Green Claims oder Greenwashing? – Zur Zulässigkeit Grüner Werbung

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veröffentlicht am 6. März 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Aufgrund eines gesteigerten Umweltbewusstseins von Konsumenten wie auch Unter­nehmen spielen umweltbezogene Eigenschaften von Produkten und der Geschäfts­tätigkeit als solche auch in der Werbung eine immer größere Rolle. Dabei sind allerdings zahlreiche rechtliche Anforderungen zu beachten, deren Auslegung und Anwendung in der Rechtspraxis zum Teil sehr komplex ist. 



Rechtsrahmen für Green Claims

Unternehmen werden bzgl. des Wahrheitsgehaltes, der Nachvollziehbarkeit und der Nachweisbarkeit umweltbezogener Aussagen regulatorisch zunehmend in die Pflicht genommen. De lege lata besteht momentan noch kein spezifischer Rechtsrahmen, sondern lediglich die allgemeinen Regeln des europäischen und nationalen Lauterkeitsrechts (Richtlinie 2005/29/EG über Unlautere Geschäftspraktiken – UGP-RL ; Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung 2006/114/EG; Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG). Diese allgemeinen Regelungen für fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz werden auch auf umweltbezogene Aussagen im Wirtschaftsverkehr angewandt.


Green Claims werden – sofern zutreffend und klar ausgedrückt – durchaus als nützlich angesehen, da sie es dem Verbraucher ermöglichen, eine informierte Kaufentscheidung zu treffen. Durch pauschale Verbote würden wichtige Informationen zugunsten des Umweltschutzes verloren gehen. Treffen die getätigten Umweltaussagen jedoch nicht zu bzw. sind sie irreführend oder missverständlich, liegt i.d.R. ein unzulässiges sog. „Greenwashing” („Grünfärberei) vor.


Inzwischen wurden zudem überarbeitete EU-Leitlinien zur Auslegung und konkreten Rechtsanwendung geschaffen, z.B. 4.1.1 Behauptungen zum Umweltschutz in den „Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über Unlautere Geschäftspraktiken. Diese stellt den Grundsatz klar:


„[…]Behauptungen zum Umweltschutz [müssen] wahr sein, dürfen sie keine falschen Informationen enthalten und müssen […] klar, spezifisch, genau und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, damit Verbraucher nicht irregeführt werden."


Verbot unlauterer Geschäftspraktiken - Irreführung durch umweltbezogene Aussagen/Werbung

Nach Art. 2 lit. b / § 5 UWG liegt eine irreführende und somit unlautere geschäftliche Handlung vor, wenn bewusst falsche und damit unwahre umweltbezogene Aussagen gemacht werden und Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer hierdurch zu einer konkreten geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie so sonst nicht getroffen hätten.


Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Verpackungsmaterial als „biologisch abbaubar, „kompostierbar, „recyclebar oder „CO2-neutral ausgelobt wird, obgleich das nicht der Fall ist bzw. nicht beweisbar ist. Ebenfalls verboten ist eine Falschangabe bzgl. des enthaltenen Materials (z.B. „100% recycelt). Der Nachweis der korrekten Berechnung ist für Verpackungs- bzw. Produkthersteller oftmals nicht einfach. Was genau bedeutet „recycelt rechtlich bzw. was versteht der durchschnittliche Verbraucher als Werbeadressat darunter? Hier ist eine differenzierte Rechtsauslegung notwendig, die letztendlich sowohl werbe- und lauterkeits­rechtliche als auch verpackungs- und abfallrechtliche Kenntnisse erfordert.


Selbst sachlich richtige Umweltaussagen können irreführend sein: Die ausgelobten Umweltvorteile bestehen bei genauerer Betrachtung überhaupt nicht so wie dem Verbraucher suggeriert. Das kann z.B. der Fall sein, wenn ein Produkt wegen einer einzelnen Eigenschaft als umweltfreundlich beworben wird, was zwar sachlich richtig ist, das Produkt aber gleichzeitig andere Eigenschaften hat, die umweltschädlich sind und auf die nicht hingewiesen wird. Oder wenn ein Produkt mit einem noch weniger umweltfreundlichen Produkt verglichen wird, um es in besserem Licht erscheinen zu lassen. Auch vage Umweltaussagen wie „umweltfreundlich, „grün, „Naturfreund, „ökologisch oder „nachhaltig können leicht missverstanden werden und daher zur Irreführung geeignet sein.


