Investitionsprüfung nach Außenwirtschaftsverordnung: Trends und Ausblick

PrintMailRate-it

zuletzt aktualisiert am 12. Februar 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Der Trend zur Verschärfung der Investitionskontrolle bei ausländischen Direktinvesti­tionen setzt sich weiter fort. Mit der 12. Verordnung zur Änderung der Außenwirt­schafts­verordnung (AWV) vom 19. Dezember 2018 (in Kraft getreten am 28. Dezember 2018) hat die Bundesregierung Investitionen in strategischen Bereichen stärker in den Blick genommen und die Prüfungskompetenz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zur Vermeidung von Sicherheitsgefahren bei Unternehmens­übernahmen durch Ausländer erweitert. Dabei ist die Prüfungsschwelle im Anwen­dungs­bereich der Sektorkontrolle (Militär- und Verteidigungsbereich) und bei Unter­nehmen im Bereich der kritischen Infrastrukturen (z.B. Informationstechnologie und Telekommunikation, Cloud Computing) von 25 auf 10 Prozent reduziert worden.



Auf europäischer Ebene ist am 21. März 2019 mit der Verkündung im Amtsblatt der EU der Verordnung zum Umgang mit ausländischen Übernahmen (Verordnung (EU) 2019/452) ein neuer EU-Rahmen zur Überprüfung von Direktinvestitionen in Kraft getreten. Um den Mitgliedstaaten und der Kommission ausreichend Zeit zu geben, die notwendigen Vorkehrungen für die Anwendung des vorgesehenen neuen Kooperationsrahmens zu treffen, wird die Verordnung jedoch erst am 11. Oktober 2020 in Kraft treten. Anfang Dezember 2019 legte Bundes­wirt­schafts­minister Peter Altmaier den finalen Entwurf der „Industriestrategie 2030” vor und kündigte eine weitere Verschärfung der AWV im Einklang mit der Verordnung an.


Rückblick: 12. Verordnung zur Änderung der AWV

Geändert wurden insbesondere die Prüfschwellenwerte zur Eröffnung der Prüfungskompetenz des BMWi. Sie wurden von mind. 25 auf mind. 10 Prozent der Stimmrechte herabgesetzt. Das betrifft Stimmrechte an Unternehmen

  • im Regelungsbereich der sektoren­über­greifenden Investitionskontrolle, die bestimmte, besonders sicherheits­relevante zivile Infra­strukturen, sog. kritische Infrastrukturen, betreiben oder Leistungen im Umfeld solcher Infra­strukturen erbringen. Dazu gehören auch Bereiche wie Energie, Wasser, Lebensmittel, Informations­technologie und Tele­kommunikation, Cloud Computing, Gesundheit, Finanzen und Versicherungen, Transport und Verkehr, Telematik (§ 55 Abs. 1 S. 2 AWV) sowie
  • im Bereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle (§§ 60 Abs. 1 S. 1, 60a Abs. 1 AWV).


Ausländer im Anwendungsbereich der sektorspezifischen Investitionskontrolle (Rüstungs-, Dual Use-Güter sowie verteidigungsrelevante IT-Sicherheits-Industrie) ist jeder Erwerber – sei er aus der EU/EFTA bzw. einem Drittland. Die sektorübergreifende Investitionskontrolle betrifft Erwerber aus Ländern, die nicht zur EU oder EFTA gehören. Auch sog. mittelbare Erwerbsvorgänge durch Erwerber aus dem EU-Ausland unterliegen einer Missbrauchskontrolle, sodass Umgehungsversuche erschwert werden.

Bei den übrigen Unternehmen bleibt es bei dem bisherigen Prüfschwellenwert von mind. 25 Prozent, wenn der Erwerb die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.

Unternehmen der Medienwirtschaft wurden nunmehr in den Katalog des § 55 Abs. 1 Satz 2 AWV aufgenommen (§ 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AWV), und damit den kritischen Infrastrukturen gleichgestellt.

Zudem sind zur Vermeidung von Umgehungen extensive Regelungen der Anteilszurechnung für die Feststellung des Erreichens der Prüfschwellenwerte von 10 bzw. 25 Prozent festgelegt worden. Diese Anteilszurechnungs­regelungen dienen auch der Klarstellung und Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen oder Umgehungsgeschäfte. Infolge der Zurechnungsregeln kann bspw. auch der Erwerb eines deutschen Unternehmens oder die Beteiligung daran durch eine deutsche GmbH der Investitionskontrolle unterliegen, wenn an der GmbH ein Unternehmen aus einem Drittstaat mit mind. 10 bzw. 25 Prozent der Stimmrechte (mittelbar) beteiligt ist.


Auswirkungen auf Unternehmensverkäufe?

