EU-Richtlinien zu Green Claims: Welche Neuregelungen sind geplant?

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veröffentlicht am 6. März 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


2022/23 legte die EU zwei neue Richtlinienvorschläge mit direktem Bezug zu Green Claims vor: 



Beide Vorschläge müssen zwar noch das Gesetzgebungsverfahren zu Ende durchlaufen, wobei immer auch Änderungen im Detail zu erwarten sind und danach in nationales Recht umgesetzt werden. Dennoch ist es wichtig, dass Unternehmen, die mit Green Claims werben oder künftig werben wollen, sich mit diesen Änderungsvorhaben frühzeitig auseinandersetzen. Wir unterstützen Sie EU-weit, die Weichen für eine rechts­sichere Bewerbung ihrer Produkte und Verpackungen richtig zu stellen. In den nachfolgenden Fragen & Antworten finden interessierte Unternehmen die Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Richt­linienentwürfe zu Green Claims.



Wie verhalten sich beide Richtlinienvorschläge zum Thema Green Claims zueinander?

Der Richtlinienentwurf zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel wird die bereits 2005 erlassene UGP-Richtlinie um spezifische Verbote von unlauteren Geschäftspraktiken zur Vermeidung von Grünfärberei (das heißt irreführende Umweltaussagen) ergänzen.


Es soll eine Reihe umweltrelevanter Legaldefinitionen eingeführt werden, wie z.B. „Umweltaussage”, „ausdrückliche Umweltaussage, „allgemeine Umweltaussage, „Nachhaltigkeitssiegel, „Zertifizierungs­system oder „Nachhaltigkeitsinformationsinstrument. Diese Definitionen erleichtern die Anwendung der (künftigen) Vorschriften zu Umweltaussagen und Umweltzeichen.


Zudem soll in der UPG-Richtlinie ausdrücklich festgelegt werden, dass das Treffen einer Umweltaussage über die künftige Umweltleistung eines Produktes oder einer Verpackung ohne klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele sowie ohne ein unabhängiges Überwachungssystem grundsätzlich als irreführend „gilt (Vermutung der Irreführung).  

 

Schließlich sollen die absoluten Verbotstatbestände in Anhang I der UGP-Richtlinie („Schwarze Liste) erweitert werden:

  • Anbringen eines nicht-zertifizierten oder nicht-staatlichen Nachhaltigkeitssiegels
  • Treffen einer allgemeinen Umweltaussage (zum Beispiel „umweltfreundlich, „grün, „naturfreundlich, „ökologisch, „umweltgerecht, „klimaneutral) ohne Nachweisbarkeit
  • Treffen einer Umweltaussage zum gesamten Produkt, obwohl sie sich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts bezieht

Die Green Claims Richtline enthält weitere Definitionen, wie beispielsweise für „Umweltzeichen, „Umweltleistung, „Umweltaspekt und „Umweltauswirkung und soll spezielle Regelungen (lex specialis) in Ergänzung der UGP-Richtlinie enthalten, wie

  • Mindestanforderungen für freiwillige Umweltaussagen (Begründung, Kommunikation)
  • Anforderungen an Umweltzeichen bzw. Umweltzeichensystemen
  • Überprüfungsverfahren für Umweltaussagen und Umweltzeichen durch unabhängige, akkreditierte Prüfstellen
  • Verschärfte Sanktionen bei Verstößen, einschließlich Geldbußen und Beschlagnahmung von Produkten oder Einnahmen aus den Transaktionen
     

Wann sind die Änderungen zu erwarten?

Eine Verabschiedung auf europäischer Ebene 2024 scheint möglich, ist aber aufgrund der institutionellen und politischen Prozesse nicht sicher vorhersehbar. Beide Entwürfe sehen eine Umsetzung auf mitgliedstaatlicher Ebene innerhalb von 18 Monaten und eine Anwendung 24 Monate nach Erlass bzw. Inkrafttreten vor.

 

Die betroffenen Unternehmen sollten die Zeit jedoch nutzen, um sich auf die neuen Regeln vorzubereiten und entsprechende strategische Entscheidungen und Maßnahmen treffen, um auch künftig zulässige umwelt­bezogene Werbung sicherzustellen.

 

Welche Art von Grüner Werbung ist umfasst?