Eine Irreführung kann auch durch ein Unterlassen erfolgen, Art. 7 UGP-RL / § 5a UWG. Behauptungen zum Umweltschutz können insbesondere dann irreführend sein, wenn sie aus ungenauen und allgemeinen Aussagen über den Umweltnutzen bestehen. Um eine Irreführung zu vermeiden, ist es notwendig, die spezifische Aussage mit für den Durchschnittsverbraucher klaren und verständlichen Erläuterungen zu den Umweltauswirkungen des betreffenden Produkts zu ergänzen, beispielsweise, indem eine Behauptung auf einen bestimmten Umweltnutzen beschränkt wird. Solche ergänzenden Erläuterungen können z.B. auf der Unternehmenswebsite zur Verfügung gestellt werden. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Aussagen zum Umweltschutz auf der Produktverpackung und/oder auf anderen Kommunikationskanälen (z. B. auf Plakaten, Anschlagtafeln oder in Zeitschriften) verwendet werden, die nur einen begrenzten Platz für ergänzende Informationen bieten. Allerdings muss der der Durchschnittsverbraucher in der Lage sein, die Verbindung zwischen dem Claim und den ergänzenden Informationen zu erkennen.


Wenn Umweltangaben darauf abzielen zu kommunizieren, dass ein Produkt günstigere Auswirkungen auf die Umwelt hat oder weniger umweltschädlich ist als konkurrierende Produkte, müssen die Vorgaben für vergleichende Werbung eingehalten werden, Art. 2 UGP-RL / § 6 UWG. Insbesondere muss sich der Vergleich auf Produkte derselben Produktkategorie beziehen und dieselbe Bewertungsmethode einheitlich angewandt werden.


Rechtliche Probleme: Beurteilung der Geeignetheit zur Irreführung

Ob tatsächlich eine verbotene, irreführende umweltbezogene Werbung vorliegt, ist stets eine Einzelfall­entscheidung, es sei denn es handelt sich um eine Geschäftspraktik der sog. „Schwarzen Liste im Anhang I UGP-RL. bzw. im Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG, die absolut untersagt sind:

  • Falschbehauptung, zu den Unterzeichnern eines Unternehmens-Verhaltenskodex zu gehören
  • Unbefugte Verwendung von Gütezeichen oder Qualitätskennzeichen
  • Hervorhebung bestehender gesetzlicher Verpflichtungen als Besonderheit eines Angebots (z.B. bzgl. umweltfreundlicher Eigenschaften), die bereits für alle Produkte derselben Kategorie gelten (sog. „Verbot der Werbung mit Selbstverständlichkeiten)

Bzgl. der Unternehmens-Verhaltenskodizes ist jedoch immer eine konkrete Prüfung vorzunehmen, ob sie die konkreten Produkte bzw. die praktische Geschäftstätigkeit betreffen und, ob sie über die bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen hinaus gehen. Darüber hinaus ist bzgl. der Selbstverpflichtung zu ethischen, ökologischen oder sozialen Standards inkl. der sog. „Green Pledges umstritten, ob diese tatsächlich Verhaltenskodizes i.S.d. UWG oder „nur allgemein gehaltenen Qualitätsstandards darstellen. Hier bedarf es somit i.d.R. einer fachlichen Einzelprüfung bzgl. des Inhaltes der konkreten Verpflichtungen.

 

Greifen diese absoluten Verbote nicht, muss konkret ermittelt werden, welche Bedeutung eine Werbeaussage nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise bzw. eines durchschnittlichen Verbrauchers hat und, ob sie mit der Realität divergiert.

 

Im Falle von Green Claims prüfen die Gerichte hier in der Regel, ob eine Irreführung vorliegt durch Täuschung über wesentlichen Merkmalen der Ware oder Dienstleistung bzw. durch Vorenthalten einer wesentlichen Information. Dies ermitteln im Streitfall die Gerichte i.d.R. aus eigener Sachkunde und Urteilskraft. Sachverständigengutachten und Meinungsumfragen sind nur ausnahmsweise im Falle „besonderer Schwierigkeiten bei der Feststellung der Irreführung notwendig (vgl. EuGH, Urt. v. 13. Januar 2000, Rs. C-220/98). Es versteht sich von selbst, dass die Notwendigkeit einer solchen Beurteilung zu Rechtsunsicherheit für den Werbenden führt. Denn die Entscheidung ist der eigenen Urteilsfähigkeit der Verwaltungsbehörden und Gerichte überlassen, freilich unter Berücksichtigung der nationalen und EuGH-Rechtsprechung. Sie zu kennen bzw. fachkundigen Rechtsrat einzuholen ist daher auch für das werbende Unternehmen unerlässlich, um seine umweltbezogenen Aussagen vorab auf deren Rechtmäßigkeit hin zu prüfen.

 

Darauf hinzuweisen ist schließlich, dass auch technische Normen bei der Frage, ob Umweltaussagen falsch bzw. irreführend sind, immer mehr Gewicht erlangen, so bspw. die DIN EN ISO 14021:2016-07.  Darin sind sowohl allgemeine Anforderungen an umweltbezogene Angaben als auch an spezifische Green Claims (z.B. kompostierbar, recyclingfähig, Rezyklatgehalt, nachhaltig, Angaben bzgl. Treibhausgasemissionen, sog. „Product Carbon Footprint) geregelt. Die Anwendung solcher technischen Normen ist grundsätzlich freiwillig. Allerdings können sie die konkrete Rechtsanwendung vereinfachen, insbesondere, wenn wie vorliegend bei der Entwicklung und Prüfung derartiger Aussagen alle für die Umwelt bedeutsamen Aspekte des Lebensweges des Produktes berücksichtigt werden müssen, d.h. u.a. auch zahlreiche technische Aspekte.