Angesichts der verschärften Anteils­zurech­nungsregelungen sollten sowohl Verkäufer von in den Anwendungs­bereich der AWV fallenden Unternehmen im Vorfeld einer Transaktion die Gesellschafterstruktur potenzieller Erwerber genauer abklären, als auch potenzielle Käufer frühzeitig prüfen, ob das Zielunternehmen in den Anwendungsbereich der Investitionskontrolle des BMWi fällt. Das BMWi kann solche Erwerbe innerhalb von vier Monaten nach vollständiger Übermittlung der Unterlagen untersagen. Der unmittelbare Erwerber ist zur Mitteilung gegenüber dem BMWi verpflichtet. In Zweifelsfällen kann aus Gründen der Transaktions- bzw. Investitionssicherheit die Beantragung einer Unbedenk­lichkeits­bescheinigung des BMWi im Einzelfall angezeigt sein.

Unternehmen der Medienwirtschaft sind mit einer beträchtlichen Rechtsunsicherheit auf Grund der weiten Definition in § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AWV konfrontiert. Dem BMWi eröffnet sich dadurch ein weiter Einschätzungs- und Zugriffsspielraum. Insbesondere auch die Beteiligungsbranche wird sich auf die reduzierten Prüfschwellenwerte einstellen müssen.

Kapitalerhöhungen oder Debt-Equity-Swaps sind bspw. relevante Erwerbsvorgänge, wenn ausländische Investoren mind. 10 Prozent der Stimmrechte an Unternehmen im Bereich der kritischen Infrastrukturen bzw. an Unternehmen mit Rüstungs- und IT-Sicherheitsrelevanz erwerben. Vorstehendes gilt auch bei mind. 25 Prozent der Stimmrechte, wenn der Erwerb die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.


Ausblick

Das Ziel des neuen EU-Rahmens bei ausländischen Direktinvestitionen ist die verbesserte Wahrung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der strategischen Interessen Europas im Zusammenhang mit ausländischen Investitionen in der EU. Die Prüfungskompetenz verbleit grundsätzlich bei den Mitgliedsstaaten. Eingeführt wird ein europäisches Informations-austauschsystem, bei dem die Mitgliedstaaten und die Kommission innerhalb gewisser Zeitrahmen Kommentare bzw. Stellungnahmen zu anstehenden oder durchgeführten Direktinvestitionen abgeben können, die vom betroffenen Mitgliedstaat „angemessen zu berücksichtigen” sind. Bei Projekten oder Programmen von Unionsinteresse ist der Stellungnahme der Kommission „umfassend Rechnung” zu tragen und – kommt der Mitgliedsstaat der Stellungnahme nicht nach – durch den Mitgliedsstaat eine Erklärung abzugeben. Unionsinteresse besteht bei Projekten und Programmen, bei denen Unionsmittel in erheblicher Höhe oder zu einem wesentlichen Anteil bereitgestellt werden (z.B. Europäische GNSS-Programme (Galileo und EGNOS) und Horizont 2020) oder die unter die Rechtsvorschriften der Union über kritische Infrastrukturen, Technologien oder Ressourcen, die für die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung wesentlich sind, fallen.

Die Verordnung hat einen weiter gefassten Katalog an schützenswerten Gütern als bisher in der AWV aufgefasst wurde. So werden auch „kritische Technologien mit doppeltem Verwendungszweck” betrachtet, zu denen die Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleitertechnik, Cybersicherheit und Nukleartechnik gezählt werden. Es ist nach Vorlage des Strategiepapiers von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit einer weiteren Novellierung der AWV im Einklang mit dem EU-Rechtsrahmen auszugehen. Neben der Schaffung des Kooperationsmechanismus mit den anderen EU Mitgliedsstaaten werden die angekündigten Änderungen die Erweiterung der Definition der Kritischen Infrastrukturen wie im EU-Rechtsrahmen unter zusätzlicher Einbeziehung der Biotechnologie und Quantentechnologie, die Absenkung der Schwelle für einen Eingriffs in eine Transaktion bereits bei einer „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit” und nicht wie derzeit bei einer „Gefährdung” sowie die Schaffung eines Fonds zur Finanzierung einer befristeten staatlichen Beteiligung bei sensiblen oder sicherheitsrelevanten Technologien an Unternehmen über die KfW als letzte Möglichkeit, wenn andere Instrumente nicht greifen.


Fazit

In der Transaktionspraxis ist damit zu rechnen, dass der Vollzug einer Transaktion aus Gründen der Vorsicht vermehrt unter die aufschiebende Bedingung (closing condition) einer Freigabe bzw. der Erteilung der vorgenannten Unbedenklichkeitsbescheinigung durch das BMWi gestellt wird. Verfügt das Zielunternehmen über eine kritische Infrastruktur und/oder zukunftsrelevante Technologien, kann eine mitunter langwierigere Prüfung des BMWi und damit ein erheblicher Zeitverzug, nicht ausgeschlossen werden. Das gilt umso mehr, wenn mit Wirksamwerden des neuen EU-Rechtsrahmens Stellungnahmen von Mitgliedstaaten und der Kommission im Kontext eines Prüfungsverfahrens bzw. bei der Einholung einer Unbedenk­lichkeits­be­scheinigung zu berücksichtigen sein werden.

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu