EuGH-Urteil: Nachträglicher Vorsteuerabzug für zunächst hoheitlich genutzte Immobilie

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zuletzt aktualisiert am 5. September 2018

   

Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung einer Gemeinde nachträglich den Vorsteuerabzug aus einer zunächst nur hoheitlich genutzten Immobilie gestattet. Die Finanzverwaltung wird umdenken müssen.

 

 

Der EuGH (EuGH Urt. v. 25. Juli 2018 – C-140/17) hat entschieden, dass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ein Recht auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs zu ihren Gunsten hat,

 

  • wenn sie z.B. eine Immobilie erwirbt,
  • die Immobilie zum Zeitpunkt des Erwerbs ihrer Art nach sowohl für hoheitliche als auch unternehmerische Zwecke verwendet werden konnte,
  • die Nutzungsabsicht für besteuerte Tätigkeiten nicht ausdrücklich bekundet war, aber auch nicht ausgeschlossen und
  • die Gemeinde zum Zeitpunkt der Investition als Unternehmer registriert war.


Unternehmerisches Erfasst sein zum Zeitpunkt der Investition maßgeblich für Vorsteuerabzug

Ob der Unternehmer zum Zeitpunkt der Investition als Unternehmer registriert ist, ist anhand aller tatsächlicher Gegebenheiten zu prüfen. Die Prüfung muss in jedem Einzelfall anhand eines weiten Verständnisses vom Begriff des Erwerbs „als Steuerpflichtiger” erfolgen. Zur Weite dieses Verständnisses sagt der EuGH Folgendes: Das Ziel ist die Neutralität der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten. Damit alle Tätigkeiten gleich belastet werden, müsse also auch in bestimmten Fällen berichtigt und der Vorsteuerabzug (ggf. nachträglich) gegeben werden. Aus dem Grundsatz ist abzuleiten, dass auf Eingangsleistungen bei bestimmten Voraussetzungen eine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht. Diese ist dann auch nach der Investition durch eine Berichtigung sicherzustellen.


Es ist damit grds. ohne Bedeutung, dass der betreffende Gegenstand nicht unmittelbar nach seinem Erwerb für besteuerte Umsätze verwendet worden ist. Die Verwendung des Gegenstands bestimmt nur den Umfang des Vorsteuerabzugs oder gegebenenfalls eine spätere Vorsteuerberichtigung. Die Entstehung des Vorsteueranspruchs bleibt von der Verwendung jedoch unberührt.


Bislang war bei der Frage der Berichtigung des Vorsteuerabzugs grundsätzlich von den Verhältnissen zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung auszugehen. Danach war ein Vorsteuerabzug nicht zulässig, wenn der Steuerpflichtige den Gegenstand erst später seinem Unternehmen zuführt und zu unternehmerischen Zwecken verwendet. Eine solche Einlage aus dem „Privatvermögen” oder auch Hoheitsvermögen in das Unternehmensvermögen erfüllt nicht die Bedingungen für einen Vorsteuerabzug. Schon bisher fasste die europäische Rechtsprechung jedoch die Art der Verwendung direkt im Anschluss an die Anschaffung nur als Indiz für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts.


Praktische Hinweise für die Besteuerung

Muss nun hinsichtlich der Möglichkeit des Vorsteuerabzuges neu gedacht werden? Das Urteil enthält sehr viele Ausführungen dazu, dass der Vorlagefall nicht mit anderen bisher entschiedenen Fällen vergleichbar sei. Für juristische Person des öffentlichen Rechts kann u.U. daraus abgeleitet werden, dass durch eine nachträgliche Entscheidung zur Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Unternehmensvermögen ein (nachträgliche) anteiliger Vorsteuerabzug möglich sein kann. Eine entsprechende Vorsteuerberichtigung ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die juristische Person des öffentlichen Rechts ein Wirtschaftsgut ab dem Zeitpunkt seiner Anschaffung ausschließlich hoheitlich verwendete.


Die Reaktion der deutschen Finanzverwaltung ist noch nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass der Vorgabe des „Erwerbes als Steuerpflichtiger” eine besondere Bedeutung zukommen dürfte. Zwar ist es grundsätzlich weiterhin erforderlich, im Zeitpunkt der Investition als Unternehmer zu handeln. Im Zeitpunkt der Investition muss aber nicht zwingend die Absicht bekundet werden, das Investitionsgut dem Unternehmen zuzuordnen. Es darf aber nicht ausgeschlossen sein, dass Wirtschaftsgut auch für eine vorsteuerunschädliche Tätigkeit verwenden zu können.

 

Grundsätzlich ist wohl die Zuordnungsentscheidung im Zeitpunkt der Entstehung des Vorsteuerabzugs entscheidend. Ein nachträglicher Vorsteuerabzug kann aber laut EuGH nur dann ausgeschlossen werden, wenn bei Gegenständen, mit denen eine gewünschte Nutzung zu verschiedenen Zwecken möglich ist, eine klare anfängliche Zuordnungsentscheidung für den nichtwirtschaftlichen Bereich getroffen wird. Das würde bedeuten, dass sich anfangs nicht ausdrücklich gegen den künftigen Vorsteuerabzug entschieden werden darf, also noch keine eindeutige Zuordnungsentscheidung getroffen werden solle.

 

Das mutet insofern sehr fraglich an, da von Einzelunternehmen bzw. Personen des Privatrechts bei der Anschaffung von Gegenständen eine zeitnahe dokumentierte Zuordnungsentscheidung bis zum 31. Mai des Bezugs-Folgejahres von Seiten der Finanzverwaltung verlangt wird (vgl. Abschnitt 15.2c Abs. 16 UStAE). Für die Praxis darf es mit der Tendenz einer angestrebten gleichen / neutralen Umsatzbesteuerung von Unternehmen des privaten und Körperschaften des öffentlichen Rechts keine Unterscheidung bezüglich der Zuordnungsentscheidung geben. Daher bleibt abzuwarten, ob bei Einzelunternehmen auf eine zeitliche Frist weiter abzustellen ist.

 

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