Joint Audits – Die steuerliche Außenprüfung überschreitet Grenzen

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veröffentlicht am 27. Mai 2022 / Lesedauer ca. 5 Minuten
 

Steuerliche Außenprüfungen dürfen in Zukunft nicht nur Grenzen überschreiten, sondern sollen das sogar explizit tun. Die sog. „Joint Audits" sollen den Finanz­ver­waltungen der beteiligten Staaten mehr Informationen über grenzüberschreitende Sachverhalte liefern. Das ist auch im Interesse der Unternehmen und kann zu einer effizienteren Kommunikation zwischen deutschen und ausländischen Finanzbehörden sowie den Unternehmen führen.

  

  

Unter sog. „Joint Audits" versteht man koordinierte bi- und multilaterale steuerliche Außenprüfungen, die bei der zwischenstaatlichen Amtshilfe durchgeführt werden. An einem Joint Audit sind mindestens zwei Staaten beteiligt, die eine Prüfung auf dem Gebiet der direkten Steuern gleichzeitig oder gemeinsam durchführen.

 

Durch Joint Audits soll die Informationstransparenz für die Finanzverwaltungen, aber auch für den Steuer­pflichtigen, erhöht werden. Die Erwartungshaltung bei der Einführung der Joint Audits beinhaltete nicht nur die Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung von Einkünften, sondern insbesondere die Vermeidung einer Doppelbesteuerung für den Steuerpflichtigen. Trotz zahlreicher Doppelbesteuerungsabkommen und weiterer Instrumente zur Lösung von Besteuerungskonflikten, kann es bei komplexen Sachverhalten immer noch zu unterschiedlichen Bewertungen seitens der Finanzbehörden zweier Staaten mit einer daraus folgenden Doppelbesteuerung für das Unternehmen kommen. Im Nachhinein hat das Unternehmen kaum Möglichkeiten, um die Doppelbesteuerung aufzuklären. Bei international tätigen Unternehmenskonzernen kann das dazu führen, dass derselbe Sachverhalt innerhalb eines Konzerns in zwei oder mehr Ländern unterschiedlich ge­handhabt wird.

 

Das Ziel von Joint Audits ist eine Streitvermeidung im Vorfeld, statt einer späteren Streitbeilegung. Durch die gemeinsame Ermittlung des Sachverhalts sollen spätere Konflikte aufgrund eines unterschiedlichen Ver­ständ­nisses des Sachverhalts vermieden werden.

 

 

Simultanprüfungen versus Joint Audits

Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der koordinierten Außenprüfungen.  Innerhalb der koordi­nierten Außenprüfungen (sog. Joint Audits im weiteren Sinne) wird zwischen gleichzeitigen steuerlichen Außenprüfungen (sog. Simultanprüfungen) und gemeinsamen steuerlichen Außenprüfungen (sog. Joint Audits im engeren Sinne) unterschieden.

 

Bei einer gleichzeitigen steuerlichen Außenprüfung führen die beteiligten Finanzbehörden eigenständige Steuerprüfungen nach ihren nationalen Vorschriften und begrenzt auf ihr Zuständigkeitsgebiet aus. Die dadurch erlangten Informationen werden zeitnah mit den Finanzbehörden des anderen Staates ausgetauscht. Das ist nur möglich, wenn die Prüfungen nahezu gleichzeitig ablaufen.

 

Die gemeinsame steuerliche Außenprüfung wird mit den ausländischen Finanzbehörden zeitgleich und ge­meinsam durchgeführt. Grundsätzlich werden auch dabei im jeweiligen Hoheitsgebiet eigenständige Außen­prüfungen durchgeführt. Allerdings legen die teilnehmenden Steuerverwaltungen die Schwerpunkte und Strategie für die Ermittlungsmaßnahmen zusammen fest.

 

Rechtliche Rahmenbedingungen

Innerhalb der EU wurden die rechtlichen Voraussetzungen für Joint Audits mit der EU-Amtshilferichtlinie (Richtlinie 2011/ 6/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung) geschaffen. Sie wurde in Deutschland mit dem EU-Amtshilfegesetz vom 26. Juni 2013 (EUAHiG) in nationales Recht umgesetzt. Die Verbindung in das nationale Steuerrecht wurde in § 117 AO implementiert.

 

Derzeit werden lediglich gleichzeitige Prüfungen in § 12 EUAHiG gesetzlich geregelt. In Kombination mit den Regelungen zur Anwesenheit ausländischer Bediensteter in §§ 10, 11 EUAHiG und zum Informationsaustausch in §§ 4 bis 6 EUAHiG werden die rechtlichen Grundlagen für eine gemeinsame Prüfung gelegt. Die auslän­di­schen Bediensteten dürfen nicht nur mit anwesend sein („passives Prüfungsrecht"), sondern gem. § 10 Abs. 3 EUAHiG auch Personen befragen und Aufzeichnungen prüfen („aktives Prüfungsrecht"). Für ein aktives Prüfungsrecht wird allerdings die Zustimmung der Personen benötigt.

