Überarbeitung des Gesellschaftsrechts in China: Wichtige Änderungen bei Führungskräften der Gesellschaft

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veröffentlicht am 8. April 2022 | Lesedauer ca. 6 Minuten

von Xiaolan Zhao und Christina Gigler

 

Neben den in unserem vorhergehenden Artikel erwähnten wichtigen Änderungen beim Gesellschaftskapital sieht der Entwurf des Gesellschaftsrechts („Änderungsentwurf") weitere Änderungen in Bezug auf die Struktur der Unternehmensorgane, die Verantwortlichkeiten und die Haftung der Führungskräfte des Unternehmens vor. Direktoren, Aufsichtspersonen und leitende Manager tragen eine größere und klarere Verantwortung.

  

 

   

Erstmalige Einrichtung des Prüfungsausschusses im Vorstand

Nach dem geltenden Gesellschaftsrecht der Volksrepublik China besteht die Hauptorganisationsstruktur eines Unternehmens aus der Gesellschafterversammlung, dem Vorstand bzw. Executive Director und dem Aufsichtsrat bzw. Aufsichtspersonen (Im Folgenden zusammengefasst als Vorstand und Aufsichtsrat). Der Vorstand und der Aufsichtsrat nehmen parallel an der Unternehmensführung teil und bilden ein dualistisches Führungsmodell. In der Praxis ist der Aufsichtsrat in vielen Unternehmen jedoch nicht bereit oder nicht in der Lage, seine Aufsichtsfunktion wahrzunehmen. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass der Aufsichtsrat in der Regel von den Mehrheitsgesellschaftern ernannt und daher deren Interessen vertritt. Wenn die Interessen der Mehrheitsgesellschafter mit denen des Unternehmens in Konflikt geraten, neigt der Aufsichtsrat möglicherweise dazu, zu schweigen. Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass es an substanziellen Aufsichtsbefugnissen mangelt. Nach dem geltenden Gesellschaftsrecht hat der Aufsichtsrat das Recht, einen Entlassungsantrag gegen Direktoren und leitende Manager zu stellen, die gegen Gesetze oder Verwaltungsvorschriften verstoßen, nicht aber das Recht zur direkten Entlassung.

 

Der Änderungsentwurf sucht nach einer Lösung für dieses Problem und sieht erstmals einen Prüfungsausschuss vor, der sich aus Mitgliedern des Vorstands zusammensetzt und für die Beaufsichtigung des Finanz- und Rechnungswesens des Unternehmens zuständig ist. Darüber hinaus nimmt der Prüfungsausschuss  weitere in der Satzung festgelegte Aufgaben wahr. Die beschriebenen Funktionen des Prüfungsausschusses können zur Überschneidung mit denen des Aufsichtsrats führen oder diese bis zu einem gewissen Grad ersetzen.

 

Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), die einen Prüfungsausschuss einrichten, ist  ein Aufsichtsrat  nicht mehr erforderlich. Um bei Aktiengesellschaften keinen Aufsichtsrat einzurichten oder Aufsichtspersonen zu ernennen, müssen mehr als die Hälfte der Mitglieder des Prüfungsausschusses Non-Executive Directors sein, und kein Mitglied des Prüfungsausschusses darf die Position eines Managers oder Finanzdirektors des Unternehmens einnehmen. Es ist besonders darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Executive Director" hier nicht dieselbe Definition hat wie der „Executive Director" im geltenden Gesellschaftsrecht für GmbH ohne Vorstand. Im Änderungsentwurf wird „Executive Director" zu einem ausschließlichen Begriff für Aktiengesellschaften, d.h. nur Aktiengesellschaften haben ein oder mehrere „Executive Directors" und „Non-Executive Directors".

 

Keine Obergrenze für die Zahl der Vorstandsmitglieder und einheitliches Erfordernis von Arbeitnehmervertretern im Vorstand

Nach dem geltenden Gesellschaftsrecht besteht der Vorstand einer GmbH aus drei bis 13 Mitgliedern, während der Vorstand von Aktiengesellschaften fünf bis 19 Mitglieder haben kann. Der Änderungsentwurf hebt diese Beschränkung auf und legt fest, dass der Vorstand unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft aus mindestens drei Mitgliedern bestehen muss.

 

Der Entwurf sieht auch vor, dass eine vergleichsweise kleine GmbH einen Direktor oder Manager haben kann, was in der Praxis eher geringe Auswirkungen haben dürfte, da eine kleine GmbH mit vergleichsweise wenigen Gesellschaftern aktuell anstelle eines Vorstands einen Executive Director ernennen kann, der auch als Manager fungieren darf.

 

Darüber hinaus sind nach dem geltenden Gesellschaftsrecht nur hundertprozentige Staatsunternehmen mit beschränkter Haftung verpflichtet, Arbeitnehmervertreter im Vorstand zu etablieren. Um die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Unternehmensführung zu gewährleisten, sieht der Änderungsentwurf vor, dass alle GmbH mit 300 oder mehr Beschäftigten mindestens einen Arbeitnehmervertreter im Vorstand haben müssen, der von den Arbeitnehmern demokratisch gewählt wird, unabhängig davon, ob sich das Unternehmen in staatlichem Besitz befindet oder nicht. Wir gehen davon aus, dass viele Investoren über diese Änderung nicht sein werden. Was derzeit noch nicht klar ist, ob diese Bestimmung auch darauf hindeutet, dass eine GmbH mit mehr als 300 Beschäftigten einen Vorstand einrichten muss.

 

Klare Definition der Treue- und Sorgfaltspflicht

Im Jahr 2021 erschütterte der Fall Kangmei Pharmaceuticals mit dem 2,46-Milliarden-RMB-Urteil den chinesischen Wertpapiermarkt. 13 Direktoren und Aufsichtspersonen wurden des Finanzbetrugs für schuldig befunden und hafteten daher im Falle eines Fehlbetrags zu 5 % bis 100 % gesamtschuldnerisch für Schäden, was eine Welle von Rücktritten unabhängiger Direktoren börsennotierter Unternehmen auslöste. Folgend auf die Überarbeitung des Wertpapierrechts, das vor dem Fall Kangmei Pharmaceuticals verabschiedet wurde, werden die Verantwortlichkeiten und Pflichten von Direktoren, Aufsichtspersonen und leitenden Managern (nachstehend „Management" genannt) im Änderungsentwurf klarer definiert.

 

Das geltende Gesellschaftsrecht sieht vor, dass das Management die Bestimmungen der Gesetze und Verwaltungsvorschriften sowie die Unternehmenssatzung einhält und dem Unternehmen gegenüber Treue- und Sorgfaltspflichten hat. Es fehlt jedoch eine nähere Definition dessen, was unter Treue und Sorgfalt zu verstehen ist. Obwohl es in der gerichtlichen Praxis nicht selten vorkommt, dass das Management für Verstöße gegen diese Bestimmung rechtlich haftbar gemacht wird, gibt es keine einheitliche Regelung in der Rechtsprechung, ob die Haftung für Treue und Sorgfalt zu trennen ist oder wie sie in der Praxis angewendet werden soll.

 

Der Entwurf definiert zum ersten Mal die Treue- und Sorgfaltspflicht in zwei separaten Absätzen. Die Treupflicht besagt, dass das Management keine unangemessenen Vorteile durch Ausnutzung seine Position anstreben darf, während die Sorgfaltspflicht betont, dass das Management seine Aufgaben mit der von Führungskräften normalerweise zu erwartenden angemessenen Sorgfalt zum Wohle des Unternehmens erfüllen muss. Es zeigt sich, dass die Treuepflicht eher eine passive Verpflichtung ist, während die Sorgfaltspflicht eine aktivere Verpflichtung darstellt. Im Rahmen der Treuepflicht ist das Management nicht mehr für „Nichtwissen", „Nichtbeteiligung", „Infragestellung" oder „Unprofessionalität" von der Haftung befreit und können für die Nichterfüllung oder Unterlassen der Erfüllung seiner Pflichten verantwortlich gemacht werden.

 

Darüber hinaus fallen unter die Treuepflicht nach dem geltenden Gesellschaftsrecht nur die Direktoren und leitenden Manager. Der Änderungsentwurf bezieht die Aufsichtspersonen in den Geltungsbereich mit ein, wodurch die Verantwortung des Managements vereinheitlicht wird.

 

Entschädigungspflichten von Direktoren, Aufsichtspersonen und leitenden Managern

In unserem ersten Artikel zum Änderungsentwurf des Gesellschaftsrechts in China haben wir die wesentlichen Änderungen mit Blick auf das Gesellschaftskapital und die entsprechenden Verantwortlichkeiten der Gesellschafter vorgestellt. Im Hinblick auf die Erhaltung des Gesellschaftskapitals klärt der Änderungsentwurf auch die Verantwortlichkeiten des Managements sowie seine Entschädigungs­pflichten im Falle der unvollständigen Leistung der Kapitaleinlagen, des heimlichen Kapitalabzugs, der rechtswidrigen Gewinnausschüttung, der rechtswidrigen Kapitalher­absetzung und der rechtswidrigen finanziellen Unterstützung des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen durch andere.

 

Der Änderungsentwurf sieht vor, dass das Management für Schäden haftet, beispielsweise wenn es wusste oder hätten wissen muss, dass ein Gesellschafter zum Zeitpunkt der Gründung die Kapitaleinlage nicht (vollständig) geleistet hat, es aber versäumt hat die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und der Gesellschaft dadurch Schaden entstanden ist.

 

Die wichtigsten Unterschiede zur derzeitigen Rechtslage sind:

  • Die Schadensersatzpflicht wird von Direktoren und leitenden Managern auf das gesamte Management ausgedehnt, wodurch sichergestellt wird, dass die Aufsichtspersonen ihrer Aufsichtspflicht nachkommen.
  • Der Änderungsentwurf verpflichtet das Management dazu, neben der Treue- und Sorgfaltspflicht,   „notwendige Maßnahmen zu ergreifen", wozu auch die Unterstützung des Unternehmens bei der Überprüfung der Kapitaleinlagen, das Versenden schriftlicher Mahnungen oder sogar Mitteilungen über einen Anteilsentzug an säumige Gesellschafter gehören können. –
  • Verschärfung der Verantwortung des Managements durch die Ausweitung der Entschädigungspflicht im Falle eines Kapitalabzugs von „Hilfeleistungen" - im Sinne der Treuepflicht - auf „wissen oder hätten wissen müssen" - im Sinne der Sorgfaltspflicht.

 

Für rechtswidrige Gewinnausschüttungen und Kapitalherabsetzungen,  finanzielle Unterstützung beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen durch Dritte, die gegen die Vorschriften verstoßen, sieht der Änderungsentwurf eine stärkere Verantwortung beim Management. Der Entwurf legt fest, dass das Management, das für die Verursachung von Verlusten in den obigen Situationen für das Unternehmen verantwortlich ist, schadenersatzpflichtig ist. Es wird jedoch nicht näher erläutert, in welcher Situation es „verantwortlich" gemacht werden sollte. Unserer Meinung nach sollte dies zumindest die Treue- und Sorgfaltspflicht umfassen. Das heißt, das Management darf weder aktiv zu rechtswidrigen Handlungen beitragen, noch passiv bleiben und die rechtswidrige Situation bewusst ignorieren.

 

Nicht zuletzt sieht der Änderungsentwurf eine Auffangklausel zur Entschädigung Dritter vor, die vorschreibt, dass ein Direktor oder leitender Manager im Falle eines Schadens, den er bei der Erfüllung seiner Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, gesamtschuldnerisch mit dem Unternehmen haftet.

 

Beschränkungen für verbundene Transaktionen

Auf der Grundlage des geltenden Gesellschaftsrechts stellt der Änderungsentwurf die Melde- und Beschlussfassungspflicht für verbundene Transaktionen des Managements klar und erweitert den Kreis der verbundenen Parteien. Bei Erfüllung der folgenden Voraussetzungen sind verbundene Transaktionen des Managements zulässig:

 

  • Rechtliches Verfahren:

Beabsichtigt das Management, mit dem Unternehmen direkt oder indirekt einen Vertrag abzuschließen oder eine Transaktion durchzuführen, so hat es die entsprechenden Angelegenheiten dem Vorstand oder der Gesellschafterversammlung zu melden, worauf gemäß Satzung ein Beschluss des Vorstands oder der Gesellschafterversammlung zu fassen ist.

  • Stimmenthaltung:

Der verbundene Direktor darf nicht an der Abstimmung teilnehmen und sein Stimmrecht darf bei der Beschlussverfassung des Vorstands nicht zur Gesamtzahl der Stimmen gezählt werden.

  • Definition der verbundenen Parteien:

Zu den verbundenen Parteien gehört das Management selbst, nahe Verwandte des Managements, Unternehmen, die direkt oder indirekt vom Management oder dessen nahen Verwandten kontrolliert werden, sowie alle verbundenen Parteien, die in irgendeiner anderen Beziehung zu dem Management stehen.

 

Wettbewerbsverbot

Das geltende Gesellschaftsrecht sieht vor, dass „ein Direktor oder ein leitender Manager ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder der Hauptversammlung keinen Vorteil aus seiner Position ziehen darf, um für sich oder andere der Gesellschaft zustehende Geschäftschancen zu nutzen". Der Änderungsentwurf dehnt wiederum den Begriff „Direktor oder leitender Manager" auf das gesamte Management aus und sieht drei Ausnahmesituationen vor, nämlich:

  • (I) wenn dem Vorstand oder der Gesellschafterversammlung die Geschäftschance gemeldet wurde und der Vorstand oder die Gesellschafterversammlung einen Beschluss gefasst hat;
  • (II) wenn dem Vorstand oder der Gesellschafterversammlung die Geschäftschance gemeldet wurde, der Vorstand oder die Gesellschafterversammlung diese aber ausdrücklich ablehnt; oder
  • (III) wenn das Unternehmen nach den Gesetzen, Verwaltungsvorschriften oder der Satzung eine solche Geschäftschance nicht nutzen kann.

 

Ausblick

Dieser Änderungsentwurf zeigt die Absicht des Gesetzgebers, die Pflicht und Verantwortung von Direktoren, Aufsichtspersonen und leitenden Managern in der Unternehmensführung zu bekräftigen. Wenn solche Änderungen schließlich im Gesellschaftsrecht verabschiedet werden, ist es für Unternehmen empfehlenswert, Managementregeln für das Management zu erstellen oder zu aktualisieren, die einerseits die Kriterien für die Einhaltung klären und andererseits die Grundlage für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Falle eines durch das Management aufgrund von Pflichtverletzungen verursachten Schadens für das Unternehmen oder seine Gesellschafter bilden.

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