MLI in Polen: Neue Grundsätze zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ab Juli 2018

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zuletzt aktualisiert am 13. März 2019

von Monika Ignaczak, Daria Walkowiak, Rödl & Partner Breslau

 

Am 1. Juli 2018 trat das „Mehrseitige Übereinkommen” (das sog. Multilaterale Instrument, kurz MLI) in Kraft, mit dem die Vorgaben des BEPS-Projekts zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting Project) umgesetzt werden sollen. Durch dieses Projekt soll der aggressiven internationalen Steueroptimierung entgegengewirkt werden. Mit dem MLI werden Änderungen der zwischen Polen und einigen Ländern geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen eingeläutet.

 



Bis Ende 2018 wird eine Übergangsfrist gelten, und ab Januar 2019 wird das MLI dann vollumfänglich in Kraft treten. Das Übereinkommen wurde bisher von 78 Staaten unterzeichnet, von denen es bisher 5 ratifiziert haben: Polen, Österreich, Slowenien sowie die Inseln Man und Jersey.

 

Was ändert sich durch das MLI?

Die Einführung des MLI kann die Steuerpflichten sowohl von polnischen im Ausland agierenden Unterneh­mern als auch von ausländischen in Polen agierenden Unternehmern beeinflussen. Seine Regelungen werden grundsätzlich die Rechtsnormen der einzelnen bilateralen Doppelbesteuerungs­abkommen (DBA) modifizieren. Die Bedingungen für das Inkrafttreten dieser Änderungen sind folgende:
  1. Das MLI muss von beiden Vertragsstaaten des betreffenden DBA ratifiziert werden.
  2. Gleichzeitig müssen diese Vertragsstaaten das betreffende DBA zur Anwendung im Rahmen des MLI anmelden.

Polen hat sich bereit erklärt, 78 DBA dem Anwendungsbereich des MLI zu unterziehen, womit deren Bestimmungen gemäß dem MLI modifiziert werden. Zu betonen ist, dass das MLI das jeweilige DBA nicht automatisch ändert, sondern parallel zu den geschlossenen und angemeldeten Abkommen anzuwenden ist. Bei einer Kollision von Normen hat das MLI Vorrang.

 

Was bedeutet das für Polen?

Zuerst werden zum 1. Januar 2019 diejenigen DBA geändert, die Polen mit den 4 anderen ratifizierenden Ländern, d.h. mit Österreich, der Insel Man, der Insel Jersey und mit Slowenien, geschlossen hat. Die Anwendung des MLI auf sonstige DBA erfolgt sukzessiv, je nach dessen Ratifizierung durch weitere Länder. Zu betonen ist, dass Polen das mit Deutschland geschlossene DBA bisher nicht für die Zwecke des MLI angemeldet hat. Das MLI findet auch keine Anwendung auf das Abkommen mit den Vereinigten Staaten, die das Abkommen überhaupt nicht unterzeichnet haben. Jedoch können in Zukunft die DBA mit weiteren Ländern geändert werden.

 

Die 7 wichtigsten Prämissen des MLI

Die Bestimmungen des MLI sind gegen die Politik einer aggressiven Steuerplanung gerichtet und sollen es ermöglichen, zu ermitteln, wo der Mehrwert des jeweiligen Unternehmens tatsächlich erzielt wird. Zu den wichtigsten Prämissen des MLI gehören:

 

1. Grundsätze für die Gewinnausschüttung

Abhängigmachung der Inanspruchnahme der Befreiung bzw. des Ausschlusses von der Besteuerung der Dividenden von der Voraussetzung, dass Anteile, Aktien, Stimm- und ähnliche Rechte an der die Dividende ausschüttenden Gesellschaft mindestens 365 Tage gehalten werden.

 

Polen hat sich vorbehalten, das MLI insoweit nicht anzuwenden, als die Voraussetzung der Mindesthalte­dauer für die Anteile bereits in den DBA enthalten ist (das trifft z.B. auf die DBA zwischen Polen und Belgien, Zypern, Dänemark und Malta zu).

 

2. Unwegliches Vermögen

Diese Klausel legt die Grundsätze zur Besteuerung der Anteile an der Gesellschaft fest, sofern der Wert ihres Vermögens überwiegend auf unbeweglichem Vermögen beruht. Das MLI führt einen bestimmten Zeitrahmen ein (365 Tage), der Veräußerung der gehaltenen Anteilevorausgehen muss; außerdem erweitert sie die Definition des Begriffs „Einnahmen aus Anteilen und Aktien" um Einnahmen aus anderen, vergleichbaren Rechten aus den Anteilen an einer Gesellschaft.

 

Polen hat seine Absicht bekundet, das MLI anzuwenden – sofern alle Parteien der angemeldeten DBA sich ebenfalls entscheiden, sie anzuwenden, und dieselben Bestimmungen in den DBA angeben.

 

3. Switch over-Klausel

Anstelle der Freistellung unter Progressionsvorbehalt soll die Anrechnungsmethode eingeführt werden. Bei der Freistellung unter Progressionsvorbehalt werden die im Ausland erzielten Einkünfte in Polen von der Steuer befreit und beeinflussen lediglich die Höhe des Steuersatzes, der auf die in Polen erzielten Einkünfte angewandt wird. Die Anrechnungsmethode hat zur Folge, dass die im Ausland erzielten Einkünfte in Polen besteuert werden, wobei eine Doppelbesteuerung dadurch vermieden wird, dass die in Polen zu zahlende Steuer um die Steuer reduziert werden kann, die im Ausland auf dort erzielte Einkünfte gezahlt wurde. Die Anwendung der zweiten Methode führt gewöhnlich zu einer höheren Steuer, aber durch die Vergünstigung aufgrund von Art. 27g EStG-PL kann der Differenzbetrag, der sich aus der Anwendung der 2 o.g. Methoden ergibt, von der Steuer abgezogen werden. In der Praxis führt das dazu, dass Personen, die ihren steuerlichen Wohnsitz in Polen haben, aber im Ausland arbeiten, verpflichtet sind, Jahressteuerer­klä­rungenüber die von ihnen im Ausland erzieltenEinkünfte abzugeben, jedoch wird sich die Steuerlast natürlicher Personen hierdurch nicht erhöhen.

 

Das MLI sieht für die Einführung dieser Klausel in die DBA 3 Optionen (A, B oder C) vor. Polen hat sich für die Option C entschieden, was bedeutet, dass die bisher angewandte Methode nicht automatisch durch die Anrechnungsmethode ersetzt werden kann. In dieser Situation wird eine Stellungnahme des zweiten Vertragsstaates notwendig sein. Stimmt dieser Vertragsstaat der Anwendung von Option C nicht zu, so wird auch Polen diese Option nicht anwenden können.

 

4. Einschränkung des Missbrauchs von hybriden Gestaltungen

Das MLI besagt Folgendes: Kann der betreffende Rechtsträger (mit Ausnahme natürlicher Personen) nach dem DBA als steuerlicher Gebietsansässiger von mehr alseinem Staat eingestuft werden, so müssen die Parteien dieses DBA sich darüber verständigen, welchemStaat dieser Steuerpflichtige für die Zwecke des betreffendenDBA als steuerlicher Gebietsansässigerzuzuordnen ist. Kommt eine solche Verständigung nicht zustande, so kann der betroffene Rechtsträger die sich aus dem DBA ergebenden Vorteile nicht in Anspruch nehmen. Berücksichtigt werden müssen auch der Ort, an dem sich die Geschäftsführung tatsächlich aufhält, der Ort, an dem der Sitz des betreffenden Rechts­trägers registriert ist sowie andere wesentliche Faktoren.

 

Polen hat eine Liste von Abkommen angemeldet, welche Bestimmungen darüber enthalten, wie die steuerliche Ansässigkeit einer Person zu bestimmen ist, die nicht zu den natürlichen Personen gehört. Haben die Vertragsstaaten dieselben Bestimmungen zum DBA angemeldet, so legen sie in gegenseitigem Einvernehmen fest, in welchem Staat der betreffende Rechtsträger als steuerlicher Gebietsansässiger gelten soll. Die Grundsätze zur Ermittlung der steuerlichen Ansässigkeit natürlicher Personen bleiben unverändert.

 

5. PPT-Klausel (engl. principal purpose test)

Diese Klausel gibt den Behörden die Möglichkeit, Transaktionen (Vereinbarungen) mit einem ausländischen Unternehmen dadurch in Frage zu stellen, dass sie die Anerkennung von Vorteilen aufgrund des DBA in Bezug auf die Einnahmen/das Kapital verweigern. Bedingung dafür, dass eine Transaktion in Frage gestellt werden kann, ist, dass ihr einziger Zweck die Erzielungvon Steuervorteilen war.

 

Indem Polen das MLI unterschrieb, erklärte es sich bereit, die neue generelle PPT-Klausel in die von ihm abgeschlossenen DBA aufzunehmen.

 

6. Vorteilsbegrenzungsklausel (engl. limitation of benefits, LOB)

Aufgrund dieser Klausel können die Staaten die Gewährung von Steuervorteilen von der Erfüllung zusätzlicher Bedingungen wie in Bezug auf die Rechtsform, Eigentumsstruktur oder die ausgeübte Tätigkeit abhängig machen.

 

Polen hat sich vorbehalten, dass es in bilateralen Verhandlungen danach streben wird, die LOB-Klausel in die einzelnen DBA aufzunehmen.

 

7. Verständigungsverfahren

Dieses Verfahren verpflichtet die Vertragsstaaten, Maßnahmen zur Vermeidung einer dem abgeschlossenen DBA widersprechenden Besteuerung zu ergreifen.

 

Polen hat sich hinsichtlich der DBA mit Indonesien, Katar, Kuweit, dem Libanon und Italien vorbehalten, dass der Zeitraum für die Anmeldung einer Besteuerung, die dem jeweiligen DBA widerspricht, kürzer sein wird als der indem MLI vorgesehene Zeitraum, der 3 Jahre beträgt.

 

Mindeststandard

Die meisten Bestimmungen des MLI sind freiwillig anzuwenden. Die Parteien dieses Übereinkommens sind jedoch verpflichtet, auf die angemeldeten DBA die sog. Mindeststandards anzuwenden, die in den Art. 6, 7 und 16 MLI definiert sind und zu denen Folgendes gehört:
  • Bestreben, die Ziele der DBA zu erreichen, welche in der Vermeidung von Doppelbesteuerung sowie in der Vorbeugung gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung bestehen;
  • Anwendung von Missbrauchsklauseln, die der Erzielungvon Vermögensvorteilen entgegenwirken sollen (in der Praxis werden das die Klauseln PPT und LOB sein);
  • Anwendung der Vorschriften über die Beilegung von Streitigkeiten (sog. Verständigungsverfahren).

 

Übereinkommen und Besteuerung ausländischer Betriebsstätten

Die Bestimmungen des MLI betreffen auch die Vermeidung der künstlichen Umgehung des Betriebsstättenstatus, indem sie auf die Maßnahme 7 des BEPS-Projekts Bezug nehmen. Dazu sieht das MLI Folgendes vor:
  1. Einführung von Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung über die Zurechnung der Einkünfte einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte (Art. 10);
  2. Erweiterung der Definition des unabhängigen Vertreters (Art. 12);
  3. Vorbeugung einer künstlichen Aufteilung von Geschäftsvorfällen (Art. 13);
  4. Vorbeugung einer künstlichen Aufteilung von Verträgen (bei Bau- und Installationsarbeiten) zur Vermeidung des Zeitraums, nach dessen Überschreitung eine Betriebsstätte entsteht (Art. 14);
  5. Einführung der Definition der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person (Art. 15).

 

Polen hat sich das Recht vorbehalten, diejenigen Bestimmungen des MLI, welche steuerliche Betriebsstätten betreffen, nicht anzuwenden. Das schließt die Möglichkeit aus, diese Bestimmungen unabhängig davon abzuwenden, ob auch der andere Vertragsstaat des jeweiligen DBA sich diese Möglichkeit vorbehalten hat. Polen vertritt die Auffassung, dass die Bestimmungen, welche steuerliche Betriebsstätten im Sinne der DBA betreffen, Gegenstand bilateraler Verhandlungen sein sollen.

 

Die Bestimmungen des MLI werden bedeutende Auswirkungen für internationale Unternehmen haben. Wir empfehlen Ihnen die laufende Beobachtung der Änderungen der einzelnen DBA und die Analyse der Steuerabrechnungen, die aufgrund von geänderten DBA vorgenommen werden. Zuerst sollten die Verhältnisse mit den Ländern wie Österreich, den Inseln Man und Jersey sowie Slowenien analysiert werden.

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