Umwandlungsrecht nicht die Notare, sondern die Registergerichte verantwortlich sind, hat die Einführung der Missbrauchskontrolle ebenso im deutschen Gesetzgebungsverfahren für Aufsehen gesorgt. Der ursprünglich vorgelegte Referentenentwurf nahm die Registergerichte in die Pflicht zu kontrollier­en, ob grenzüberschreitende Umwandlungen einem missbräuchlichen Zweck dienen. Die den Gerichten abver­langte Prüfpflicht und Missbrauchskontrolle (Prüfung, ob die grenzüberschreitende Umwandlung missbräuch­lichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken dient) gab es in Deutschland so bislang noch nicht und es war völlig unklar, wie die Gerichte dieser Prüfpflicht nachkommen sollen. Allein die Unsicherheiten der Register­gerichte dahingehend, ob und inwieweit sie ihrer Prüfungspflicht nachgekommen sind, hat befürchten lassen, dass es zunächst zu Verzögerungen kommen würde; bis sich eine einheitliche Herangehensweise und ein ent­sprechender Prüfungsmaßstab etabliert haben. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren ist man auf diese Be­denken jedoch eingegangen und hat durch den kleinen Einschub von vier Wörtern „beim Vorliegen von Anhalts­punkten“ für Erleichterung gesorgt. Nunmehr sind nur noch dann weitere Sachverhaltsermittlungen anzu­stellen, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen missbräuchlicher Zwecke vorliegen. Die vom Bundestag nun gebilligte Gesetzesfassung definiert zusätzlich den Begriff der Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ent­sprech­enden Prüfungspflicht.

 Was zu beachten ist

Die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie in den Mitgliedsstaaten bleibt abzuwarten; jedoch kann eine Einheitlichkeit folgender Regelungen erwartet werden:

  • Digitale Kommunikation der Registergerichte
  • Ausstellung einer Verschmelzungs-, Spaltungs- oder Formwechselbescheinigung
  • Missbrauchskontrolle der grenzüberschreitenden Umwandlungen
  • Regelungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel
  • Regelungen zur grenzüberschreitenden Spaltung.
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