 

Rechtlich relativ unterentwickelt ist derzeit auch noch der Bereich der regionalen Herkunftswerbung. So gibt es derzeit seit 2019 nur im Bereich der erneuerbaren Energie einen gesetzlich verankerten „Regionalnachweis" zur Stromkennzeichnung im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG - 50 km um Verbrauchsort für direkt vermarkteten Strom). Im Lebensmittelbereich bleiben aktuell nur die oben erwähnten Regionallabel /-marken Dritter oder der Händler bzw. die behördliche und gerichtliche Irreführungs- und Missbrauchskontrolle nach dem UWG sowie dem Lebensmittel- und Futtermittel-Gesetzbuch (LFGB) - Täuschung über geographische Herkunft/Herkunftsort.

 

Explizite Regelungen zu umweltbezogenen Aussagen finden sich bislang nur in speziellen, produktbezogenen Vorschriften bzgl. besonderer „Risikoprodukte". Werbung bzw. Kennzeichnung  von Bioziden („niedriges Risikopotenzial, „ungiftig, „unschädlich, „natürlich, „umweltfreundlich, „tierfreundlich) Düngemitteln („nachhaltig, „umweltfreundlich) oder Pflanzenschutzmitteln („risikoarm, „ungiftig, „harmlos) ist hier bzgl. bestimmter Aussagen nicht, da irreführend, oder nur sehr eingeschränkt erlaubt.

 

In der deutschen Rechtsprechung wurde eine umfangreiche Kasuistik zur Zulässigkeit einzelner umwelt­bezogener Aussagen entwickelt. Gemeinsamer höchstrichterlicher Nenner ist hierbei immer wieder die erläuternde Aufklärung der Verbraucher über den Grad und Ausmaß der positiven Eigenschaften und der konkrete Bezug zwischen Aussage und Produkt, Verpackung, Dienstleistung oder gesamtem Unternehmen. Ging es in der Vergangenheit um Aussagen wie „aus Altpapier, „umweltfreundlich oder „schadstofffrei, stehen aktuell vor allem klimabezogene Green Claims im Fokus, wie „klimafreundlich, „klimaneutral oder „CO2-neutral. Hier entwickelt sich aktuell eine umfangreiche Kasuistik mit der allmählichen Herausarbeitung der Kriterien, in welcher Art und Weise und mit welchen Inhalten eine „Klimaneutralität beworben werden darf. Allerdings hat sich noch keine einheitliche obergerichtliche oder gar höchstrichterliche Rechtsprechung gefestigt. 

  

Auch in den europäischen Nachbarländern wird momentan gesetzlich und in der Rechtsprechung bzw. durch die Selbstkontrolle der Wirtschaft im Rahmen des Rechts des unlauteren Wettbewerbs verstärkt gegen Greenwashing vorgegangen, aktuell auch hier v.a. im Bereich der (vermeintlichen) Klima- bzw. C02-Neutralität. So rügte kürzlich die Schweizer Lauterkeitskommission (Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft) die Bewerbung von Heizöl als „klimaneutral und Babynahrung als „klimapositiv. In Österreich wurden aktuell die Aussagen für „CO2 neutral gebraut[es] Bier und „CO2-neutral fliegen einer Fluggesellschaft gerichtlich als irreführend eingestuft. Einen Schritt weiter geht bereits seit Anfang 2023 Frankreich mit einer gesetzlichen Regelung der klimabezogenen Werbung. Demnach müssen bzgl. solcher Aussagen jährlich aktualisierte Treibhausgas-Bilanzen (Lebenszyklus) nach „ISO 14067:2018 – Carbon Footprint von Produkten erstellt und veröffentlicht werden. Weiterhin wird eine eindeutige Handlungshierarchie vorgegeben „vorrangig vermieden, dann reduziert und schließlich kompensiert. Die Werbung für fossile Energieträger sowie die Aussagen „biologisch abbaubar, „umweltfreundlich bzw. vergleichbare Claims auf Verpackungen und Produkten ist gänzlich untersagt.


Fazit

Im Bereich Green Claims und Nachhaltigkeitskommunikation ist derzeit europaweit viel im Gange. Als Unternehmer ist es daher wichtig, die Entwicklungen mitzuverfolgen. Denn unklar ist derzeit noch, ob und mit welchen definitiven Inhalten neue Rechtsnormen auf EU Ebene verabschiedet werden, wie sie in den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt und angewendet werden und welche Entwicklungen es diesbezüglich auf internationaler Ebene geben wird. 

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