Biobasierte Verpackung: Kammergericht verbietet irreführende Umweltwerbung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 30. Mai 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Auf einer Pflanzenmilch-Verpackung wurde mit dem Satz „Verpackung & Deckel sind biobasiert“ geworben. Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 21. Januar 2025, Az. 5 U 103/22) stellte fest: diese Aussage kann vom Verbraucher so verstanden werden, dass die gesamte Verpackung vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Tat​sächlich​ war das vorliegend nicht der Fall. Das Gericht wer​tete die Angabe deshalb als irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG.​




Der regulatorische Rahmen 

Nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sind geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Zielgruppe falsche Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorgerufen werden und auf diese Weise die Kaufentscheidung in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise beeinflusst wird. Dies betrifft insbesondere Angaben zu wesentlichen Eigenschaften der Ware. Auch die Umweltverträglichkeit gehört in diesem Zusammenhang zu den relevanten Merkmalen, da sie für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ein entscheidendes Kaufkriterium darstellt.

Ob eine Aussage tatsächlich als irreführend zu bewerten ist, richtet sich danach, wie ein durchschnittlich informierter, situationsadäquat aufmerksamer und verständiger Verbraucher sie versteht.

Die bisherige Rechtssprechung 

Mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung erinnert das Kammergericht Berlin daran, dass der Umweltver­​träglichkeit eines Produkts eine besondere Bedeutung für die Kaufentscheidung des allgemeinen Publikums zukommt. Diese Bedeutung beruht auf einem wachsenden Umweltbewusstsein in der Bevölkerung, das zunehmend Einfluss auf die Produktwahl nimmt. Werbeaussagen, die an den Umweltschutz anknüpfen, entfalten daher eine starke Anziehungskraft und sprechen emotionale wie auch ethische Werte an – etwa die Sorge um die Umwelt, Gesundheit oder das Verantwortungsgefühl gegenüber künftigen Generationen.
Vor diesem Hintergrund betont das Kammergericht, dass bei umweltbezogenen Werbeaussagen strenge Anforderungen an deren Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit zu stellen sind. Unklare oder mehrdeutige Begriffe wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“ oder „biobasiert“ bergen ein hohes Irreführungspotenzial, insbesondere wenn nicht ausreichend erläutert wird, worin die beworbene Umwelt­​wirkung konkret besteht. Dies gilt umso mehr angesichts der gestiegenen Aufklärungserwartung und Sensibilität der Verbraucher in Umweltfragen.

Das Gericht folgt insoweit der gefestigten Linie des Bundesgerichtshofs, wonach unklare oder pauschale Umweltwerbung nur dann zulässig ist, wenn dem Verkehr zugleich klar und unmissverständlich mitgeteilt wird, welche konkreten Eigenschaften oder Vorteile mit dem Umweltbezug tatsächlich verbunden sind.

Beurteilung der Werbeaussage „Verpackung & Deckel sind biobasiert“

Im Fall des Pflanzendrinks aus Erbsenprotein „vly Ungesüßt“ warb der Hersteller auf der Verpackung mit der Aussage:  „Verpackung und Deckel sind biobasiert.“

Nach Auffassung des Kammergerichts erweckt diese Formulierung beim Verbraucher den Eindruck, Ver­​packung und Verschluss bestünden vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen. Tatsächlich bestand die Verpackung jedoch lediglich zu ca. 82 Prozent aus biobasierten Materialien, während der Rest fossilen Ursprungs war.

Zwar verwies der Hersteller mit einem Sternchenhinweis auf weiterführende Informationen auf seiner Website, doch das Kammergericht bewertete dies als nicht ausreichend, um die Irreführungsgefahr auszuräumen. Die Formulierung sei geeignet, dem Verbraucher ein ökologisch vorteilhafteres Gesamtbild zu vermitteln, als tatsächlich gerechtfertigt ist.

Vor dem Hintergrund der gestiegenen Sensibilität der Verbraucher für Umweltaspekte und der damit verbundenen erhöhten Aufklärungserwartung bekräftigt das Kammergericht die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Umweltbezogene Werbeaussagen müssen klar und verständlich erläutern, welche konkreten umweltbezogenen Eigenschaften ein Produkt tatsächlich aufweist. Pauschale Begriffe wie „biobasiert“ dürfen nicht in die Irre führen – insbesondere nicht dann, wenn sie nur teilweise zutreffen oder relativiert werden müssen.

Das Urteil stärkt damit die Anforderungen an Transparenz in der Nachhaltigkeitskommunikation und mahnt Unternehmen aus der Lebensmittel- und Verpackungsbranche zur besonderen Sorgfalt bei umweltbezogenen Werbebotschaften.
 

Nachhaltigkeit mit Substanz: Was Unternehmen jetzt bei Umweltwerbung beachten müssen​:

  1. Umweltbezogene Aussagen müssen klar, belegbar und konkretisiert sein. Verwenden Sie Begriffe wie „biobasiert“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ nur dann, wenn Sie diese durch konkrete und überprüfbare Fakten untermauern können – idealerweise direkt auf der Verpackung. Aussagen dieser Art dürfen nicht isoliert und ohne erläuternde Konkretisierung verwendet werden. Ein bloßer Verweis auf weiterführende Informationen (z. B. über eine Website) genügt nicht, um eine Irreführung auszuschließen.
  2. Vermeiden Sie unpräzise oder mehrdeutige Begriffe. Begriffe wie „biobasiert“ vermitteln dem durchschnittlichen Verbraucher häufig ein weitergehendes Umweltprofil, als tatsächlich vorliegt. Je technischer oder potenziell interpretationsbedürftiger eine Angabe ist, desto wichtiger ist eine konkrete, transparente und verständliche Erläuterung – unmittelbar und gut sichtbar auf der Verpackung.
  3. Achten Sie auf die Gesamtwirkung der Verpackung. Selbst wenn einzelne Angaben zutreffen, kann die Kombination von Claims, Farbgebung (z. B. Grün), grafischen Gestaltungselementen oder Umweltsiegeln beim Verbraucher den unzutreffenden Eindruck besonders hoher ökologischer Qualität erzeugen. Entscheidend ist die Gesamtwirkung auf den durchschnittlichen Verbraucher, nicht nur die formale Richtigkeit einzelner Elemente.
  4. Behandeln Sie Umweltwerbung wie gesundheitsbezogene Angaben. Die Rechtsprechung wendet auf umweltbezogene Aussagen ähnlich strenge Maßstäbe an wie auf gesundheitsbezogene Werbung (Health Claims): Angaben müssen wahr, eindeutig, belegbar und nicht irreführend sein. Achten Sie deshalb auf eine ebenso sorgfältige rechtliche und faktische Prüfung wie bei nährwert- oder gesundheitsbezogener Werbung.
  5. Holen Sie frühzeitig juristischen Rat ein. Lassen Sie neue Claims, Verpackungsdesigns und umweltbezogene Aussagen bereits im Entwicklungsprozess durch fachkundige Rechtsberatung prüfen. So können Sie rechtliche Risiken, Abmahnungen und Reputationsverluste effektiv vermeiden und Ihre Nachhaltigkeitskommunikation rechtssicher gestalten.
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