Die beabsichtigten Neuregelungen betreffen freiwillige Umweltaussagen (inkl. Nachhaltigkeitssiegel und Umweltzeichen) zur Bewerbung von Produkten oder Dienstleistungen. Der Begriff der „Umweltaussage soll wie folgt legal definiert werden:

 

„Eine Aussage oder Darstellung, die […] nicht verpflichtend ist, einschließlich Darstellungen durch Text, Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, einschließlich Etiketten, Markennamen, Firmennamen oder Produktbezeichnungen, im Kontext einer kommerziellen Kommunikation, in der ausdrücklich oder stillschweigend angegeben wird, dass ein Produkt oder Gewerbetreibender eine positive oder keine Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger schädlich für die Umwelt ist als andere Produkte bzw. Gewerbetreibende oder dass deren Auswirkung im Laufe der Zeit verbessert wurdeRichtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation („Green Claims Richtlinie ) vom 22. März 2023

Ausgeschlossen sind Green Claims, die bereits durch andere Regeln der EU abgedeckt sind (z.B. das EU-Ecolabel, das Energieeffizienzlabel oder das EU-Bio-Logo).


Welche Anforderungen gelten für die Begründung von Umweltaussagen?

Bereits jetzt gilt: Sämtliche umweltbezogene Auslobungen müssen wissenschaftlich belegt werden können. Um irreführende Aussagen zu verhindern, präzisiert der Vorschlag für die Green Claims Richtlinie dies dahin­gehend, dass die Begründung von Umweltaussagen, die in Textform oder auf einem Umweltzeichen enthalten sind (sog. „ausdrückliche Umweltaussagen) auf einer Bewertung beruhen muss, die bestimmte Mindest­kriterien erfüllt.

 

Im Klartext bedeutet dies, dass Verwender ausdrücklicher Umweltaussagen verpflichtet sein sollen, diese anhand eines Kriterienkatalogs vorab zu überprüfen und zu belegen:

  • Gestützt auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und dem neuesten Stand der Technik
  • In Bezug auf den gesamten Lebenszyklus
  • In Bezug auf das gesamte Produkt oder, sofern zutreffend, nur Teile davon
  • Mit Nachweis, dass die positiven Umweltaspekte besser als der Durchschnitt sind
  • Mit transparenter Berichterstattung über Kompensation von Klimagasen
     

Welche Anforderungen sollen für vergleichende Umweltaussagen gelten?

Auch für vergleichende Werbung bestehen bereits gesetzliche Vorgaben (vgl. Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung). Umweltaussagen, mit denen ex- oder implizit behauptet wird, dass ein Produkt oder ein Gewerbetreibender weniger oder mehr Umweltauswirkungen verursacht oder eine bessere oder schlechtere Umweltleistung erbringt als andere Produkte oder Gewerbetreibende, werden als besonders „irreführungsanfällig" angesehen. Der Richtlinienentwurf für Green Claims beabsichtigt daher zusätzliche Anforderungen mit Blick auf die Belastbarkeit und Aussagekraft der Vergleichsdaten einzuführen.

 

Welche Anforderungen an die Kommunikation von Umweltaussagen sieht der Richtlinienentwurf für Green Claims vor?

Das Irreführungspotential bei Umweltwerbung ist besonders groß, woraus ein gesteigertes Aufklärungs­bedürfnis entsteht. Dies wurde von der deutschen Rechtsprechung bereits in den 80er Jahren statuiert (z. B. in BGH, 20.10.1988 – I ZR 238/87 oder BGH, 05.12.1996 – I ZR 140/94). Fehlen aufklärende Hinweise oder sind diese nicht deutlich sichtbar, besteht die Gefahr, dass bei Verbrauchern irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der beworbenen Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmenseigenschaften hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung negativ beeinflusst werden.

 

Diese Pflichten sollen nun gesetzlich festgelegt werden. Informationen über den Gegenstand der ausdrück­lichen Umweltaussage und über die Begründung sollen zusammen mit der Aussage in physischer Form oder in Form eines Weblinks, eines QR-Codes oder in ähnlicher Form zur Verfügung gestellt werden.

 

Sie müssen bestimmte Mindestangaben enthalten. So sollen künftig die zugrunde liegenden Studien oder Berechnungen, die zur Bewertung, Messung und Überwachung der Umweltauswirkungen, Umweltaspekte oder der Umweltleistung verwendet werden, offengelegt werden und eine Zusammenfassung der Anspruchs­bewertung zur Verfügung gestellt werden.

 

Klimabezogene Umweltaussagen müssen zudem mit Erläuterungen darüber begleitet werden, in welchem Umfang sich die Aussagen auf Kompensationen stützen und ob diese auf eigene Emissionsminderungen oder (nur) auf Speicherung von Treibhausgasen (geologische oder biogene Speicherung, also z.B. Verpressung oder etwa Aufforstungsprojekte) zurückzuführen sind. Auch hier greift der EU-Gesetzgeber die bereits von den deutschen Gerichten entwickelte Rechtsprechung auf.

 

Schließlich soll sichergestellt werden, dass ein Unternehmer Produkte nur vergleichen darf, wenn er Informationen über die Vergleichsmethode, die betreffenden Produkte und Lieferanten sowie die Maßnahmen, um die Informationen auf dem neuesten Stand zu halten, bereitstellt.

 

Ist die Verwendung von Umweltzeichen auch künftig zulässig?

Umweltzeichen sind Gütezeichen, Qualitätszeichen oder gleichwertige Zeichen, die der Hervorhebung und Absatzförderung eines Produkts/Verfahrens oder eines Unternehmens in Bezug auf seine Umweltaspekte dienen. Der Blaue Engel ist das erste und wohl bekannteste Umweltzeichen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl solchen Zeichen (z.B. das Siegel des „Forest Stewardship Council (FSC), Fairtrade oder der Grüne Knopf).

 

Künftig sollen solche Zeichen von unabhängigen Stellen vergeben werden, die über die erforderliche Fach­kompetenz verfügen. Diese müssen transparente Kriterien und Verfahren für die Vergabe der Zeichen haben und diese regelmäßig überprüfen. Durch die Einführung von EU-weit einheitlichen Mindestkriterien soll die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Umweltzeichen erhöht werden.

 

Parallel dazu sieht der Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel vor, die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegel, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden, zu verbieten, indem sie unter allen Umständen als unlauter gelten.  Selbstzertifizierte Umweltzeichen sollen damit künftig verboten sein.

 

Sollen Green Claims künftig genehmigungspflichtig sein, wie es bereits bei anderen Auslobungen (z.B. gesundheitsbezogene Angaben „Health Claims) der Fall ist?

Eine Genehmigungspflicht im herkömmlichen Sinne ist nicht geplant. Jedoch sollen Umweltaussagen und Umweltzeichen von einer unabhängigen und akkreditierten Überprüfungsstelle überprüft und zertifiziert werden. Wenn dies so umgesetzt wird, unterliegen Umweltaussagen künftig einer Überprüfung ex-ante und damit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.

 

Dies soll zum einen Greenwashing vermeiden, zum anderen soll es den Unternehmen EU-weit Rechtssicherheit hinsichtlich der Rechtskonformität ihrer Umweltaussagen und Umweltzeichen bieten. Denn geplant ist, dass nach Abschluss der Überprüfung die Prüfstelle gegebenenfalls eine Konformitätsbescheinigung ausstellt, die von den zuständigen Behörden EU-weit anerkannt werden muss. Allerdings führt das nicht zu einer „bedenken­freien Verwendung, da Behörden oder Gerichte, die für die Durchsetzung der Lauterkeitsvorschriften zuständig sind, dennoch frei über die Zulässigkeit der jeweiligen Aussage entscheiden können. Dass Unternehmen trotz kostenintensiver Zertifizierung nach den vorgeschlagenen Regelungen nicht darauf vertrauen können, dass ihre umweltbezogenen Werbemaßnahmen als regelkonform betrachtet werden, steht zu Recht massiv in der Kritik (siehe z.B. Stellungnahme der Wettbewerbszentrale zur geplanten Green Claims Richtlinie).

 

Hier ist vor allem aber dort Widerspruch zu erwarten, wo z.B. private Bio-Siegel für Lebensmittel derzeit schon strengere Vorgaben als das EU-Biosiegel erfordern. Unklar ist z.B. ob diese u.U. Bestandsschutz unter dem neuen „Genehmigungsverfahren erhalten.


Welche Unternehmen sind von den geplanten Neuregelungen zu Green Claims betroffen?

Laut der Richtlinienentwürfe sollen die geplanten Neuregelungen zu Green Claims für alle Unternehmen gelten, die innerhalb der EU Umweltaussagen gegenüber Verbrauchern machen, unabhängig davon, ob diese Unternehmen ihren Sitz innerhalb der EU haben oder in Drittländern haben.

 

Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, sollen jedoch Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigte und Jahresumsatz von höchstens 2 Mio. Euro) von den Verpflichtungen des Vorschlags in Bezug auf die Anforderungen an die Begründung und die Kommunikation von Green Claims grundsätzlich ausgenommen werden. Alle Gewerbetreibenden, inklusive Mikrounternehmen, fallen jedoch weiterhin in den Anwendungs­bereich der UGP-Richtlinie samt den geplanten Änderungen, so dass ihre Werbung mit den allgemeinen Vorschriften über Umweltaussagen in Einklang stehen muss.

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