Nachhaltigkeits­bericht­erstat­tung: Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

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zuletzt aktualisiert am 6. Dezember 2023 | Lesedauer ca. 7 Minuten


CSRD, ESRS, EU-Taxonomie – in der Gesetzgebung zur unternehmerischen Nachhal­tig­­keitsberichterstattung nimmt die Europäische Union zweifellos eine globale Vor­rei­ter­rolle ein. Durch die neuen Verordnungen, Richtlinien und delegierten Rechtsakte soll die ESG-Berichterstattung sukzessive auf Augenhöhe mit der Finanzbericht­er­stattung rücken. Für Unternehmen im Anwenderkreis halten die neuen Berichts­pflich­ten durchaus Chancen bereit, bedeuten zunächst allerdings einen nicht zu unterschät­zenden Umsetzungsaufwand. 



Im Rahmen des 2019 verabschiedeten European Green Deals hat sich die Europäische Union das ambitionierte Ziel „Klimaneutralität 2050“ gesetzt. Damit die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesell­schaft tatsächlich gelingt, sind umfangreiche Investitionen in grüne Wirtschaftsaktivitäten notwendig. Gleich­zeitig steigen mit dem wachsenden Bewusstsein für Themen wie Umweltschutz und soziale Verantwortung auch von Seiten der Gesellschaft die Anforderungen und Erwartungen an die Nachhaltigkeits­­leistung von Unter­nehmen. Diese stehen daher mehr und mehr unter Zugzwang, ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zu inten­si­vieren und glaubwürdig nach außen zu transportieren.

Doch wie lässt sich zuverlässig erkennen, ob ein Unternehmen tatsächlich „nachhaltig“ wirtschaftet? Woran können sich Unternehmen orientieren, wenn sie den Weg in Richtung mehr Nachhaltigkeit zwar einschlagen möchten, angesichts der Masse an Themenfeldern und möglichen Maßnahmen jedoch nicht wissen, wo sie ansetzen sollen? Und wie kann gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Berichterstattung über ESG-Daten nicht – wie bislang oft der Fall gewesen – in reines Greenwashing mündet?

Die EU setzt hierbei maßgeblich auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sich in den letzten Jahren auf­grund der zunehmenden Nachfrage seitens der Stakeholder für viele Unternehmen ohnehin bereits zu einem wichtigen Instrument entwickelt hat, um Informationen über die eigene Performance in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) an Investoren, Kunden, Mitarbeiter und andere interessierte Stakeholder zu kommunizieren. Bislang mangelte es der ESG-Berichterstattung allerdings unter anderem aufgrund fehlender einheitlicher Standards und konkreter inhaltlicher Vorgaben sowie der nicht vorhandenen Pflicht zur inhalt­lichen Prüfung des Berichts an Transparenz und Vergleichbarkeit. Um diese zu fördern, hat die Europäische Union in den vergangenen Jahren eine Reihe von regulatorischen Maßnahmen auf den Weg gebracht, allen vor­an die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die damit verbundenen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und die EU-Taxonomieverordnung. Die Regelwerke sollen – auch durch die nun in der CSRD erstmalig gesetzlich verankerte Pflicht zur inhaltlichen Prüfung des Nachhaltigkeits­berichts – eine gemeinsame Sprache für die Messung und Bewertung nachhaltiger Praktiken etablieren und die Nachhaltig­keitsberichterstattung hinsichtlich Transparenz, Relevanz, Umfang, Vergleichbarkeit und Qualität sukzessive an die Finanzberichterstattung angleichen.


Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Durch die CSRD werden Lücken in den bisherigen Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch einheitliche Vorgaben geschlossen. Die Verordnung ist am 5. Januar 2023 in Kraft getreten und ab dem Ge­schäfts­jahr 2024 durch die ersten Unternehmen verpflichtend anzuwenden. Die CSRD löst damit die bislang geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD) bzw. deren nationale Umsetzung in Form des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (CSR-RUG) ab. Die deutsche Umsetzung der CSRD steht zwar aktuell noch aus, wird aber bis Jahresende 2023 erwartet. Da die CSRD den Mitgliedsstaaten jedoch ohnehin nur punktuell Wahlrechte in der Umsetzung der Richtlinie einräumt (z.B. hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung), sind hier keine großen inhaltlichen Abweichungen zum Richtlinientext der CSRD zu erwarten.

