Klimarecht auf nationaler Ebene – die 2. Novelle des GEG – Eine Gesetzesänderung, um den Klimaschutz voranzutreiben

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veröffentlicht am 1. August 2023




Der Einfluss von Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf die Immobilienwirtschaft auf europäischer Ebene war bereits Thema der letzten zwei Ausgaben des Fokus Immobilien1. Aber auch in der Bundesrepublik Deutschland wirkt sich der Klimaschutz zunehmend auf die Gesetzgebung aus. Besonders umstritten ist hierbei aktuell das „Heizungsgesetz”. Am 15.6.2023 fand zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) die erste Lesung im Bundestag statt. Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck betonte hierbei, dass das vereinbarte Klimaschutzziel nicht nur mit der „Politik des Möglichen” erreichbar sei. Vielmehr müsste man die „Politik des Möglichmachens” ergreifen und erweitern, auch, wenn diese ein Spannungsfeld zwischen der politischen Notwendigkeit und der gesellschaftlichen Realität darstelle.   


Tatsächlich war die erneute Novelle des GEG in Anbetracht der Entwicklung der letzten Jahre auch zu erwarten. 2019 wurde das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) verabschiedet, das die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris (Dezember 2015) in nationales Recht umsetzt. Das Ziel des Gesetzes ist es, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2,0 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Im Jahr 2021 entschied jedoch das Bundesverfassungsgericht („Klimaschutz-Entscheidung” vom 24.3.2021), dass die nationalen Klimaziele zu gering angesetzt wurden und die Emissionsminderungslasten auf Kosten jüngerer Generationen in einen Zeitraum nach 2030 verschoben waren. Daraufhin wurde das KSG novelliert und die Minderungsziele der Treibhausgasemissionen neu angepasst: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent (zuvor 55 Prozent) gegenüber 1990 und bis 2040 um 88 Prozent (neues Zwischenziel) gesenkt werden gemäß § 3 KSG. Deutschland soll dann bereits im Jahr 2045 „klimaneutral” sein, das heißt eine Netto-Treibhausgasneutralität erreichen. Hierfür sind den sechs Sektoren „Energiewirtschaft”, „Industrie”, „Verkehr”, „Gebäude”, „Landwirtschaft”, „Abfallwirtschaft und Sonstiges” eigene maximal zu erreichende CO2-Ziele gesetzt (§ 4 KSG). Diese zulässige Jahresemissionsmenge überschritt der Gebäudesektor im Jahr 2021 um zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Äq.) (115 Mt. (Megatonne) CO2-Äq. statt den zugeteilten 113 Mt. CO2-Äq.), weshalb das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gemäß § 8 KSG verpflichtet war, ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor zur künftigen Einhaltung der nach dem Klimaschutzgesetz maximal zulässigen CO2-Ziele aufzustellen. Im Rahmen dieses Sofortprogramms wurde neben zehn weiteren Maßnahmen (z. B. Bundesförderung Serielle Sanie-rung, Energieeffizienzgesetz (EnEfG)) das GEG 2020, in dem die geltenden europäischen Vorgaben zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden umgesetzt wurden, überarbeitet. Diese erste Novelle des GEG, die zum 1.1.2023 in Kraft trat, verschärft unter anderem den zulässigen Jahres-Primärenergiebedarf von Neubauten für Wohngebäude von EH 75 auf EH 55 (EH = Effizienzhaus). Somit darf der Neubau nur noch 55 Prozent so viel Energie benötigen wie sein Referenzgebäude – ein vergleichbarer Neubau – das den maximal zulässigen Wert nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) erreicht. Der bereits hohe Standard der Wärmedämmung wurde dagegen nicht erhöht. Weitere Änderungen des GEG 2020 betreffen vor allem Berechnungsgrundlagen und -verfahren (§§ 20 ff. GEG 2023). 


Parallel, und nicht zu verwechseln, ent-stand im Jahr 2022 das Klimaschutzsofortprogramm als Konsequenz zum Bundesklimagesetz, mit dem Ziel 65 Prozent der Treibhausgase gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030 einzusparen. Das Maßnahmenpaket ist aufgeteilt in das Oster- und das Sommerpaket, von dem bis jetzt aber nur das Osterpaket umgesetzt wurde. Im Mittelpunkt stehen die vollständige und schnelle Dekarbonisierung des Energiesektors und der Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere von Photovoltaikanlagen und Windenergie sowohl auf See als auch auf Land. So wurde der § 35 BauGB neuge-fasst, um der Windenergie durchschnittlich zwei Prozent der Landes- und Gemeindeflächen zur Verfügung zu stellen.


