Besteuerung eines ICO/Token Sale – Ausgewählte Auswirkungen bei Emittent und Investor

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veröffentlicht am 14. Oktober 2020 / Lesedauer ca. 3 Minuten
 

Bei einem Initial Coin Offering (ICO) werden relativ frei gestaltbare Token an Inves­toren veräußert. Sie sind mittlerweile nicht mehr nur eine populäre Finanzierungsform für Start-ups, sondern werden zunehmend auch von bereits etablierten Unternehmen zur Projektfinanzierung eingesetzt. Nicht nur wegen des flexiblen Designs der Token stellt die ertragsteuerliche Einordnung eines ICO aus Sicht des unternehmerischen Investors immer noch eine Herausforderung dar.

  

  

Die Geburtsstunde des Token ist der sog. „Token-Sale” bzw. das „Token Generating Event”. Der Token wird unter Nutzung der Blockchain-Technologie erzeugt und mithilfe eines Smart Contracts designt. Anschließend wird er anhand eines individuellen digitalen Schlüssels (public key) der Adresse (wallet) des Initialinvestors zugewiesen. Unter Einsatz seines individuellen Schlüssels (private key) kann der Initialinvestor ebendiesen Token auf das Wallet eines anderen Inhabers (Folgeinvestors) übertragen. Im Gegenzug für die Übertragung des Token leistet der jeweilige Käufer den vereinbarten Kaufpreis entweder in einer Kryptowährung (etwa Bitcoin oder Ether) oder in einem gängigen Zahlungsmittel (z.B. Euro oder US-Dollar). Je nach Erfolg des Geschäftsmodells des Start-ups bzw. des Projekts steigt oder sinkt der künftige Wert der Token.

 

Anhand des Designs des Tokens werden regelmäßig sog. „Revenue Share Token“ und „Utility Token“ unter­schieden. Der „Revenue Share Token“ kann am ehesten mit der Gesellschaftsbeteiligung einer Aktie verglichen werden. Denn er vermittelt seinem Inhaber gesellschafter(-ähnliche) Rechte und berechtigt ihn zum Empfang von Gewinnausschüttungen (regelmäßig in Kryptowährungen). Hingegen vermittelt der im Start-up-Segment gebräuchlichste „Utility Share Token“ keinerlei Rechte am Start-up bzw. am Projekt selbst und ist daher nicht mit einer Aktie vergleichbar. Stattdessen soll er vom Inhaber des Tokens (Investor) als Zahlungs­mittel genutzt werden. Er verkörpert dabei eine Art Nutzungsrecht an einer derzeit bereits verfügbaren oder künftigen Gegenleistung des Emittenten.

 

Aus Sicht des Emittenten

Der „Utility Share Token“ ist meist ein immaterielles Wirtschaftsgut bzw. ein immaterieller Vermögens­gegen­stand. Damit kann er im Zeitpunkt seiner Schaffung zwar in der Handelsbilanz (§  48 Abs. 2 HGB), nicht aber in der Steuerbilanz des Emittenten aktiviert werden (§ 5 Abs. 2 EStG). Der anschließende Tausch des Token gegen eine Kryptowährung oder ein gängiges Zahlungsmittel erfolgt dann regelmäßig unter fremden Dritten und damit zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 6 EStG). Folglich aktiviert der Emittent nun die erhaltene Gegenleistung statt des Tokens im Umlaufvermögen. Das hieraus resultierende Residuum aus gemeinem Wert und Buchwert des Tokens führt zunächst zu einem steuerlichen Ertrag, dem sog. „Tag-Eins-Gewinn“. Jedoch verkörpert der Token einen Leistungsanspruch des Investors gegenüber dem Emittenten, der mit einer Anzahlung oder einem Sachgutschein vergleichbar ist. Mithin führt die Emittierung des Tokens auch zur Passivierung einer den „Tag-Eins-Gewinn“ neutralisierenden Passivposition. Die spätere Einlösung der Token durch die Investoren, z.B. durch Inanspruchnahme der Dienstleistung führt dann sukzessive zur Auflösung der Passivposition und einer Umsatzrealisierung. Das Steuerrecht knüpft daran an.

 

Aus Sicht des gewerblichen Investors

Die Bilanzierung des Tokens beim Investor hängt dem Grunde nach zwar maßgeblich davon ab, wie der „Utility Share Token“ ausgestaltet ist. Gleichwohl stellt der Bezug des Tokens beim Investor regelmäßig einen ertrags­steuerneutralen Vorgang dar. Kann nämlich der Token gegen ein (neues) Produkt oder gegen eine Dienst­leistung getauscht werden, erscheint es sachgerecht, den Erwerb des Tokens als schwebendes Geschäft bzw. geleistete Anzahlung abzubilden oder ihn als sonstiges Wirtschaftsgut zu aktiveren. Berechtigt der Token hingegen zur unbegrenzten Nutzung einer bereits existieren Plattform des Emittenten, stellt er ein im­materielles Wirtschaftsgut dar; ist das Nutzungsrecht an der existierenden Plattform jedoch nur temporär, ist der Token ein reines Nutzungsrecht und der damit verbundene Aufwand ggf. ein aktiver Rechnungs­abgren­zungsposten. Existiert die Plattform im Zeitpunkt des Token-Erwerbs noch nicht, ist er als geleistete Anzahlung (unbegrenztes Nutzungsrecht an der künftigen Plattform) oder als sonstiges Wirtschaftsgut zu aktivieren (begrenztes Nutzungsrecht an der künftigen Plattform).

 

Fazit

Die ertragsteuerlichen Auswirkungen des Token Sales beim Emittenten sowie Investor hängen auch bei dieser modernen Finanzierungsform wie im Steuerrecht üblich, weniger von der Bezeichnung des Tokens, als von seiner tatsächlichen Ausgestaltung ab. Das bietet die Chance, mit dem ICO in einer Vielzahl von Fällen eine individuelle und steuerneutrale Finanzierung der Unternehmenstätigkeit zur gewährleisten.

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