Mit Anwendungsbeginn der CSRD wird sich der Kreis der Unternehmen, die zur Erstellung eines Nachhaltig­keitsberichts verpflichtet sind, sukzessive deutlich erweitern. Waren deutschlandweit bislang nur ca. 550 große kapitalmarktorientierte Unternehmen zur Offenlegung von ESG-Aspekten im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet, so werden in Zukunft etwa 15.000 Unternehmen, darunter auch viele Mittel­ständler, betroffen sein. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Berichtspflichten erfolgt hierbei gestaffelt:

  • Am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnende Geschäftsjahre: große Unternehmen, die bereits der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) bzw. dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) unterliegen. 
  • Am oder nach dem 1. Januar 2025 beginnende Geschäftsjahre: alle anderen großen Unternehmen, die nicht unter die NFRD bzw. das CSR-RUG fallen.  
  • Am oder nach dem 1. Januar 2026 beginnende Geschäftsjahre: börsennotierte KMU (Möglichkeit eines freiwilligen Aufschubs bis zum Geschäftsjahr 2028).


Bei der Bestimmung der Größenklassen ist zusätzlich der am 17. Oktober 2023 durch die Europäische Kommission erlassene Delegierte Rechtsakt zur Änderung der Schwellenwerte in Art. 3 der Richtlinie (EU) 2013/34 (Bilanzrichtlinie) zu berücksichtigen, der die Anhebung der Schwellenwerte für die Bilanzsumme und die Nettoumsatzerlöse um jeweils 25 Prozent vorsieht. Dadurch können sich künftig bestimmte Erleichterungen hinsichtlich der Pflicht zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts ergeben, da die Anzahl der Unternehmen, die durch ihre Größe von der CSRD und der korrespondierenden Taxonomie erfasst werden, reduziert wird.


Inhaltlich sieht die CSRD vor allem eine Ausweitung der Berichtsaspekte vor, die in den zugehörigen Nach­haltig­keitsberichterstattungsstandards, den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), genau defi­niert sind. Der delegierte Rechtsakt zum ersten Set der ESRS enthält zunächst durch alle Unternehmen im Anwenderkreis anzuwendende sektorübergreifende Berichtspflichten und wurde am 31. Juli 2023 durch die EU-Kommission erlassen. Demnach müssen berichtspflichtige Unternehmen künftig Informationen zu fünf Umwelt­standards (Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wasser- und Meeresressourcen, Biodiversität und Ökosys­teme, Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft), vier Sozialstandards (Eigene Belegschaft, Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette, Betroffene Gemeinschaften, Verbraucher und Endnutzer) sowie einem Governance-Standard (Unternehmenspolitik) offenlegen, sofern die entsprechenden Themen im Rahmen der Wesentlich­keitsanalyse (Transparenz und Relevanz: So gelingt die Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS | Rödl & Partner) als wesentlich bewertet wurden. Immer verpflichtend zu berichten (d.h. unabhängig von der Wesentlich­keits­ana­lyse) sind gemäß ESRS 2 darüber hinaus allgemeine Angaben, unter anderem zu den Grundlagen für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts, zu Governance-Strukturen, zur Strategie und zum Wesentlichkeits­analyseprozess sowie dessen Ergebnissen.


In einem zweiten Set werden künftig noch separate Standards für börsennotierte KMU (vsl. bis spätestens 30. Juni 2024) sowie sektorspezifische Standards und Standards für Nicht-EU-Unternehmen (vsl. bis spätestens 30. Juni 2026) veröffentlicht.


EU- Taxonomieverordnung

Als einheitliches Klassifizierungssystem sieht die EU-Taxonomieverordnung vor, dass berichtspflichtige Unter­nehmen den Anteil ihrer Umsatzerlöse, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) offenlegen müssen, der mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der EU-Taxonomie verbunden ist. Hierzu wurden sechs Umweltziele definiert:

