Covid-19: Aktuelle rechtliche Maßnahmen in der Türkei

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veröffentlicht am 31. März 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Die Türkei ist mit diversen Maßnahmen bemüht, die Zahl der Infizierten so gering wie möglich zu halten. Nach dem Stand vom 29. März 2020 sind insgesamt 9.217 Menschen infiziert. Davon sind bisher 105 Menschen genesen und 131 gestorben. Ein Lockdown ist noch nicht eingetreten. Für einige Großstädte, darunter Istanbul, Izmir und Ankara, unterliegt der InterCity Verkehr zwischenzeitlich der Erlaubnis des jeweiligen Gouverneurs. Der Flugverkehr nach und aus dem Ausland ist größtenteils aufgehoben. Mit verschiedenen Maßnahmen regt die Regierung Menschen dazu an, zu Hause zu bleiben. Die Auswirkungen der restriktiven und präventiven Maßnahmen gegen die Covid-19-Epidemie auf die Unternehmensaktivitäten in der Rolle des Arbeitgebers werden wie folgt kurz zusammengefasst.

 

 

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Zu der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zählt es, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die der Arbeitssicherheit und -gesundheit dienen. Die Pandemie als „zwingender Grund“ für arbeitsrechtliche Maßnahmen stößt bei vielen Arbeitgebern auf Unsicherheit in der Einführung von gebotenen Regelungen, da das materielle Gesetz diesbezüglich unbestimmt ist.
 

Homeoffice nach türkischem Arbeitsrecht

Das türkische Arbeitsrecht regelt, wenn auch im geringen Maße, den Fall des Homeoffice. Grundsätzlich erfordert die Änderung des Arbeitsplatzes die Zustimmung des Arbeitnehmers. Im Falle der Maßnahmen zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer und des Allgemeinwohls handelt im Falle des Covid-19 der Arbeitgeber jedoch aus seiner Fürsorgepflicht und seinem Direktionsrecht heraus, so dass er die Änderung mit entsprechender Mitteilung anweisen kann.
 

Vergütung im Falle von Homeoffice

Solange die Arbeitnehmer auch im Homeoffice mit den regulären Arbeitszeiten arbeiten, ist das volle Gehalt zu zahlen. Während die Umstellung auf Homeoffice im Rahmen des Direktionsrechts ausgeübt werden kann, unterliegt die Umstellung auf Teilzeit der Zustimmung des Arbeitnehmers. In diesem Falle muss der Arbeitnehmer schriftlich sein Einverständnis erklären.
 

Inanspruchnahme des bezahlten Jahresurlaubs

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Zeiten für den Urlaub zwar bestimmen, es liegt jedoch im Ermessen des Arbeitnehmers den Urlaub zu beantragen. Da Covid-19 nach allgemeiner Ansicht jedoch unter „zwingender Grund“ subsumiert wird, kann der Arbeitgeber auch im Lichte der Empfehlung der Regierung, zu Hause zu bleiben, die Inanspruchnahme des bezahlten Urlaubs anordnen, wenn andere Maßnahmen (etwa Homeoffice) nicht möglich sind.
 
Der Arbeitgeber kann im Übrigen für die Zeit zwischen Anfang April und Ende Oktober einen kollektiven Urlaub für alle oder einen Teil der Arbeitnehmer veranlassen.  


Inanspruchnahme des unbezahlten Urlaubs

Unbezahlter Urlaub erfordert das schriftliche Einverständnis des Arbeitnehmers, er kann nicht einseitig angeordnet werden. Andernfalls begründet die Anordnung des unbezahlten Urlaubs einen berechtigten Kündigungsgrund mit Abfindungsanspruch für den Arbeitnehmer.
 

