Navigieren im Labyrinth: Chinas verschärftes Gesellschafts- und Strafrecht

PrintMailRate-it

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 8​. April 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Der chinesische Gesetzgeber hat am 29. Dezember 2023 die letzte Änderung des Gesellschaftsgesetzes der Volksrepublik China erlassen, die am 1. Juli 2024 in Kraft tritt („Neues Gesellschaftsgesetz“). Bei dieser Gelegenheit beschloss der Gesetzgeber auch eine Änderung des Strafgesetzes, dessen Änderung XII am 1. März 2024 in Kraft trat („Änderung XII des Strafgesetzes“).


 ​

Das neue Gesellschaftsrecht erlegt Direktoren, leitenden Angestellten, Aufsichtspersonen, Gesellschafter und tatsächlich Beherrschenden im Vergleich zum geltenden Gesellschaftsrecht größere Verpflichtungen und potenzielle Haftungen auf. 

Laut Gesetz umfasst der Begriff „leitende Angestellte“ den (General- oder Gesellschafts-) Manager, den stell­vertretenden Manager, den Finanzchef und jedes andere Organ, das in der Satzung als „leitender Ange­stellter“ bezeichnet wird. „Beherrschender Gesellschafter“ ist ein Gesellschafter, dessen Kapitaleinlage 50 Prozent oder mehr des gesamten eingetragenen Kapitals ausmacht. Alternativ kann das auch der Fall sein, wenn die Stimm­rechte ausreichen, um einen wesentlichen Einfluss auf die Beschlüsse der Gesell­schafter­ver­sammlung aus­zu­üben. Ein „tatsächlich Beherrschender“ ist im weitesten Sinne jede Person, die durch eine In­ves­ti­tions­beziehung, einen Vertrag oder eine andere Vereinbarung eine tatsächliche Kontrolle über die Gesellschaft ausüben kann. Eine „Beziehung zwischen nahestehenden Personen“ liegt vor, wenn:
  • ​ein beherrschender Gesellschafter, ein tatsächlich Beherrschender, ein Direktor, eine Aufsichtsperson oder ein leitender Angestellter einer Gesellschaft mit 
  • einer von dieser Person direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaft in Verbindung steht oder wenn eine andere Beziehung besteht, die zu einer Übertragung von Interessen an der Gesellschaft führen kann.


Treue- und Sor​gfaltspflicht in China

Treuepflicht im neuen Gesellschaftsrecht 

Das neue Gesellschaftsrecht definiert zum ersten Mal die Begriffe „Treuepflicht“ und „Sorgfaltspflicht“. 

Die erweiterte „Treuepflicht“ konzentriert sich auf die Vermeidung von Interessenkonflikten. Sie bedeutet, dass alle Direktoren, leitenden Angestellten, Aufsichtspersonen, beherrschende Gesellschafter und tatsächlich Beherrschende, Maßnahmen ergreifen müssen, um Konflikte zwischen ihren persönlichen Interessen und den Interessen der Gesellschaft zu vermeiden. Sie dürfen ihre Position oder Macht nicht für unangemessene Ge­winne ausnutzen. Weitere Einzelheiten können z.​B. in internen Vorschriften wie einem Verhaltenskodex, einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung oder einem Mitarbeiterhandbuch festgelegt werden. In solchen internen Regelungen können auch zulässige Tätigkeiten und die Verfahren zur Lösung von festgestellten oder vermuteten Interessenkonflikten vorgesehen werden. Dies kann zur Nichtbeteiligung an entsprechenden Ent­scheidungen oder Genehmigungen führen.

​​ 
​Gesetzliche Verbote/​Verpflichtungen (Beispiele)
​​​​​​Gesellschafter

​​


​​​

​Verbot der Schädigung der Interessen der ​Gesellschaft oder der Interessen anderer Gesellschafter.
​​   Verbot der unrechtmäßigen Entnahme/Minderung von Kapitaleinlagen,     unrecht­mäßi​ge Gewinnausschüttung.
   ​​​Verbot, Zahlungen gegenüber Gesellschaftsgläubigen auszuweichen, indem     der Status einer unabhängigen juristischen Person oder der ​beschränkten ​               Haftung der Gese​llschafter missbraucht wird.
   ​​Verbot der Teilnahme an Abstimmungen als Gesellschafter über die Gewährung       einer Garantie an den Gesellschafter/an den die Gesellschaft tatsächlich               ​  Beherrschenden.
​Direktoren, leitende Ange​­stellte, Aufsichts­personen, beherrschende Gesellschafter und tatsächlich Be​​herr­schende 
​Verbot der Schädigung der Interessen der Gesellschaft durch Ausnutzung einer Beziehung zu einer nahestehenden Person.
​​​Direktoren, leitende An­ge­stellte, Aufsichts­personen