  1. Klimaschutz,
  2. Anpassung an den Klimawandel,
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.


Zur Erreichung der Konformität müssen die technischen Bewertungskriterien (wesentlicher Beitrag zu min­des­tens einem Umweltziel, ohne dass eine erhebliche Beeinträchtigung der anderen Umweltziele erfolgt) erfüllt sein sowie ein Nachweis für die Einhaltung der sozialen Mindeststandards erbracht werden.  Die Taxonomie­verordnung ist zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten und gilt aktuell nur für Unternehmen, die der NFRD unter­liegen. Künftig wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen durch den Anwendungsbereich der CSRD bestimmt (siehe oben). Was den Inhalt der Offenlegung betrifft, so musste bislang nur zu den ersten beiden Umweltzielen (Klimawandel und Anpassung an den Klimawandel) Bericht erstattet werden. Mit Verabschiedung der delegierten Rechtsakte zu den restlichen Umweltzielen 3-6 im Juni 2023 (lesen Sie auch:
EU-Taxo­­no­­mie: Neue delegierte Rechtsakte erweitern den Kreis der abgedeckten Sektoren und Aktivitäten) wurden der Taxonomie nun weitere Sektoren und Wirtschaftsaktivitäten hinzugefügt, die bereits in der Bericht­erstattung für das Geschäftsjahr 2023 berücksichtigt werden müssen. Zusätzlich wurden punktuelle Änderun­gen am bestehenden Klimarechtsakt vorgenommen und auch dieser um neue Aktivitäten erweitert. Aufgrund des kurzen Zeitraums zwischen Inkrafttreten und Anwendungsbeginn der neuen Rechtsakte hat die EU-Kom­mis­sion für die erste Berichtsperiode allerdings Erleichterungen vorgesehen: Für die neu hinzugekom­me­nen Wirtschaftsaktivitäten muss für das Geschäftsjahr 2023 lediglich der taxo­no­mie­fähige Anteil an Umsatz, CapEx und OpEx offengelegt werden, während eine Berichterstattung zur Taxonomie­konformität erst für das Geschäftsjahr 2024 erfolgen muss.


Was die Neuerungen für den Mittelstand bedeuten

Die Erfüllung der Berichtspflichten dürfte durch die geforderte Datengranularität für die meisten mittel­stän­di­schen Unternehmen mit einem hohen Umsetzungsaufwand verbunden sein. Zunächst sollten daher die Ge­schäfts­führung und Verantwortliche aus den betroffenen Unternehmensbereichen ein Bewusstsein dafür entwickeln, was die Anforderungen auf operativer Ebene bedeuten. In einem weiteren Schritt empfiehlt sich die Durchführung einer robusten Wesentlichkeitsanalyse sowie eine darauf aufbauende detaillierte Analyse der jeweiligen Datenlücken. Neben der Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte stellt die größte Herausforderung für den Mittelstand hierbei sicherlich die Erhebung der zahlreichen erforderlichen qualitativen und quantitativen Datenpunkte inklusive der Einrichtung geeigneter IT-Systeme und Prozesse dar. Aktuell setzt ein Großteil der mittelständischen Unternehmen noch auf eine überwiegend manuelle Datenerhebung, die sich zwar ver­hält­nis­­mäßig schnell umsetzen lässt, aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit und des geringen Automati­sie­rungs­grads allerdings keine effiziente Dauerlösung darstellt. In dieser Hinsicht hat der Markt schnell reagiert: Derzeit eta­blieren sich immer mehr Softwarelösungen und Tools, mit denen sich beispielsweise taxo­­no­mie­re­le­van­te Ge­schäftsaktivitäten einfacher bewerten, ESG-Daten analysieren und erforderliche Kennzahlen automatisiert berechnen lassen. Ist die Einführung wirksamer Prozesse einmal bewältigt, so bieten die neuen gesetzlichen Vorgaben durchaus Chancen für den Mittelstand. So können ESG-Kennzahlen beispielweise zur Strategie­ent­wicklung und Unternehmenssteuerung genutzt werden. Zudem können Unternehmen mit nachweislich effek­tiven ESG-Aktivitäten oder einem hohen Anteil taxo­no­mie­­kon­former Wirtschaftsaktivitäten langfristig von höherer Nachfrage am Kapitalmarkt, aber auch von günstigeren Finanzierungsbedingungen bei öffentlichen Förderungs- und Investitionsprogrammen profitieren. 


Was zu beachten ist

  • Beziehen Sie die Geschäftsführung und alle betroffenen Unternehmensbereiche von Beginn an in den Umsetzungsprozess mit ein.
  • Planen Sie genug Zeit und personelle Ressourcen zur Kompetenzentwicklung, zum Prozessaufbau, zur Softwareeinrichtung und zur Datenerhebung ein.
  • Ziehen Sie die Implementierung einer ESG-Softwarelösung in Erwägung und erstellen Sie ein Lastenheft mit Ihren individuellen Anforderungen.
  • Behalten Sie die aktuellen regulatorischen Entwicklungen stets im Blick, um rechtzeitig auf Änderungen reagieren zu können.

Aus dem Themenspecial

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Dr. Christian Maier

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)

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