Künstliche Intelligenz in der Wirtschaftsprüfung

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veröffentlicht am 12. Oktober 2023  | Lesedauer ca. 4 Minuten
 

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts und findet auch zunehmend Anwendung in der Praxis der Wirtschaftsprüfung. Es gibt dabei nur wenige KI-Modelle, die nach Veröffentlichung solch massive Resonanz erzeugt haben, wie ChatGPT der OpenAI. So können durch die sog. Large Language Models komplexe Fragestellungen gelöst werden, welche bisher Fachexperten vorbe­halten waren. Seit 2022 führt uns die Forschung in diesem Bereich deutlich vor Augen, welche breiten Anwendungsmöglichkeiten und Verbesserungen sich im beruflichen Alltag durch KI ergeben können. 

  

 

Künstliche Intelligenz bietet breite Anwendungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für eine effiziente Um­setzung des risikoorientierten Prüfungsansatzes in der Wirtschaftsprüfung. Wir sind davon überzeugt, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Abschlussprüfung qualitativ verbessern wird.  

 

Vorteile beim Einsatz von KI ergeben sich insbesondere bei großen Datenmengen, welche durch KI-Modelle effizient und effektiv verarbeitet werden können und somit die Prüfungssicherheit erhöhen. Rödl & Partner setzt neben klassischen KI-Modellen, welche bereits in der zentralen Datenanalyseplattform Business Analytics 2.0 integriert sind, insbesondere auch auf generative Künstliche Intelligenz. Damit werden Modelle bezeichnet, die auf der Basis von Eingabedaten durch sog. Prompts (Befehle) den darauf mit hoher Wahr­scheinlichkeit passenden Output generieren. Dies wird beim konkreten Modell von ChatGPT durch schriftliche Eingabe-Ausgabe Interaktion zwischen Mensch und Maschine erreicht. Dabei wird die passendste Antwort auf Basis der zuvor spezifizierten Prompts durch den Menschen ausgegeben. Modelle der generativen KI haben weitreichende Fähigkeiten, welche bisher menschlichen Experten vorbehalten waren. So können diese Modelle tiefgreifende Textanalysen durchführen, Bilder und Videos erzeugen oder gar Kunst erschaffen. 

 

Der wohl größte Vorteil generativer KI gegenüber klassischen KI-Modellen liegt im breiten Anwendungsbereich für verschiedenste Aufgaben. Traditionelle KI-Modelle sind in ihrer Funktionalität für einen spezifischen und klar abgrenzbaren Aufgabenbereich bestimmt und können nicht auf andere Aufgabenfelder ohne zusätzliche und aufwendige Trainingsprozesse adaptiert werden. Generative KI stellt im Gegensatz zu den traditionellen Ansätzen eine sogenannte General Purpose Technology dar. Der generische Einsatzcharakter aktueller Modelle der generativen KI, wie beispielsweise ChatGPT, wird durch die große Masse an antrainiertem Wissen der Modelle innerhalb der Netzwerkschichten von insgesamt ca. 175 Mrd. Parametern realisiert. Modelle der generativen KI ermöglichen es, komplexe Fragestellungen zu beantworten und die Ergebnisse so herzuleiten, dass eine Würdigung durch Experten leicht ermöglicht wird. Föhr/Marten/Schreyer (2023) zeigen beispiels­weise auf, wie substanzielle Prüfungshandlungen für das komplexe Prüffeld der Rückstellungen automatisiert durch ChatGPT vorbereitet werden können. Durch die sach- und fachgerechte Interaktion mit dem Modell kann auf Basis verschiedenster Sachverhalte jeweils von einer zufriedenstellenden Prüfung der Rückstellung durch ChatGPT gesprochen werden.  

 
Maschinelles Lernen

Das maschinelle Lernen ist ein wesentlicher Bestandteil aktueller KI-Modelle. Dabei erlernen Algorithmen ihre Funktionalität auf Basis von Trainingsdaten ohne explizite Programmierung. Eine spezielle und sehr leistungs­starke Form des Maschinellen Lernens stellt Deep Learning dar. Deep Learning basiert auf neuronalen Netzen, welche der Struktur des menschlichen Gehirns nachempfunden sind. Grundbaustein eines neuronalen Netz­werks bilden mehrere miteinander verbundene Neuronen innerhalb verschiedener Schichten. Die erste Schicht der Neuronen nimmt dabei Informationen (sogenannte Eingabewerte) selbstständig von außen auf, während die nachgelagerten Schichten diese Informationen jeweils durch mathematische Funktionen verarbeiten und an weitere nachgelagerte Schichten sowie zuletzt an die Ausgabeschicht weiterleiten. KI-Modelle der generativen KI, wie ChatGPT, basieren ebenfalls auf Deep Learning. Rödl & Partner setzt in seiner zentralen Datenanalyse­plattform Deep Learning in der Form von Natural Language Processing Algorithmen (NLP) ein.


Anwendungsbeispiele in der Wirtschaftsprüfung 

Weitere Anwendungsfälle von KI-Modellen sind beispielsweise die automatisierte Bewertung von Buchungen aufgrund ungewöhnlicher Kontenpaarungen, oder die Erkennung von Unregelmäßigkeiten. Ebenso die stochastische Mustererkennung zur Analyse des gesamten Buchungsstoffs, um auffällige Transaktionen zu identifizieren (z.B. zeitlich, volumenbezogen, kriterienbasiert). Der Einsatz von KI ermöglicht es, Zusam­menhänge zwischen Daten deutlich besser und effizienter zu erkennen. Sogenannte „false positives“, also als auffällig gekennzeichnete Transaktionen, welche unproblematisch sind, lassen sich dadurch reduzieren und den Prüfungsaufwand mindern.
 
Chatroboter und Sprachmodelle wie ChatGPT verarbeiten und interpretieren Informationen anhand von angelerntem Wissen und geben diese in der gewünschten Form wieder. Ein solches System kann im Rahmen der Wirtschaftsprüfung Analysen und Interpretationen liefern oder bei der Prüfungsdurchführung und Ent­scheidungsfindung unterstützen. Arbeitsdokumentationen und Prüfungsberichte können, bei ausreichender Standardisierung, hocheffizient ausgearbeitet werden. 


Einsatz von KI bei der Wirtschaftsprüfung 

Im Geschäftsfeld der Wirtschaftsprüfung ist der Einsatz von KI insbesondere bei der Durchführung von Datenanalysen seit vielen Jahren omnipräsent. Die moderne und hochautomatisierte Datenanalyseplattform von Rödl & Partner setzt neben unterschiedlichen Arten von KI-Modellen auch weitere moderne Technologien wie Robotic Process Automation (RPA) ein, um manuelle Tätigkeiten zu reduzieren und die Qualität der Ana­lysen zu steigern. Über 200 automatisierte Analysen für integrierte SAP-Systeme umfassen aktuell über 23 Prüffelder. Eine anwenderfreundliche Visualisierung der daraus generierten Ergebnisse wird u.a. durch das integrierte Process Mining („AIM“) für den Beschaffungs- und Absatzprozess (P2P, O2C) umgesetzt.

 

Neben klassischen Fragestellungen aus der Jahresabschlussprüfung, wie der Analyse von Berechtigungen, der Aufdeckung von Fehlerquellen und möglicher doloser Handlungen zielen die Analysen auf die Einhaltung von Compliance Anforderungen sowie der Identifikation von Schwachstellen in Geschäftsprozessen ab. Die ge­­­­­­wonnen Erkenntnisse können neben der Optimierung bestehender Geschäftsprozesse auch als zentraler Bestandteil eines datenbasierten Risikomanagementsystems (RMS), der internen Revision oder eines ange­messenen und wirksamen internen Kontrollsystems (IKS) eingesetzt werden. 
 
Die Integration von modernen Technologien wie KI in die Wirtschaftsprüferpraxis ist seit vielen Jahren ein wesentlicher Digitalisierungstreiber. Durch die neuen Möglichkeiten der generativen KI, wie ChatGPT, schreitet die Entwicklung rasant voran. Bisher galt, dass insbesondere einfache, standardisierte und repetitive Verfahren und Tätigkeiten für die maschinelle Verarbeitung geeignet sind. Dies ändert sich nun. Es verbleibt jedoch die Notwendigkeit einer kritischen Grundhaltung und Würdigung der maschinell generierten Ergebnisse durch den erfahrenen Wirtschaftsprüfer. Die sach- und fachgerechte Nutzung der neuen Technologien unter Einhaltung der berufsrechtlichen Anforderungen, wie beispielsweise die Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Abläufen bis hin zur Entscheidungsfindung, ermöglicht es dem Wirtschaftsprüfer, sich auf wesentliche Frage­stellungen zu fokussieren und damit die Qualität seiner Arbeit zu erhöhen.

AUSGABE OKTOBER / NOVEMBER 2023: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Aus dem Entrepreneur

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Frank Reutter

Dipl.-Wirtschaftsinformatiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, CISA

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