Kurzarbeit

Die Kurzarbeit kommt dann zum Tragen, wenn aufgrund allgemeiner wirtschaftlicher, sektoraler, regionaler Krisen oder zwingender Gründe wie

  • vorübergehende Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um mindestens ein Drittel oder
  • Einstellung der Tätigkeit am Arbeitsplatz ganz oder teilweise für mindestens vier Wochen

gegeben ist.  In diesem Falle wird dem versicherten Arbeitnehmer Unterstützung aus der Arbeitslosen­versicherung für den beantragten Zeitraum gewährt. Dieser Zeitraum darf jedoch derzeit drei Monate nicht überschreiten. Die Konditionen für den Anspruch auf Kurzarbeit wie auch die Prozedur vor der Arbeitsagentur wurden im Rahmen der Covid-19 Maßnahmen vereinfacht. Die Beantragung erfolgt z.B. auf dem Online-Portal der Arbeitsagentur. Wird nicht Teilzeit gearbeitet, erfolgt vielmehr eine vorübergehende Schließung aufgrund vorgenannter Gründe, trifft den Arbeitgeber für diese Zeit keine Lohnfortzahlungspflicht. Der Arbeitnehmer erhält lediglich das staatliche Kurzarbeitsentgelt.
 

Nachholarbeit

Sofern es aus zwingenden Gründen zum Stillstand der Arbeit kommt, kann der Arbeitgeber die Nachholung der Arbeit anordnen. Die Nachholarbeit kann  zwischenzeitlich innerhalb von vier Monaten erfolgen, nachdem der Grund, der zum Stillstand führte, aufgehoben ist. Die Nachholarbeit erfolgt im Rahmen von Überstunden und darf täglich nicht drei Stunden sowie insgesamt die allgemeine tägliche Arbeitszeit von elf Stunden nicht überschreiten.
 

Kündigungsrecht

Die Kündigung ist stets als ultima ratio zu bewerten. Allein das Vorliegen des zwingenden Grundes begründet kein allgemeines Kündigungsrecht. Daran sind weitere restriktivere Konditionen geknüpft. Soweit diese erfüllt sind, begründet die Kündigung sämtliche Ansprüche darunter auch Abfindung. Für infizierte Mitarbeiter gelten im Übrigen für Infektionskrankheiten Sondergesetze. Das Fernbleiben von der Arbeit im Rahmen von Quarantäne Maßnahmen begründet ebenso kein allgemeines Kündigungsrecht des Arbeitnehmers.

Grundsätzlich müsste für die Kündigung aus gesundheitlichen Gründen der Mitarbeiter über eine Dauer von der für ihn geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist zuzüglich weiterer sechs Wochen die Arbeit aufgrund Erkrankung nicht aufnehmen können.
 

Sonstige Maßnahmen

Die Regierung hat verschiedene Pakete in Zusammenhang mit den Covid-19 Maßnahmen veröffentlicht. Zuletzt wurde sowohl der Nahverkehr wie auch der InterCity Verkehr eingeschränkt, der Luftverkehr ist großenteils aufgehoben. Begünstigungen in Zusammenhang von Krediten (auch für Endverbraucher) zur Stabilisierung der Wirtschaft, Aufschub von Terminen für die Steuererklärungen und-zahlungen ebenso für die Sozial­versicherungs­prämien, Aussetzen von Räumungsklagen und Vollstreckungsmaßnahmen, Hemmung von gesetzlichen Fristen, Aufhebung von Gerichts- und Vollstreckungsterminen bis vorerst zum 30. April 2020 sind weitere Reaktionen auf die Auswirkungen der Pandemie. Eine allgemeine Ausgangssperre wurde bisher nicht angeordnet, allerdings ist die Ansammlung von Menschen, das Verweilen in Picknick- und Parkanlagen, das Verlassen der Wohnung für Menschen ab 65 Jahren sowie für chronisch Kranke grundsätzlich verboten. Auch ist der Publikumsverkehr bei der Verwaltung deutlich eingeschränkt. Für die Abhaltung der Gesellschafter­versammlungen/Hauptversammlungen im elektronischen Umfeld sind zwar neue Regelungen eingeführt worden, allerdings sind dort noch einige Hürden zu überwinden. Im Lichte der weiteren Entwicklung der Infektionssituation können weitergehende Maßnahmen ergriffen werden.

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