Mit dem Jahres-Primärenergiebedarf lässt sich der exakte und tatsächliche Energiebedarf einer Immobilie für Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung, Kühlung und der eingebauten Beleuchtung unter der Berücksichtigung der gesamten Prozesskette des Energieverbrauchs von der Gewinnung bzw. Herstellung der genutzten Energiequelle an, über den Transport bis zu dem direkten Verbrauch darstellen; dadurch fließen in die Bewertung regenerative Energiequellen, hohe Standards im Bereich der Wärmedämmung sowie die potenziell verbaute Anlagentechnik/ Haustechnik vollumfänglich ein.


Das umstrittene Gesetzesvorhaben, die 2. Novelle des GEG, sieht nach der Einigung der Ampel-Koalition (27.6.2023) aus SPD, FDP und Grünen strengere Anpassungen bzgl. Heizungen sowohl in Wohn- als auch Nichtwohngebäuden vor. Grundsätzlich besteht das Ziel, alle fossilen Heizungen bis 2045 auszutauschen. Ab 1.1.2024 soll der Betrieb möglichst jeder neu eingebauten Heizungen zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien erfolgen. Dennoch soll sowohl der Betrieb als auch die Reparatur von bestehenden Heizungen weiterhin übergangsweise zulässig sein, um „Eingriffen ins Eigentum” vorzubeugen.

Außerdem soll die Regelung zum Heizungsaustausch von der kommunalen Wärmeplanung abhängig sein. Hierfür sollen das GEG und das (neue) Wärmeplanungsgesetz aneinandergekoppelt werden und beide zum 1.1.2024 in Kraft treten. Das Wärmeplanungsgesetz wird dann Länder und Kommunen verpflichten, in den kommenden Jahren konkrete Pläne für die klimaneutrale Gestaltung ihrer Heizinfrastruktur, beispielsweise durch den Ausbau von Fernwärme, vorzulegen. Die Regelung zum Heizungsaustausch kann deshalb auch bis 2028 ausgesetzt werden, je nachdem wie weit die Wärmeplanung in der Kommune vorangeschritten ist. Diese Übergangsregelung gilt allerdings nicht für Neubaugebiete. Zusätzlich soll es Übergangslösungen bzw. -fristen geben, so dass niemand zu einem sofortigen Umstieg gezwungen wird. Übergangsfristen zur Umrüstung auf ein erneuerbares Heizungssystem sollen drei Jahre bzw. bei Gasetagen bis zu 13 Jahre betragen. 

Zudem möchte man die neuen Regelungen technologieoffen gestalten: So sollen einerseits weiterhin Gasheizungen in Kombination mit einer Wärmepumpe verbaut werden dürfen. Andererseits aber auch solche, die mit mindestens 65 Prozent grünen Gasen/Wasserstoff betrieben werden oder umrüstbar sind, wenn die kommunale Wärmeplanung ein „klimaneutrales” Gasnetz vorgesehen hat. Hierbei soll der Anteil der „grünen Gase” von 15 Prozent ab 2029, über 30 Prozent ab 2035, bis auf 60 Prozent ab 2040 steigen. Auch Holz- und Pellet-Heizungen sollen möglich sein. 

Des Weiteren soll sichergestellt werden, dass Mieter durch Preisbremsen nicht mit erheblichen Kosten für die Umrüstung bzw. ihren Verbrauch belastet werden, während Vermieter Anreize zur Modernisierung der Heizungen erhalten sollen. So soll die Modernisierungsumlage auf zehn Prozent erhöht werden, aber nur bei Inanspruchnahme einer staatlichen Förderung durch den Vermieter. Im Gegenzug soll aber die Jahresmiete um nicht mehr als 50 Cent je Quadratmeter Wohnfläche erhöht werden dürfen. Die Sonderregel für über 80-Jährige wurde aus verfassungsrechtlichen Gründen gestrichen. Der Fördersatz der Förderstruktur der bestehenden „Bundesförderung für effiziente Gebäude” (BEG) soll künftig für jede im novellierten GEG genannte klimafreundliche Heizform 30 Prozent betragen. Einkommensschwache Hausbesitzer sollen Förderungen bis zu 70 Prozent für den Kauf einer GEG-konformen Heizung erhalten.