​Verpflichtung zur Meldung von Transaktionen an ein übergeordnetes Organ und zur Einholung einer vorherigen Genehmigung, wenn die Transaktion zwischen 
  • ​der Gesellschaft und 
  • den Direktoren, leitenden Angestellten und Aufsichtspersonen selbst oder ihren „nahen Verwandten“ oder Unternehmen, die von einem von ihnen kon­trolliert werden, oder Parteien, die mit den Direktoren, leitenden Ange­stellten oder Aufsichtspersonen in einer Beziehung stehen.
   Verpflichtung, Geschäftsmöglichkeiten der Gesellschaft weder für sich noch für       andere auszunutzen, sofern nicht bestimmte Ausnahmen gelten.
   ​Verbot, mit der Gesellschaft direkt oder indirekt zu konkurrieren, es sei denn, es     liegt eine Genehmigung eines übergeordneten Gesellschaftsorgans vor.
   ​Ausdrückliches Verbot: 
  • ​Firmeneigentum oder Firmengelder zu veruntreuen
  • Gesellschaftsgelder auf eigene oder fremde Konten umzuleiten
  • sich an Bestechung zu beteiligen oder illegale Einkünfte anzunehmen
  • persönlich Provisionen für Gesellschaftstransaktionen anzunehmen 
  • vertrauliche Gesellschaftsinformationen ohne Genehmigung weiterzugeben
​​Direktoren


 
​Verbot der Teilnahme an Abstimmungen von Direktoren mit Beziehungen zu nahestehenden Personen.
   ​Verpflichtung, die Einzahlung des Stammkapitals zu überprüfen und die ​​​           Gesellschaft zu veranlassen, säumige Gesellschafter schriftlich zur Einzahlung       aufzufordern.
​Gese​tzlicher Vertreter (kann ein Direktor oder ein Manager sein)
​Verbot, anderen bei der Ausübung der Tätigkeit Schaden zuzufügen​.​


Sorgfaltspflicht im neuen Gesellschaftsrecht

In Bezug auf die „Sorgfaltspflicht“ legt das neue Gesellschaftsrecht fest, dass Direktoren, leitende Angestellte, Aufsichtspersonen, beherrschende Gesellschafter und tatsächlich Beherrschende bei der Erfüllung ihrer Pflichten mit angemessener Sorgfalt vorgehen müssen. Sie sollten so handeln, wie es ein normaler, umsichtiger Angestellter tun würde, um sicherzustellen, dass er/sie im besten Interesse der Gesellschaft handelt. Diese ausdrückliche Sorgfaltspflicht kann als beträchtlicher Fortschritt im chinesischen Recht angesehen werden, aber ihre genaue Definition und ihre Grenzen werden in der gerichtlichen Praxis noch weiter geprüft werden müssen. Die Sorgfaltspflicht besteht auch dann, wenn Anweisungen von einer höheren Stelle erteilt werden: Ein Direktor oder leitender Angestellter ist ausdrücklich nicht von seiner persönlichen Haftung befreit, wenn er sich darauf beruft, dass er nur die Anweisungen eines kontrollierenden Gesellschafters oder tatsächlich Beherrschenden befolgt hat. In diesem Fall haftet der Direktor oder leitende Angestellte gesamtschuldnerisch mit dem beherrschenden Gesellschafter oder dem tatsächlich Beherrschenden.

Dementsprechend sieht das neue Gesellschaftsrecht auch verschiedene Haftungsmöglichkeiten vor.


​Mögliche gesetzliche Haftungen (Beispiele)
​​​Gesells​chaft

​Zivilrechtliche Haftung für Schäden, die ein gesetzlicher Vertreter, ein Direktor oder ein leitender Angestellter in Ausübung seines Amtes anderen zufügt.
​   Unterschiedlic​h hohe Geldbußen bei verschiedenen Verstößen gegen ​​die               Rechtsvorschriften.
   ​Entzug der Geschäftslizenz im Falle einer schwerwiegenden illegalen ​                     Tätig­keit im Namen der Gesellschaft, welche die nationale Sicherheit oder die     sozialen oder öffentlichen Interessen gefährdet.
​​​​Gesellschafter​

