EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten: Dem Papiertiger wachsen die Zähne

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veröffentlicht am 13. September 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die Europäische Union hat einen entscheidenden Schritt unternommen, um die globale Entwaldung einzudämmen und die Nachhaltigkeit in den Lieferketten zu fördern. Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR), die am 29. Juni 2023 in Kraft getreten ist, hat das Ziel sicherzustellen, dass Produkte, die auf den europäischen Markt gelangen, nicht mit Entwaldung und Waldschädigung sowie Verletzungen der Rechte indigener Völker in Verbindung stehen. Mit dem Geltungs­beginn der neuen EU-Verordnung am 30. Dezember 2024 wird die EU-Holz­han­dels­ver­or­dnung aufgehoben.



Hintergrund

Entwaldung gilt als eine der größten Bedrohungen für die Umwelt. Jedes Jahr gehen weltweit Millionen Hektar Wald durch Abholzung verloren, um Platz für landwirtschaftliche Flächen, Bergbau, Palmölplantagen und Viehzucht zu schaffen. Das hat verheerende Auswirkungen auf das Klima, da Wälder große Mengen an Treib­haus­ga­sen absorbieren und speichern. Darüber hinaus sind Wälder Heimat für zahlreiche Tier- und Pflan­zen­ar­ten und spielen eine entscheidende Rolle im Erhalt der biologischen Vielfalt.

Es gibt bereits internationale und nationale Gesetze und Initiativen, die darauf abzielen, die Entwaldung zu verbieten oder einzuschränken. Einige dieser Gesetze sind: das britische Umweltgesetz, Entwurf des FOREST Act (USA) und die Joint Declaration on Enhancing Climate Action (China und USA). Im Vergleich zur neuen europäischen Verordnung, die sowohl legale als auch illegale Entwaldung in der Lieferkette verbietet, kon­zen­trie­ren sich die genannten Gesetze und Initiativen explizit auf die Verhinderung illegaler Entwaldung und des Handels.

Mit der Einführung der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten setzt die EU ein klares Signal für nachhaltige Geschäftspraktiken entlang der Lieferketten und schafft einen rechtlichen Rahmen.


Anwendungsbereich

Nach einer Übergangszeit von 18 Monaten gilt die Verordnung für Marktteilnehmer und Händler ab dem 30. Dezember 2024. Kleinst- und Kleinunternehmen wird eine längere Überganszeit eingeräumt – sie sind erst ab 30. Juni 2025 verpflichtet.

Die Verordnung legt fest, dass in allen EU-Mitgliedstaaten bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in den Unionsmarkt eingeführt, aus ihm ausgeführt oder auf ihm bereitgestellt werden dürfen, wenn sie nicht mit Entwaldung und Waldschädigung sowie Verletzungen der Rechte indigener Völker in Verbindung stehen. Ent­wal­dungs­frei im Sinne der Verordnung sind Rohstoffe und Erzeugnisse, die auf Flächen erzeugt wurden, die nicht nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden. Das betrifft insbesondere Erzeugnisse aus den Roh­stoffen Soja, Palmöl, Rinder, Holz, Kakao, Kaffee und Kautschuk.


Voraussetzungen der Konformität

Der Verkehr oder die Bereitstellung von relevanten Rohstoffen und Erzeugnissen auf dem Markt ist nur zulässig, wenn alle nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Entwaldungsfreiheit der Rohstoffe und Erzeugnisse,
  2. Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes und
  3. Vorhandensein einer Sorgfaltserklärung, welche die Einhaltung der Verordnung bestätigt.


Die Unternehmen müssen nachweisen, dass sie strenge Sorgfaltspflichten erfüllen, um sicherzustellen, dass ihre Lieferketten frei von Entwaldung sind. Das erfordert eine genaue Überwachung der Lieferanten und die Implementierung transparenter Prozesse entlang der gesamten Produktionskette. Dabei sind unterschiedlich strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflichten für KMU und nicht-KMU Marktteilnehmer und Händler vorgesehen.