 

Im Falle von Drittstaaten ist ein Joint Audit gegebenenfalls über Art. 26 des Doppelbesteuerungsabkommens oder anderer Übereinkommen möglich.

 

Ablauf in der Praxis

Ein Joint Audit kann von verschiedenen Seiten angestoßen werden. So kann die deutsche oder ausländische Finanzbehörde ein Joint Audit einleiten oder aber der Steuerpflichtige selbst regt die Durchführung eines Joint Audits an. Es gibt allerdings kein gesetzlich normiertes Antragsrecht des Steuerpflichtigen, d.h. der Steuer­pflichtige kann der Finanzverwaltung nur den Vorschlag zur Durchführung eines Joint Audits unterbreiten.

 

Ein Ersuchen aus dem Ausland soll nach Auskunft von der deutschen Finanzverwaltung hingegen nur abgelehnt werden, wenn verfahrensrechtlich eine Prüfung in Deutschland nicht mehr möglich ist, noch nicht alle üblichen Informationsquellen ausgeschöpft wurden oder ein Handels-, Gewerbe-/Berufsgeheimnis bzw. ein Geschäftsverfahren preisgegeben werden würde.

 

In Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern, Referat Bp III 8, das zentrale Verbindungsbüro zur Koordinierung von Joint Audits.

 

Einem Joint Audit können deckungsgleiche Prüfungszeiträume unterliegen, die in den betroffenen Staaten verfahrensrechtlich noch änderbar sind. Eine Mindestgrenze für den Umsatz/Gewinn des teilnehmenden Unternehmens oder für den Umfang der Prüfungshandlungen existiert nicht. Grundsätzlich stehen Joint Audits allen Unternehmen offen.

 

Der Fall wird durch einen verantwortlichen Koordinator/eine verantwortliche Koordinatorin aus dem Referat Bp III 8 des Bundeszentralamts für Steuern betreut. Auskunftsgemäß werden im Durchschnitt drei Arbeitstreffen benötigt, die jeweils ein bis zwei Tage umfassen. Bilaterale Joint Audits sollen regelmäßig innerhalb weniger als eines Jahres abgeschlossen werden können. Bei multilateralen Joint Audits verlängert sich die Prüfungszeit.

 

Die Durchführung soll regelmäßig in englischer Sprache erfolgen. Eine Ausnahme stellt der Fall dar, dass Deutsch die Muttersprache aller an dem Verfahren beteiligten Finanzverwaltungen ist.

 

Am Ende eines Joint Audits soll ein gemeinsam abgestimmtes Ergebnisprotokoll über die gemeinsame Außen­prüfung erarbeitet werden. Das stellt dann allerdings lediglich die Grundlage für die nationalen Betriebs­prüfungsberichte dar. Falls keine Einigung erzielt werden kann, bleibt dem Steuerpflichtigen gegebenenfalls noch die Möglichkeit eines Verständigungsverfahrens.

   

Künftige Entwicklungen

Durch die Richtlinie (EU) 2021 / 514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (sog. DAC-7-Richtlinie) soll die gemeinsame Prüfung nun ebenfalls eine eigenständige Gesetzesregelung bekommen.

 

In Art. 3 Nr. 26 wird die gemeinsame Prüfung definiert: „Der Ausdruck ‚gemeinsame Prüfung' bezeichnet behördliche Ermittlungen, die gemeinsam von den zuständigen Behörden von zwei oder mehr Mitgliedstaaten und in Bezug auf eine oder mehrere Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse für die zu­ständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten durchgeführt werden.” Im neuen Art. 12a werden weitere Bestim­mungen zur Durchführung der gemeinsamen Prüfung in die EU-Amtshilferichtlinie integriert.

 

Die Neuregelungen für die gemeinsamen Prüfungen sind bis 31. Dezember 2023 in nationales Recht umzu­setzen und spätestens ab dem 1. Januar 2024 anzuwenden.

 

Ausblick

Die ersten Joint Audits wurden hauptsächlich im Bereich der Verrechnungspreise durchgeführt. Grundsätzlich stehen aber alle grenzüberschreitenden Sachverhalte im Bereich der direkten Steuern einem Joint Audit offen. Insbesondere innerhalb Europas soll zwischen den Mitgliedstaaten die Informationstransparenz bei der Be­steuerung weiter verbessert werden. Die Joint Audits sollen deshalb zur „Routine" werden und weiter ausge­baut werden.

 

Damit soll aus der Sicht der Finanzverwaltung natürlich auch grenzüberschreitenden Steuerstrukturierungen zuvorgekommen werden, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung von Einkünften führen könnten. Allerdings eröffnen Joint Audits für Steuerpflichtige auch die Möglichkeit komplexe, grenzüberschreitende Sachverhalte im Vorfeld zu klären und damit eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Künftige Entwicklungen Ausblick Bitte beachten Sie Das Bundeszentralamt für Steuern stellt auf seiner Homepage ausführliche Informationen zum Thema „Joint Audit" zur Verfügung.

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