ESRS Governance: Unternehmenspolitik & -kultur, Lieferantenbeziehungen, Anti-Korruption & Co.

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veröffentlicht am 16. August 2023 I Lesedauer ca. 4 Minuten


Corporate Governance stand bisher insbesondere bei großen, börsennotierten Gesellschaften im Fokus. Von der CSRD betroffene Unternehmen müssen künftig im Bereich Governance nachziehen und entsprechende Strukturen schaffen. Das Hauptziel von ESRS G1 ist es, Unternehmen klar definierte Offenlegungspflichten in Bezug auf Unternehmenspolitik („Business Conduct”) vorzugeben. Diese sollen es den Nutzern von Nachhaltigkeitsberichten ermöglichen, die Strategien, Vorgehensweisen, Prozesse und Verfahren eines Unternehmens besser zu verstehen, insbesondere in Bezug auf Geschäftspraktiken und deren Auswirkungen. In diesem Artikel erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Inhalte des Governance-Standards.​


AUFBAU UND STRUKTUR DES GOVERNANCE-STANDARDS

Grund­sätzlich bezieht sich der Begriff „Governance” im Sinne der ESRS auf die Art und Weise, wie Unter­nehmen nachhaltig­keits­bezogene Auswirkungen, Risiken und Chancen überwachen, verwalten und beauf­sichtigen. Im Rahmen der Governance legt ein Unternehmen die Verfahren, Kontrollen und Vorgänge fest, nach denen es funktioniert und Entscheidungen trifft. Konkret geht es dabei etwa um die Verteilung von Verantwort­lichkeiten, die Schaffung von klaren Kommuni­kations­kanälen, die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften sowie die Sicher­stellung von Integrität und Verantwort­lichkeit auf allen Ebenen des Unternehmens. Wesent­liche Bestand­teile guter Governance-Strukturen sind beispiels­weise das Risiko- und das Compliance-Manage­ment-System sowie das interne Kontrollsystem (IKS). Weiterhin werden Verfahren zur Erfüllung der Sorgfalts­pflicht (Due-Diligence-Prozesse), Anreizsysteme sowie die Rollen und Zuständigkeiten der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichts­organe gemeinhin dem Überbegriff „Governance” zugeordnet. Diese grundlegenden Aspekte werden im Querschnittstandard ESRS 2 behandelt, der insgesamt fünf Governance-bezogene Angabepflichten enthält (ESRS 2 GOV-1 bis ESRS 2 GOV-5).

Davon abzugrenzen ist der separate Governance-Standard G1, der in diesem Artikel beleuchtet wird. Dieser zielt explizit auf Themen zur Unternehmensführung ab. Die Grafik zeigt, welche konkreten Themen im vergleichsweise schlanken Standard zur Unternehmenspolitik adressiert werden.

DIE WICHTIGSTEN INHALTE IM ÜBERBLICK

Genau wie bei den Umweltstandards werden im Rahmen der Berichter­stattung zur Unternehmenspolitik ergänzende themenspezifische Informa­tionen zum Wesent­lichkeitsanalyseprozess (ESRS 2 IRO-1) verlangt. Das Unternehmen muss dabei offenlegen, welche relevanten Kriterien – bei­spiels­weise Standort, Sektor oder Tätigkeit – bei der Ermittlung und Bewer­tung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammen­hang mit der Unternehmenspolitik berück­sichtigt wurden. Hierbei ist zu beachten, dass diese Information zwingend in der Nachhaltig­keitserklärung enthalten sein muss, unabhängig davon, ob sich der Gover­nance-Standard G1 während der Analyse als wesentlich herauskristallisiert hat.

Im Vergleich zu den anderen themenbezogenen Standards aus den Bereichen Umwelt und Soziales enthält der Governance-Standard zur Unternehmenspolitik keine expliziten Verweise auf die Mindest­anga­bepflichten (MDRs) des ESRS 2 und entsprechend keine konkreten Angabepflichten zu Governance-bezogenen Maßnahmen und Zielen. Diesbe­züglich geforderte Datenpunkte wurden stattdessen direkt in thematische Angabepflichten integriert und unterscheiden sich damit hinsichtlich der strukturellen Einbettung und Berichterstattungsebene von den anderen themenbezogenen Standards. Lediglich die ebenfalls standard­übergreifend zu berichtenden Strate­gien, hier in Bezug auf die Unternehmenspolitik und Unternehmenskultur, werden in einer separaten Angabe­pflicht adressiert (G1-1). An dieser Stelle wird jedoch mit der Unternehmens­kultur, der Einrichtung und Kommu­nikation interner Hinweisgebersysteme, ggf. vorhandenen Tierschutz­strategien sowie Schulungen in Bezug auf Unternehmenspolitik eine vergleichsweise hohe Bandbreite an verschiedenen Themen innerhalb einer einzel­nen Angabepflicht abdeckt. Im Gegensatz dazu stellen Lieferan­tenbeziehungen (G1-2) sowie politische Ein­flussnahme und Lobbyingtätigkeiten (G1-5) separate Angabe­pflichten dar, sind jedoch hinsichtlich der jeweils geforderten qualitativen Datenpunkte eher schmal gehalten.