Allgemeine Sorgfaltspflicht der Unternehmen

Gemäß der Verordnung werden Unternehmen verpflichtet, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um sicher­zu­stellen, dass ihre Lieferketten entwaldungsfrei sind. Dazu gehören:

  • Sammlung von Informationen, Daten und Unterlagen: Sowohl Marktteilnehmer als auch Händler müssen die jeweils notwendigen Informationen zu ihren Erzeugnissen sammeln und sie für einen Zeitraum von min­des­tens fünf Jahren aufbewahren. Sie müssen außerdem unverzüglich die zuständigen Behörden informieren, wenn sie neue Informationen oder begründete Bedenken über die Konformität eines Erzeugnisses erhalten.
  • Risikobewertung: Unternehmen müssen eine systematische Risikoanalyse durchführen, um potenzielle Risiken in Bezug auf Entwaldung in ihrer Lieferkette zu identifizieren. Dabei sollen sowohl Umwelt- als auch Menschenrechtsaspekte berücksichtigt werden. Die Kriterien der Risikoanalyse sind u.a. die Bewertung der Herkunftsländer, die Überprüfung der Produktionspraktiken sowie die vertrauensvolle Kooperation mit indigenen Völkern im Erzeugerland.
  • Risikominderung: Sobald Risiken identifiziert wurden, müssen Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um sie zu mindern. Das kann beispielsweise den Einsatz von Zertifizierungsprogrammen, den Aufbau von Partner­schaf­ten mit nachhaltigen Lieferanten oder die Unterstützung von Aufforstungsprojekten umfassen.
  • Transparenz und Berichterstattung: Unternehmen sind verpflichtet, transparente Informationen über ihre Lieferkettenpraktiken bereitzustellen. Sie müssen jährlich über ihre Entwaldungsrisiken und die ergriffenen Maßnahmen berichten. Um Dopplungen zu vermeiden, dürfen Marktteilnehmer und Händler, die anderen EU-Rechtsakten mit Bezug zu Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette unterliegen (z. B. CS3D), die ge­for­der­ten Informationen in ihre Berichterstattung im Rahmen dieser Rechtsakte integrieren.


Vereinfachte Sorgfaltspflicht

Können Unternehmen sicherstellen, dass alle relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse aus Ländern mit geringem Risiko stammen, kann auf eine Risikobewertung und -minderung verzichtet werden. In solchen Fällen müssen jedoch, auf Anforderung der zuständigen Behörde, relevante Unterlagen vorgelegt werden, um zu zeigen, dass lediglich ein vernachlässigbares Risiko besteht.


Um die Risikoeinschätzung zu vereinfachen, führt die EU-Kommission ein dreistufiges Länder-Bench­mar­king­system ein: Die Länder oder Landesteile werden entsprechend dem Entwaldungsrisiko eingestuft – niedrig, normal und hoch. Aktuell wurde allen Ländern ein normales Risiko zugeordnet. Spätestens bis zum Geltungs­beginn der Verordnung wird eine Liste der Länder mit Risikoeinstufungen in Durchführungsrechtsakten der EU-Kommission veröffentlicht.


KMU-Marktteilnehmer und Händler

Die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten verweist auf die in der Richtlinie 2013/34/EU der Euro­päi­schen Union festgelegte Definition von kleinen und mittleren Unternehmen. Nach Definition handelt es sich um Unternehmen, die zum Bilanzstichtag mindestens zwei der folgenden drei Größenkriterien nicht überschreiten:

Für kleine Unternehmen:

  • Bilanzsumme: 4 Mio. EUR
  • Nettoumsatzerlöse: 8 Mio. EUR
  • Durchschnittliche Anzahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: Nicht mehr als 50 Personen.


Für mittlere Unternehmen:

  • Bilanzsumme: 20 Mio. EUR
  • Nettoumsatzerlöse: 40 Mio. EUR
  • Durchschnittliche Anzahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: Nicht mehr als 250 Personen.