Zu dem oben dargestellten Gesetzesentwurf fand am 21.6.2023 eine intensive Auseinandersetzung im Ausschuss für Klimaschutz und Energie statt. Das Ergebnis der Beratung war zwiegespalten, die neun schriftlich abgegebenen Stellungnahmen der Sachverständigen sind sich aber in ihren Kritikpunkten einig: Zwar sei die Wärmewende unabdingbar; 50 Prozent der Bestandsgebäude auf Erneuerbare Energien umzustellen sei jedoch unrealistisch. Technische Barrieren und gesetzliche Einschränkungen lassen in der Regel nur eine Lösung zu und dies sei die Wärmepumpe. Auch würden die hohen Investitionen ohne Förderung viele Hauseigentümer überfordern, während ein Anspruch auf Förderung im vorliegenden GEG-Entwurf nicht festgeschrieben ist. Zudem sei der Entwurf nicht zielführend, solange der Strommix zum Betrieb von Wärmepumpen und der Brennstoffmix in den deutschen Fernwärmenetzen überwiegend aus fossilen Energieträgern stammt (Erneuerbare-Energien-Anteil 2022: bei Strom 46,2 Prozent und bei Fernwärme 20 Prozent). Sollte an den detaillierten Vorgaben des vorliegenden GEG-Entwurfes festgehalten werden, müssen neben den Klimazielen auch technische Machbarkeit, Produktverfügbarkeit, wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Eine dauerhafte, sichere und mit einfachen Bedingungen versehene Förderkulisse ist Voraussetzung für die Umsetzung der GEG-Novelle und muss gesetzlich verankert werden.


Grundsätzlich unterliegt der Klimaschutz nach Art. 72 Abs. 1 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 24 GG der konkurrierenden Gesetzgebung, d. h. das jeweilige Land hat solange Gesetzgebungsbefugnis, so lang und soweit der Bund kein Gesetz aufgrund seiner Gesetzgebungszuständigkeit erlässt.
Im Bundes-Klimaschutzgesetz wurde den Ländern eine Öffnungsklausel eingeräumt, § 14 Abs. 1 KSG: Länder kön-nen weiterhin eigene Klimaschutzgesetze erlassen bzw. diese bestehen fort.


Trotzdem ist die Gesetzesvorlage wenig überraschend, wirft man einen Blick in die jeweiligen Landes-Klimaschutzgesetze. Schon Baden-Württemberg (§ 4 EWärmeG – Gebäude, die vor 2009 errichtet wurden), Hamburg (§ 17 HmbKliSchG – Gebäude, die vor 2009 errichtet wur-den), Schleswig-Holstein (§ 9 EKWG  – Gebäude, die vor 2009 errichtet wurden) und Thüringen (§ 9 ThürKlimaG ab 2030) verpflichten sich – zukünftig bei Austausch der Heizungsanlage oder Umbau – durch ihre Landesklimagesetze den jährlichen (Wärme- bzw. Kälte-)Jahresenergiebedarf von mindestens bis zu 15 Prozent durch Erneuerbare Energien zu decken. Hamburg (§ 16 HmbKliSchG) schreibt in seinem Landesklimagesetz für Neubauten nach dem 1.1.2023 und Niedersachen sogar in seiner Landesbauordnung (§ 32a NBauO) vor, dass Neubauten – in Niedersachen bei Dachflächen größer 50 m2 – mit PV-Anlagen errichtet werden müssen. Das neue „Heizungsgesetz” konkretisiert damit viele bereits geltenden Landes-Klimaschutzgesetze auf bundesweiter Ebene.
 
Das Bundesverfassungsgericht hat im Eilverfahren am 5.7.2023 (Beschluss v. 5.7.2023 – 2 BvE 4/23) die abschließende Beratung und Abstimmung über das Gesetz vor der Sommerpause gestoppt, da der Gesetzesentwurf den Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage schriftlich vorlag und somit nicht genügend Zeit zur Beratung gegeben war. Es bleibt abzuwarten, ob schlussendlich noch weitere Änderungen an der Novelle des GEG vorgenommen werden und, ob die Novelle tatsächlich zum 1.1.2024 in Kraft treten wird. 


 
 

 

 

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