Die italienischen Class Actions und die letzten Entwicklungen der europäischen Gesetzgebung

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veröffentlicht am 4. September 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Die italienische Class Action wurde erstmals 2007 eingeführt, um einen Schutzmecha­nismus für eine Vielzahl von Verbrauchern mit Hilfe eines Systems zu schaffen, das eine große Anzahl von Einzelklagen vermeiden kann. Diese Klage war ursprünglich nur für Verbraucher oder Nutzer (d.h. natürliche Personen, die zu Zwecken außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit handeln) gedacht, um ihnen eine größere Effizienz des Verfahrens, geringere Prozesskosten und eine Verkürzung der Verfahrensdauer zu gewährleisten.

 


Im Jahr 2020 wird das vorgenannte Verfahren – das im Verbrauchergesetzbuch in den Artikeln 139, 140 und 140-bis vorgesehen ist – durch das Gesetz Nr. 31/2019 ersetzt, mit dem Ziel, die „alte“ Class Action zu ersetzen.
 
Diese „neue“ Sammelklage – die für Vorgänge nach dem 19. Mai 2021 eingeführt wurde – wird durch die italie­nische Zivilprozessordnung (Artikel 840-bis – 840-sexdecies) geregelt und hat einen erweiterten Anwendungs­bereich in Bezug auf die Themen und Angelegenheiten, die in der Klage behandelt werden können.
 
Diese Art von Klage kann zum Schutz gleichartiger Rechte erhoben werden, um Geldentschädigung, Rücker­stattungen oder die Feststellung der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung des Unternehmer zu erhalten. Das bedeutet, dass es in Bezug auf den Streitgegenstand keine tatsächlichen Beschränkungen gibt.
 
Was die Klagebefugnis betrifft, so muss der Beklagte der „Urheber der unerlaubten Handlung“ sein, d.h. können nur Unternehmen, Betreiber öffentlicher Dienste oder öffentliche Versorgungsunternehmen in Bezug auf Handlungen und Verhaltensweisen, die sie im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeit vorgenommen haben, verklagt werden.
 
Hinsichtlich der aktive Klagelegitimation kann diese Klage von einer einzelnen Person (natürliche oder juristi­sche Person), die nicht unbedingt ein Verbraucher sein muss, und von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinen, zu deren satzungsmäßigen Zielen der Schutz von Interessen gehört, die durch ein bestimmtes Verhalten beeinträchtigt werden, eingereicht werden. Diese Organisationen sind jedoch nur dann klageberech­tigt, wenn sie in der beim Justizministerium geführten öffentlichen Liste eingetragen sind.
 
Der Zugang zu diesem Register wird durch das Dekret Nr. 27 vom 17. Februar 2022 geregelt, das unter anderem vorsieht, dass der Verein vor mindestens zwei Jahren gegründet worden sein muss. Neben der „neuen“ Class Action, die durch das Gesetz Nr. 31/2019 geregelt wird, wurde 2023 eine zusätzliche Verbandsklage eingeführt.

Das Gesetzesdekret vom 10. März 2023 (in Kraft seit dem 25. Juni 2023) hat durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2020/1828 – im Verbrauchergesetzbuch – Verfahren zum Schutz der Verbraucher durch eine natio­nale Verbandsklage (d.h. vor dem italienischen Richter eingereicht) und durch eine grenzüberschreitende Verbandsklage (d.h. vor dem italienischen Richter von qualifizierten Einrichtungen/Gruppen/Verbänden anderer Mitgliedstaaten oder in einem anderen Mitgliedstaat von italienischen Einrichtungen/Gruppen/
Verbänden eingereicht) eingeführt. Dieser neue Mechanismus ergänzt die in der Zivilprozessordnung vorge­sehene „neue“ Class Action, ohne sich mit dieser zu überschneiden, um Unterlassungs- und Entschädigungs­maßnahmen gegen Gewerbetreibende (d.h. das zu verklagende Subjekt: jede natürliche oder juristische Person) zu fördern, die gegen Bestimmungen verstoßen, die sich auf von der Europäischen Union geschützte Rechte beziehen.
 
Konkret kann die Verbandsklage nur in den in Anhang II – Septies des Gesetzesdekrets vom 10. März 2023 aufgeführten Fällen erhoben werden. Dazu gehören: (a) unlautere Geschäftspraktiken, (b) irreführende Werbung, (c) Produktsicherheit, (d) Haftung von Luftfahrtunternehmen, (e) Finanzdienstleistungen im Fern­absatz, (f) Energieversorgungs- und Gasangelegenheiten, (g) finanzielle Haftung und (h) Streitigkeiten im Zusammenhang mit E-Geld.
 
Die Verbandsklage bietet Verbraucherorganisationen und -verbänden, die die Anforderungen an die Unabhän­gigkeit erfüllen und sich in den Sonderteil des in Artikel 137 des Verbraucherschutzgesetzes genannten Verzeichnisses eintragen lassen können, endlich die Möglichkeit, auch grenzüberschreitende Class Action einzureichen.
 
Ziel der Verbandsklage ist es, die Verbraucher durch „entschädigenden“ Schutz (z.B. Verurteilung zur Zahlung, Preisminderung, Ersatz des Produkts, Rückerstattung oder Beendigung des Vertrags) oder „hemmenden“ Schutz (z.B. Unterlassung der Bestellung oder Verbot eines rechtswidrigen Verhaltens der Gewerbetreibenden, Veröffentlichung einer Richtigstellung usw.) zu schützen, ohne dass die Zustimmung der Verbraucher im Voraus eingeholt werden muss.
 
Außerdem können die hemmenden und entschädigenden Schutzmaßnahmen der 2023 eingeführten Verbands­klage gemeinsam beantragt werden, anders als bei der „neuen“ Class Action der Zivilprozessordnung, bei der der Richter die Trennung der Verfahren anordnen muss, wenn beide Klagen im selben Verfahren eingereicht werden.
 
Diese Verbandsklage kann von qualifizierten Einrichtungen auch ohne ein spezielles Mandat der Verbraucher erhoben werden und muss nach Übersendung eines Anwaltsschreibens eingereicht werden, ansonsten ist die Klage unzulässig.
 
Mit der neuen Gesetzgebung über Verbandsklagen wurde beschlossen, auch die Finanzierung durch Dritte zu regeln. Die neue Richtlinie von 2023 sieht nämlich vor, dass im Falle einer Drittfinanzierung die Herkunft, der von Dritten erhaltenen oder zugesagten Mittel offengelegt werden muss. Der Einsatz der Verbandsklage ist außerdem unzulässig, wenn die Person, die die Klage finanziert hat, ein Konkurrent oder ein Angestellter des Beklagten ist.
 
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist in den letzten Jahren eine deutliche Modernisierung im Bereich der Sammelklagen in Italien zu beobachten. Es wird interessant sein zu sehen, wie die italienischen Gerichte das neue Gesetz über die Verbandsklage umsetzen werden. Insbesondere wird es von Bedeutung sein zu beobachten, wie grenzüberschreitende Verbandsklagen behandelt werden und wie die Gerichte das Verhältnis zwischen der neuen Sammelklage und der Verbandsklage behandeln werden.
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