Ein zentrales Ziel des Governance-Standards ist die transparente Berichterstattung über die Verhinderung und Aufdeckung von Korruption und Bestechung sowie der Umgang mit derartigen Vorfällen. So müssen etwa entsprechende Verfahren, Prozesse zur Berichterstattung an die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens sowie präventive Schulungsprogramme detailliert beschrieben werden. Neben zahlreichen qualitativen Informationen fordern die beiden Angabepflichten zum Themenkomplex Korruption und Beste­chung mit der Anzahl der Verurteilungen für Verstöße gegen die Gesetze zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung sowie der Höhe der Geldstrafen für diese Verstöße auch die Offenlegung zweier quantitativer Datenpunkte. Grundsätzlich hält sich die Anzahl der zu berichtenden quantitativen Kennzahlen im Standard zur Unternehmenspolitik jedoch in Grenzen. Neben den bereits genannten Datenpunkten müssen lediglich einige wenige Kennzahlen zu politischer Einflussnahme und Lobbyingtätigkeiten (G1-5) sowie Zahlungspraktiken (G1-6) offengelegt werden. Hierzu gehört etwa der gesamte monetäre Wert der von dem Unternehmen direkt und indirekt geleisteten finanziellen Beiträge und Sachleistungen zur Politik oder die durchschnittliche Zeit in Tagen, die das Unternehmen für die Begleichung einer Rechnung benötigt. Im Vergleich zu den Umwelt- und Sozialstandards ist der Datenerhebungsaufwand als geringer einzuschätzen. Jedoch stellt dieser Standard die mittelständisch geprägten Unternehmen nun vor die Herausforderung, ihre bestehenden Corporate Gover­nance-Strukturen auszubauen sowie entsprechende Führungs- und Überwachungsstrukturen zu schaffen, die auf die Sicherstellung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung abzielen.

AUSBLICK 

Im Vergleich zu den Umwelt- und Sozialstandards der ESRS lassen sich die Offenlegungsanforderungen des Governance-Standards für die meisten Unternehmen vermutlich schneller und effizienter in die Nachhaltig­keitsberichterstattung integrieren. Dies ist neben der verhältnismäßig geringen Anzahl an Angabepflichten und Datenpunkten vor allem der Tatsache geschuldet, dass für viele der adressierten Themen, beispielsweise Korruption und Bestechung, oft auch in mittelständischen Unternehmen bereits entsprechende Ansätze oder gar ausgereifte Prozesse vorhanden sind. Darüber hinaus sind die geforderten quantitativen Datenpunkte größtenteils zentral verfügbar und müssen nicht zunächst aufwändig von einzelnen Gesellschaften eingesam­melt werden. Dennoch sollten sich Unternehmen, gerade auch im Hinblick auf die allgemeinen Governance-bezogenen Angabepflichten des ESRS 2, rechtzeitig intensiv mit ihren Governance-Strukturen, Prozessen, Verfahren und Zuständigkeiten auseinandersetzen. Hierbei kann es helfen, zunächst die konkreten Anforde­rungen und Inhalte des Standards zu analysieren und diejenigen Datenpunkte, zu denen bislang keine oder nur lückenhafte Informationen vorliegen, herauszufiltern. Zudem müssen die Ergebnisse der Wesent­lichkeitsana­lyse, die mit einem nicht zu unterschätzenden Umsetzungsaufwand einhergeht, in die Offenlegung mit einbezo­gen werden. So können Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Unter­nehmenspolitik sowie fehlende Verfahren und Prozesse frühzeitig identifiziert und entsprechende Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.

Grundsätzlich gilt: Eine gute Corporate Governance ist das Schlüsselelement für die erfolgreiche und wirksame Implementierung von Nachhaltigkeit und Prozessen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. In einer Zeit, in der die Komplexität von Organisationen und Institutionen ständig wächst, ist eine effektive Governance von ent­scheidender Bedeutung, um klare Strukturen, Verantwortlichkeiten und Transparenz zu gewährleisten. Die Umsetzung einer ausgereiften Governance ermöglicht es, den steigenden Herausforderungen an die Unterneh­mensführung gerecht zu werden und eine solide Grundlage für nachhaltiges Wachstum und Entwicklung zu schaffen.

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