​ ​
​Entschädigung der Gesellschaft oder anderer Gesellschafter für Schäden, die der Gesellschaft oder anderen Gesellschaftern durch den Missbrauch von Gesellschafterrechten entstanden sind.
​   Gesamtschuldnerische Haftung für die Schulden der Gesellschaft im ​​Falle der     Umgehung von Schuldzahlungen durch Missbrauch des Status einer ​                     unab­hängigen juristischen Person oder der beschränkten Haftung der                    Gesell­schafter.
​   Rückgabepflicht für unrechtmäßig entnommene/herabgesetzte ​Kapital​­-                 einlagen, unrechtmäßig ausgeschüttete Gewinne.
   ​Unterschiedlich hohe Geldbußen bei verschiedenen Verstößen gegen die               Rechtsvorschriften.​
​Direktoren, leitend​​e An­ge​­stellte, Aufsichtspersonen



​Entschädigung der Gesellschaft für Verluste, die der Gesellschaft durch die Verletzung von Gesetzen, Vorschriften oder der Satzung bei der Ausübung seiner Tätigkeit entstehen.
   ​Gesamtschuldnerische Haftung der verantwortlichen Direktoren, leitenden           Angestellten und Aufsichtspersonen für den Fall, dass ein Gesellschafter             unrechtmäßig seine Kapitaleinlage zurückzieht/verringert, unrechtmäßig ​               Gewinne erzielt und dadurch der Gesellschaft Verluste zufügt.
​​Direktoren, leitende An­ge­stellte (aber nicht Auf­sichts­personen)


​Schadensersatzpflicht für Schäden, die anderen durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Direktors oder leitenden Angestellten zugefügt wurden.
​   Klage der Gesellschafter möglich bei Schädigung der Gesellschafters​​­   interessen durch Verletzung von Gesetzen, Vorschriften oder der Satzung        ​​  durch ​Direktoren oder leitende Angestellte.
​Direktoren

​Schadensersatzpflicht für Verluste, die der Gesellschaft durch die Nicht​­ein­haltung der Pflicht zur Überprüfung der Einlage des Stammkapitals und zur Veranlassung einer schriftlichen Aufforderung durch die Gesellschaft an den säumigen Gesellschafter entstehen.
​​Beherrschende Gesell­schafter, tatsächliche Be­herrschende, Direktoren, leitende Angestellte, Auf­sichts­personen​


​Schadensersatzpflicht für Schäden, die der Gesellschaft durch die Ausnutzung einer Beziehung zu einer nahestehenden Person entstehen.
​   Gesamtschuldnerische Haftung für den Fall, dass ein beherrschender                   Gesell­schafter oder ein tatsächlich Beherrschender der Gesellschaft einen           Direktor oder einen leitenden Angestellten anweist, sich an Handlungen zu           beteiligen, die den Interessen der Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter               schaden.
​Unmittelbar ver­ant­wortliche Führungskräfte und andere unmittelbar verantwortliche Mitarbeiter
​Unterschiedlich hohe Geldbußen bei verschiedenen Verstößen gegen die Rechtsvorschriften.
​Gesetzlicher Vertreter (Legal Representative) 
​Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft, wenn die Gesellschaft die zivilrechtliche Haftung für Schäden übernommen hat, die anderen durch das Verschulden des gesetzlichen Vertreters zugefügt wurden.
​Liquidatoren (Direktoren oder andere in der Satzung vorgesehene oder von der Gesellschafterversammlung gewählte Personen)
​Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft oder ihren Gläubigern, wenn die Liquidatoren ihren Liquidationspflichten nicht rechtzeitig nach­kommen.

Änderung des Strafgesetzes

Neben dem neuen Gesellschaftsgesetz sollte auch die Änderung XII des Strafgesetzes berücksichtigt werden. Eine der wichtigsten Änderungen betrifft die Ausweitung des Anwendungsbereichs verschiedener Korruptions- und Bestechungsdelikte auf Mitarbeiter von Privatunternehmen. Zuvor galten diese Straftaten nur für Mitarbeiter ein Staatsunternehmen. Die folgenden Straftatbestände sind besonders erwähnenswert:


