Arbeitsrecht in Bewegung: China verschärft die Spielregeln

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 4. September 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten

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Seit dem 1. September 2025 gilt die neue Interpretation (II) des Obersten Volksgerichts zu arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Sie bringt mehr Klarheit und erhöht zugleich den Druck auf Arbeitgeber. Besonders für deutsche Mittelständler in China bedeutet das: Wer nicht vorbereitet ist, riskiert teure Nachzahlungen, ungewollte Dauerverträge oder unwirksame Wettbewerbsverbote.


 


Sozialversicherung – Das größte Haftungsrisiko

Eines der brisantesten Themen betrifft die Sozialversicherung. Das Gericht stellt klar, dass jede Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Beiträge nicht oder nur teilweise zu zahlen, ist unwirksam. Ein Mittelständler, der über Jahre zu wenig einzahlte, wurde kürzlich von den Behörden mit Millionenforderungen, Strafen und Entschädigungsansprüchen konfrontiert. Arbeitnehmer dürfen in solchen Fällen den Vertrag sofort kündigen – und zusätzlich Schadensersatz verlangen. Selbst wenn Arbeitgeber nachträglich einzahlen, bleibt das Risiko, bereits gezahlte Entschädigungen wieder einklagen zu müssen.

 

Fazit: Wer seine Sozialversicherungsprozesse nicht im Griff hat, sitzt auf einer tickenden Zeitbombe.

 

Wettbewerbsverbote – Nur noch mit Augenmaß

Auch Wettbewerbsverbots-Klauseln stehen im Fokus. Sie sind nach wie vor während und für bis zu 24 Monate nach Vertragsende zulässig, doch das Gericht schränkt sie deutlich ein: 

  • Unwirksam, wenn der Mitarbeiter keinen Zugang zu den relevanten Geschäftsgeheimnissen hatte.
  • Angemessene Reichweite: zu weit gefasste regionale oder sachliche Verbote werden gekippt.

 

Der Arbeitgeber muss während der Sperre weiterhin mindestens 30 Prozent des Durchschnittsgehalts zahlen. Verstößt der Arbeitnehmer, darf der Arbeitgeber die gezahlte Kompensation zurückverlangen und vereinbarte (pauschalierte) Vertragsstrafen einklagen.

 

Fazit: Standardklauseln reichen nicht mehr – sie müssen in jedem Einzelfall individuell angepasst und wasserdicht formuliert werden.

 

Schriftliche Verträge – Doppelte Gehälter vermeiden

Ein weiteres Einfallstor für Ansprüche auf eine Arbeitnehmerentschädigungen sind fehlende schriftliche Arbeitsverträge. Die Regel: Spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn muss ein schriftlicher Vertrag vorliegen. Andernfalls schuldet der Arbeitgeber doppeltes Gehalt.

 

Die neue Interpretation präzisiert: Schon ein unvollständiger Zeitraum von wenigen Tagen löst Ansprüche aus. Befreit wird ein Arbeitgeber nur, wenn er z.B. höhere Gewalt nachweisen kann oder der Mitarbeiter sich aktiv geweigert hat, zu unterschreiben. Die Beweislast trägt allerdings der Arbeitgeber.

 

In bestimmten Fällen verlängert sich der Vertrag automatisch, z. B. bei Krankheit, Schwangerschaft, Arbeitsunfall oder wenn Mitarbeiter kurz vor der Rente stehen. Das Gericht stellt klar: Diese automatische Verlängerung darf dann aber nicht als „Versäumnis“ des Arbeitgebers gewertet werden – hier droht kein doppeltes Gehalt.

 

Unbefristete Verträge – Ungewollte Dauerbindungen

Auch beim Thema unbefristete Verträge schafft die Auslegung Klarheit. Grundsätzlich gilt: 

  • Nach zwei befristeten Verträgen entsteht ein Anspruch auf einen unbefristeten Vertrag.
  • In bestimmten Fällen werden auch (automatische) Verlängerungen oder Umgehungskonstruktionen so behandelt.
  • Selbst wenn ein Vertrag formal mit einem anderen Arbeitgeber neu abgeschlossen wird, um die Pflicht zu umgehen, erkennen Gerichte dies – und zwingen den Arbeitgeber in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis.

 

Fazit: Arbeitgeber müssen ihre Vertragsstrategie überdenken – Tricksereien werden durchschaut.

 

Wiedereinstellung nach Kündigung: Nicht immer möglich

Grundsätzlich können Arbeitnehmer bei einer rechtswidrigen Kündigung Wiedereinstellung verlangen. Doch das Gericht definiert Fälle, in denen dies objektiv unmöglich ist: 

  • wenn das Unternehmen insolvent oder aufgelöst ist,
  • wenn der Arbeitnehmer bereits eine Rente erhält,
  • wenn er/sie inzwischen bei einem anderen Arbeitgeber arbeitet und die Rückkehr unzumutbar ist.

 

In diesen Fällen trifft den Arbeitgeber aber die eine doppelte gesetzliche Abfindung.

 

Lohnfortzahlung: Teure Prozesse

Die neue Interpretation verschärft die Kostenrisiken: Wird ein Mitarbeiter illegal gekündigt, hat er Anspruch auf Lohnzahlung bis zum Tag vor seiner Wiedereinstellung. Prozesse, die sich über Monate oder Jahre ziehen, können so zu massiven Belastungen führen.

 

Fristenfalle: Verjährung im Schiedsverfahren geltend machen

Arbeitsrechtliche Ansprüche verjähren grundsätzlich nach einem Jahr. Die Auslegung stellt klar, dass einjährige Verjährungsfrist nur wirksam sein kann, wenn sie bereits im Arbeitsschiedsverfahren geltend gemacht wird. Wer diesen Moment verpasst, verliert das Recht, dies später im Gerichtsverfahren vorzubringen. Selbst im Berufungsverfahren oder in einer Wiederaufnahme ist die Möglichkeit dann verloren.

 

Mehrfachanstellungen und Unterlieferanten

Ein besonders heikler Bereich betrifft Arbeitnehmer, die gleichzeitig für mehrere verbundene Unternehmen tätig sind, oder Konstellationen mit nicht zugelassenen Unterlieferanten. Das Gericht macht klar: 

  • Das jeweils qualifizierte Unternehmen bleibt verantwortlich – für Gehälter, Sozialversicherung und Unfälle.
  • Selbst wenn interne Vereinbarungen zwischen Gesellschaften bestehen, schützen diese nicht automatisch vor Haftung, wenn sie nicht sauber vertraglich fixiert sind.


Ausländische Mitarbeiter: was reicht für ein Arbeitsverhältnis aus

Die Auslegung bestätigt implizit, dass ausländische Arbeitnehmer mit einer chinesischen Green Card keine zusätzliche Arbeitserlaubnis benötigen. Damit wird eine bisher unsichere Praxis eindeutig klargestellt.

 

Handlungsempfehlungen

Seit dem 1. September 2025 gelten damit schärfere Regeln. Das schon sehr arbeitnehmerfreundliche chinesische Arbeitsrecht verschärft die Compliance-Anforderungen an Arbeitgeber deutlich. Sozialversicherung, Wettbewerbsverbote und Arbeitsverträge stehen unter besonderer Beobachtung. Auch bei Kündigungen und arbeitsrechtlichen Prozessen bringt die am 1. September 2025 in Kraft getretene Interpretation Änderungen. Sie betreffen z.B. Lohnfortzahlung, Wiedereinstellung, Verjährung und die mögliche Haftung bei Mehrfachanstellungen. Für ausländisch investierte Unternehmen in China bedeutet das: höhere Kosten, strengere Vorgaben und weniger Spielraum.

 

Unser Rat: Prüfen Sie Ihre Vertragsmuster, Sozialversicherungsprozesse und HR-Richtlinien noch heute. Wir helfen Ihnen, Risiken frühzeitig zu erkennen und Streitigkeiten zu vermeiden. Die neuen Regeln machen Kündigungen und Prozesse riskanter. Schon kleine Fehler bei Fristen oder Strukturfragen können zu hohen Kosten führen. Unternehmen sollten daher rechtliche Begleitung bei Kündigungen, Restrukturierungen und Mehrfachanstellungen einholen. Wir unterstützen Sie, Verfahren rechtssicher zu steuern und Haftungsfallen zu vermeiden.

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