Die Verordnung sieht unterschiedliche Pflichten für KMU und nicht KMU-Marktteilnehmer und Händler vor. Wurde für die relevanten Erzeugnisse eine Sorgfaltserklärung bereits übermittelt, so sind KMU von den Sorg­falts­pflich­ten befreit. Sie sollen allerdings Informationen über Lieferanten und Kunden, an die sie relevante Erzeugnisse geliefert haben, speichern und für einen Zeitraum von fünf Jahren aufbewahren.


Durchsetzungsmechanismen und Sanktionen

Die EU-Verordnung sieht Durchsetzungsmechanismen vor, um sicherzustellen, dass Unternehmen die Anfor­derungen erfüllen. Diese Durchsetzungsmechanismen beinhalten die Prüfung der Berichterstattung durch regelmäßige Kontrollen seitens der nationalen zuständigen Behörden sowie die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung der Verordnung. In Deutschland übernimmt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Rolle der zuständigen Behörde.

In der Verordnung wird festgelegt, dass ein bestimmter Prozentsatz der Marktteilnehmer und Händler sowie der relevanten Erzeugnisse kontrolliert werden muss. Bei Produkten aus Ländern mit geringem oder normalem Risiko ist das Kontrollniveau niedriger (1 Prozent bzw. 3 Prozent) als in Ländern mit hohem Risiko (9 Prozent).

Die zuständigen Behörden übernehmen die Verantwortung für die Durchführung von unangekündigten Kontrollen, um sicherzustellen, dass in der EU ansässige Marktteilnehmer und Händler die Bestimmungen der Verordnung einhalten und dass die relevanten Erzeugnisse den Anforderungen entsprechen. Dabei setzen sie einen risikobasierten Ansatz ein und berücksichtigen relevante Informationen, einschließlich begründeter Bedenken Dritter.

Wird ein Verstoß gegen die Verordnung festgestellt, sind die Marktteilnehmer und Händler verpflichtet, entsprechende Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen umfassen die Behebung formeller Verstöße. Des Weiteren können sie auch die sofortige Rücknahme des betroffenen Erzeugnisses vom Markt einschließen, um zu verhindern, dass das Produkt weiterhin in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Spende der relevanten Erzeugnisse an gemeinnützige Zwecke oder ihre Entsorgung gemäß den Abfallbewirtschaftungsvorschriften der EU.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen bei Verstößen gegen die Verordnung einzuführen. Diese Sanktionen können Geldbußen in Höhe von bis zu 4 Prozent des gesamten unionsweiten Umsatzes, den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen für einen Zeitraum von 12 Monaten, den Widerruf von Marktzugangserlaubnissen sowie die Einziehung der relevanten Erzeugnisse oder der daraus erzielten Einnahmen umfassen. Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihren zuständigen Behörden die Befugnis zu erteilen, von Marktteilnehmern oder Händlern die Erstattung sämtlicher Kosten ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit Verstößen zu verlangen.


Fazit

Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten markiert einen wichtigen Meilenstein im Kampf gegen die globale Entwaldung und Menschenrechtsverletzungen. Indem sie Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Lieferketten zu überprüfen, schafft sie Anreize für nachhaltige Produktions- und Handelspraktiken. Die Verordnung hat das Potenzial, weltweit den Standard für entwaldungsfreie Lieferketten zu setzen und damit einen positiven Beitrag zum Klimaschutz, zum Erhalt der Biodiversität und zum Schutz der Rechte indigener Völker zu leisten. Neben positiven Auswirkungen wird es auch Herausforderungen geben, wie die Komplexität der Lieferketten und die Herkunftsüberprüfung von relevanten Rohstoffen sowie die Einbeziehung von KMU. Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden in Deutschland sind bereits durch das Lieferketten­sorg­falts­pflich­tengesetz (LkSG) verpflichtet, menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten zu erfüllen. Mit der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten wird der Umfang der von Unternehmen einzuhaltenden Sorgfaltspflichten nun um einen weiteren Umweltaspekt erweitert und die Rechte indigener Völker betont.

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