​​Mögliche strafrechtliche Haftung (Beispiele)​​
​​Dir​ektoren, leit​ende Angestellte, Aufsichtspersonen
​Ausnutzung der Stellung im Unternehmen, um selbst oder durch einen Dritten dieselben Geschäfte wie die Gesellschaft des Arbeitgebers zu be­treiben und dadurch Gewinne zu erzielen.
​Mitarbeiter
​​​​Verursachung schwerer Verluste für die Gesellschaft durch
  • ​​Übergabe der Leitung des rentablen Unternehmens des Arbeitgebers an Verwandte oder Freunde
  • ​von einem Unternehmen, das von Verwandten oder Freunden geführt wird, Waren zu einem Preis zu erwerben oder Dienst­leistungen zu akzeptieren, die offensichtlich über dem Markt­preis liegen, oder Waren an dieses Unternehmen zu verkaufen oder Dienstleistungen zu einem Preis anzubieten, die offen­sichtlich unter dem Marktpreis liegen
  • ​​den Kauf oder die Annahme von Waren oder Dienstleistungen, die nicht den Standards entsprechen, von einem Unter­nehmen, das von Verwandten oder Freunden geführt wird
​Unmittelbar verantw​ortliches Führungspersonal
​​Begünstigung durch die Umwandlung von Vermögenswerten der Gesellschaft in Eigenkapital zu einem niedrigen Preis oder deren Verkauf zu einem niedrigen Preis, wodurch der Gesellschaft ein schwerer Verlust entsteht.

In verschiedenen anderen Strafvorschriften über Korruption und Bestechung wurden Möglichkeiten zur Ver­hängung (zusätzliche) Geldstrafenund der Strafrahmen für Freiheitsstrafen erweitert. Nach Inkrafttreten dieser Änderung können höhere Freiheitsstrafen verhängt werden.

Unsere wichtigsten Empfehlungen​

  • ​Halten Sie sich auf dem Laufenden über alle Compliance-Verpflichtungen, potenziellen Risiken und recht­lichen Konsequenzen bei Verstößen gegen das Gesellschaftsgesetz, das Strafgesetz sowie andere Gesetze und Vorschriften. Es ist zu erwarten, dass der chinesische Gesetzgeber noch einige offene Fragen klären wird. 
  • Ergreifen Sie proaktive Initiativen, um zu prüfen, ob Satzungen, interne Regelungen wie Geschäfts­ordnungen, Mitarbeiterhandbücher, Compliance-Verhaltenskodizes und Arbeitsverträge von leitenden An­ge­stellten mit der neuen Rechtslage übereinstimmen. Ziehen Sie im Einzelfall einen entsprechenden „Health Check“ mit Unterstützung von Rechtsexperten in Betracht. Passen Sie diese internen Dokumente bei Bedarf ent­sprechend an, und sorgen Sie dafür, dass die betroffenen Personen entsprechend geschult werden. Lassen Sie sich die Akzeptanz und Anerkennung der geänderten internen Regeln schriftlich von den betroffenen Personen bestätigen.
  • Regelmäßige Überwachung und Verbesserung der tatsächlichen Umsetzung in der täglichen Arbeit und Ver­waltung der Gesellschaft. 
  • Prüfen Sie den Abschluss einer D&O-Versicherung bei einer qualifizierten Versicherungsgesellschaft oder passen Sie die bestehende Police an, um den erweiterten Haftungsumfang infolge der Umsetzung des neuen Gesellschaftsrechts abzudecken. 
 
Im neuen Gesellschaftsrecht wird zum ersten Mal eine Haftpflichtversicherung für Direktoren (nicht für leitende Angestellte und Aufsichtspersonen) erwähnt. Viele multinationale Unternehmen unterhalten bereits ein globales Versicherungssystem, das ihre Tochtergesellschaften weltweit, auch in China, abdeckt. Mehrere große chinesische Versicherungsgesellschaften bieten auch Directors' and Officers' Insurance (D&O-Ver­sicherung) für den chinesischen Markt an. Wenn ein Unternehmen eine Haftpflichtversicherung abschließt oder die Versicherung für Direktoren erneuert, muss der Vorstand (Board of Directors) nach dem neuen Ge­sell­schafts­ge­setz der Gesellschafterversammlung über die Versicherungssumme, den Versicherungsschutz, die Prämie usw. dieser Versicherung Bericht erstatten. 

In der Regel deckt die D&O-Versicherung nur einfache fahrlässige Fehler bei der Erfüllung gesellschafts­be­zo­gener Pflichten. Der Versicherungsschutz für z.B. betrügerische, vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen ist normalerweise ausgeschlossen. Zusätzlich kann sich die Gesellschaft noch mit einer Vertrauens­schadens­ver­sicherung vor Vermögensschäden schützen, die durch kriminelle Handlungen von Mitarbeitenden vor­sätzlich verursacht werden.​
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu