Frankreich: Identifizierung des Franchisevertrags – Definition und Unterschiede

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veröffentlicht am 13. Juli 2023 | Lesedauer ca. 7 Minuten


Franchising findet in der Unternehmenswelt starken Zuspruch. Es ermöglicht die Verwaltung eines Vertriebsnetzes, das auf der Erfolgsgeschichte des Franchisegebers basiert. Es wird von den Franchisenehmern fortgeführt, die von dem Fachwissen, der Unterstützung und den Unterscheidungsmerkmalen des Franchisegebers profitieren. In der Praxis ermöglicht das Franchising Einzelhändlern, das von einem Franchise­geber entwickelte Konzept unter der Marke und mit der Unterstützung des Franchise­gebers zu nutzen, wobei sie ihre Unabhängigkeit bewahren. In diesem Artikel wird die Bedeutung des Begriffs „Franchisevertrag“ in Frankreich erörtert.
  
Dieser Artikel ist Bestandteil der Artikelserie „Franchising“. Sie ist eine cross border Zusam­menarbeit und soll die wesentlichen Elemente eines Franchising-Vertrages in ausgewählten Ländern aufzeigen. Zur Artikelserie „Franchising“ »

  

Was ist ein Franchisevertrag?

Im französischen Recht hat der Gesetzgeber den Franchisevertrag zu keinem Zeitpunkt definiert und es der Rechtsprechung überlassen, die Grundzüge und die Regelung des Franchisings zu definieren. 

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften („EuGH“, heute „CJUE“) definierte zunächst in seinem Urteil vom 28. Januar 1986 den Franchisevertrag als den Vertrag , durch den „ein Unternehmen, das sich auf einem Markt als Vertriebshändler niedergelassen hat und so eine Reihe von Geschäftsmethoden entwickeln konnte, gegen Entgelt unabhängigen Kaufleuten die Möglichkeit einräumt, sich auf anderen Märkten nieder­zulassen und dabei sein Firmenzeichen und die Geschäftsmethoden zu verwenden, die seine Erfolgs­geschichte begründet haben. Es handelt sich hierbei nicht um eine Vertriebsmethode, sondern vielmehr um eine Möglich­keit, ein bestimmtes Wissensgebiet ohne Einsatz von Eigenkapital finanziell zu nutzen. Dieses System eröffnet zudem Händlern ohne die nötige Erfahrung den Zugang zu Verkaufsmethoden, die sie nur nach umfangreichen Recherchen hätten erwerben können, und lässt sie vom Image des Markenzeichens Gebrauch machen.“

In Anlehnung an diese Ausführungen heißt es in den Guidelines vom 30. Juni 2022 zum Erlass der Verordnung (EU) 2022/720 vom 10. Mai 2022 (die seit dem 1. Juni 2022 die frühere Verordnung (EU) Nr. 330/2010 ersetzt hat): „Franchisevereinbarungen enthalten Lizenzen über Rechte des geistigen Eigentums bezüglich Marken, Kennzeichen oder Fachwissen für die Nutzung und den Vertrieb von Waren oder die Erbringung von Dienst­leistungen. Zusätzlich zur IPR-Lizenz gewährt der Franchisegeber gewöhnlich dem Franchisenehmer während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung kommerzielle oder technische Unterstützung, wie z.B. Beschaffungs­dienste, Schulungen, Immobilienberatung und Finanzplanung. Die Lizenz und die geleistete Unterstützung sind ein integraler Bestandteil der Geschäftsmethode des Franchisenehmers.“ (Punkte 85 ff.)

Der Europäische Franchise-Kodex, der von der European Franchise Federation (Europäischer Franchise-Verband) erstellt wurde, definiert Franchising als „ein System zur Vermarktung von Produkten und/oder Dienstleistungen und/oder Technologien, das auf einer engen und kontinuierlichen Zusammenarbeit zwischen rechtlich und finanziell getrennten und unabhängigen Unternehmen, dem Franchisegeber und seinen Fran­chise­nehmern, basiert und in dem der Franchisegeber seinen Franchisenehmern das Recht einräumt und die Verpflichtung auferlegt, ein Unternehmen gemäß dem Konzept des Franchisegebers zu betreiben. Das ein­ge­räumte Recht berechtigt und verpflichtet den Franchisenehmer, gegen einen direkten oder indirekten finan­ziellen Beitrag das Unternehmenskennzeichen und/oder die Marke für Produkte und/oder Dienstleistungen, das Fachwissen und andere Rechte des geistigen Eigentums zu nutzen, unterstützt durch kontinuierliche kommerzielle und/oder technische Unterstützung, im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen Franchise­vertrags, der zu diesem Zweck zwischen den Parteien geschlossen wird“.
 
Diese Auslegung des Begriffs Franchise ist weitestgehend anerkannt.
 
So zeichnet sich der Franchisevertrag nach französischem Recht durch das Zusammentreffen der drei folgenden Kriterien aus: 
  • das Bereitstellen von Fachwissen, 
  • das Bereitstellen von Kundenwerbezeichen und 
  • die Unterstützung bei der Nutzung des Fachwissens und der Kundenwerbezeichen, 
die es nacheinander zu prüfen gilt. 
 

Die Bereitstellung von Fachwissen

Als unverzichtbarer Bestandteil des Franchisevertrags wird dieses in der Verordnung 2022/720 als eine vertrauliche, wesentliche und identifizierte Gesamtheit von nicht patentierten praktischen Informationen definiert, die sich aus der Erfahrung des Franchisegebers ergeben und von diesem getestet wurden.
 
Das Fachwissen ist demnach: 
  • Geheim, d.h. es ist im Allgemeinen nicht öffentlich zugänglich oder bekannt und der Franchisenehmer hätte es nicht so leicht und unmittelbar selbst ohne langwierige und kostspielige Nachforschungen erwerben können; 
  • Substantiell, d. h. es ist für den Franchisenehmer für die geplante Tätigkeit im Rahmen des Franchisevertrags von Bedeutung und Nutzen; 
  • Identifiziert, d. h. es muss so umfassend und praktisch beschrieben sein, dass überprüft werden kann, ob es die Bedingungen der Geheimhaltung und der wesentlichen Merkmale erfüllt, und in einem Betriebshandbuch formalisiert sein, das mitunter als „Know-how-Handbuch“ oder „Bibel“ bezeichnet wird; und
  • Vom Franchisegeber ausreichend und über einen längeren Zeitraum durch eine oder mehrere Prüfeinheiten mit denselben betrieblichen Eigenschaften wie die der zukünftigen Franchisenehmer erprobt wurde.
 
Wenn eine dieser Eigenschaften fehlt, würde der Franchisevertrag aufgrund des fehlenden Fachwissens keine Gegenleistung erhalten und könnte im Falle eines Rechtsstreits für nichtig erklärt werden, wodurch der Vertrag rückwirkend aufgehoben werden könnte. Der Franchisevertrag würde dann fiktiv so behandelt werden, als hätte er nicht Bestand. Das hätte zur Folge, dass die Parteien wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt werden müssten und der Franchisegeber dazu verpflichtet wäre, das vom Franchisenehmer entgangene Ein­stiegs­recht und die gezahlten Lizenzgebühren zurückzuerstatten und den vom Franchisenehmer erlittenen Schaden (z.B. für die vom Franchisenehmer getätigten Investitionen in die Marke) zu ersetzen. 
 

Die Bereitstellung von Kundenwerbezeichen 

Unter „Kundenwerbezeichen“ versteht man die Gesamtheit der Unterscheidungsmerkmale des Franchise­gebers, unter denen er sein Konzept entwickelt hat und die es den Kunden ermöglichen, den Franchisenehmer als zum Unternehmensnetzwerk gehörend zu identifizieren (Marke, Logo, Handelsname, Firmenschild, Architekturrichtlinien, Grafikrichtlinien, Fotografien usw.). 

So wird der Franchisegeber im Rahmen des Franchising seinen Franchisenehmern insbesondere die Nutzung seiner Marke gestatten. Es ist daher erforderlich, sich vorab zu vergewissern:
  • dass die Marke innerhalb des Hoheitsgebiets Gültigkeit besitzt und dort registriert ist, in welchem der Franchisenehmer das Franchise-Unternehmen im Rahmen des Franchise-Vertrags betreiben wird;
  • dass die Marke alle Aktivitäten abdeckt, die im Rahmen des Franchise betrieben werden sollen, aber auch die Vergabe von Lizenzen für geistiges Eigentum; 
  • dass der Franchisegeber tatsächlich über alle Rechte an der besagten Marke verfügt, sei es als Inhaber oder als Lizenznehmer mit dem Ziel, sie an die Franchisenehmer des Netzes in Unterlizenz zu vergeben. Ist die Marke vom Leiter des Unternehmens des Franchisegebers oder von einem anderen Unternehmen desselben Konzerns angemeldet worden, muss daher festgelegt werden, auf welche Weise die Markenrechte an das Unternehmen abgetreten werden, das das Franchisenetz entwickelt.
 
Ähnlich wie im Fall des fehlenden Fachwissens könnte der Franchisevertrag bei Fehlen einer gültigen Marke und/oder der Rechte des Franchisegebers an der Marke, die den Franchisenehmern zur Verfügung gestellt wird, wegen fehlender Gegenleistung nichtig sein, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen in Form einer möglichen Rückforderung von Einstiegsrechten und Lizenzgebühren. 
 
Aus diesem Grund muss bei der Ausarbeitung des Franchisevertrags im Vorfeld besonders auf diesen Punkt geachtet werden, wenn es um den Schutz der Marke und der anderen Unterscheidungsmerkmale des Franchise geht.
 

Die Unterstützung für den Franchisenehmer

Der Franchisegeber hat eine Unterstützungspflicht gegenüber seinem Franchisenehmer. Er muss ihn nicht nur bei der Aufnahme des Franchise-Geschäfts, sondern während der gesamten Vertragslaufzeit praktisch unter­stützen. Diese Unterstützung kann verschiedene Formen annehmen (Besuche des Franchisegebers, Sitzungen, Einrichtung einer Hotline zwischen Franchisegeber und Franchisenehmern, Vertriebsunterstützung usw.) und variiert je nach den Elementen der Unterstützung, die der Franchisegeber dem Franchisenehmer gewähren möchte, wobei die Modalitäten der Unterstützung im Franchisevertrag im Einzelnen festgelegt werden. 
 
Diese Unterstützung darf jedoch nicht dazu führen, dass sich der Franchisegeber in die Tätigkeit des Franchise­nehmers einmischt, da dies die Unabhängigkeit des Franchisenehmers gefährden und insbesondere die Umwandlung des Franchisevertrags in einen Arbeitsvertrag nach sich ziehen könnte.  
 

Ein Sondervertrag, der sich von anderen Vertriebsverträgen unterscheidet

Der Begriff „Franchise“ wird zwar häufig als allgemeiner Begriff verwendet, doch handelt es sich bei dieser Vertriebsform um einen spezifischen Vertrag, der die drei oben beschriebenen Komponenten vereint.

Der Franchisevertrag ist nicht (nur) ein Markenlizenzvertrag

Ein Markenlizenzvertrag ist ein Vertrag, durch den der Inhaber einer Marke dem Lizenznehmer das Recht einräumt, diese Marke für seine eigenen Produkte zu benutzen und/oder sie kommerziell zu verwenden, beispielsweise als Aushängeschild.
 
Während jeder Franchisevertrag eine Markenlizenz beinhaltet, weist der Markenlizenzvertrag im Gegensatz zum Franchisevertrag weder einen Austausch von Fachwissen noch eine Verpflichtung zur Unterstützung seitens des Vertriebsnetzes auf.
 
Demnach kann die Markenlizenz eine Alternative zum Franchising sein, um ein Vertriebsnetz aufbauen zu können, sofern das Fachwissen nicht ausreichend erprobt ist (z.B. durch nicht ausreichend zeitintensive Testläufe). 
 
Wird kein Fachwissen zugänglich gemacht, schränkt dies zwar die Pflichten des Vertriebsnetzbetreibers ein, jedoch auch seine Kontrolle über das Vertriebsnetz, da eine derartige Überwachung nur im Hinblick auf die Wahrung des Markenimages (und nicht im Hinblick auf den Schutz des Fachwissens) gerechtfertigt sein kann.

Der Franchisevertrag ist kein Lizenzvertrag

Der Lizenzvertrag ist ein Vertrag, durch den der Lizenzgeber einem Vertriebshändler, dem sogenannten Konzessionär, das Exklusivrecht zur Beschaffung und zum Weiterverkauf der Produkte des Lizenzgebers unter dessen Marke und Firmenzeichen gewährt. Bei einer Lizenz ist dieses Vermarktungsrecht demnach in einem bestimmten Gebiet exklusiv, wobei der Vertrag die Gewährleistung vorsieht, dass der Lizenzgeber auf diesem Gebiet keine konkurrierenden Franchise-Aktivitäten ausüben darf. Zwar kann der Franchisevertrag seinerseits eine territoriale Exklusivität vorsehen, doch bleibt diese Exklusivität fakultativ; sie ist kein wesentliches Element des Franchisevertrags. Während die Verpflichtung zur ausschließlichen Belieferung ein wesentliches Element des Lizenzvertrags ist, ist diese Art von Engagement im Franchising nur dann zulässig, wenn sie die Bedingungen der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit erfüllt.
 
Schlussendlich kann bei der Gewerbeerlaubnis zwar eine Weitergabe von Fachwissen stattfinden, doch ist dies im Gegensatz zum Franchisevertrag kein wesentlicher Bestandteil des Lizenzvertrags. Auch hier wird die Übertragung von tatsächlichem Fachwissen ein entscheidendes Unterscheidungskriterium sein.
 

Der Franchisevertrag ist kein Kommissionsvertrag

Der Begriff „Kommissionsvertrag“ bezeichnet einen Vertrag, bei dem der Kommissionär, der Eigentümer eines Warenbestands ist, diesen Warenbestand beim Kommissionär-Anschlusshändler hinterlegt, der den Auftrag hat, die Waren in einem Geschäft unter dem Namen des Kommissionärs gegen Zahlung einer Provision auf den Verkauf dieser Waren zu veräußern. 

Die Kommissions-Vertriebspartnerschaft ist somit ein Vertriebsmodell, das zwei Vertragsarten miteinander verbindet: zum einen den Kommissionsvertrag, bei dem der Kommissionär im Namen und für Rechnung des Kommissionärs handelt, und zum anderen den Vertriebspartnervertrag, bei dem sich der Vertriebspartner einem Händlernetz anschließt.

Im Unterschied zum Franchising behält der Vertriebsnetzbetreiber beim Provisionsvertrag das Eigentum an den Waren, was insbesondere ermöglicht, dass 
  • der Provisionsvertragspartner das Geschäft unter dem Namen des Kommissionärs betreiben darf, ohne den Kauf des Warenbestands tragen zu müssen, und 
  • der Kommissionär die Preisgestaltung für den Weiterverkauf festlegt, sofern die Waren ihm gehören. 
Nicht zuletzt aufgrund dieser Vorteile hat sich diese Vertriebsform, die überwiegend beim Vertrieb von Konfektionsware und im Lebensmitteleinzelhandel eingesetzt wird, erheblich weiterentwickelt. 
 
Allerdings ist dieses Vertriebskonzept aufgrund der möglichen Anwendung des Geschäftsführerstatuts einer Zweigniederlassung im Sinne von Artikel L. 7321-2 des Arbeitsgesetzbuchs auf den angegliederten Kommis­sionär nicht ganz risikofrei, wenn das Geschäft des angegliederten Kommissionärs vom Vertriebsnetzbetreiber bereitgestellt oder zugelassen wird. Wenn die Bedingungen für die Umsetzung dieses besagten Absatzes erfüllt sind, gelten für den angegliederten Kommissionär die für Arbeitnehmer vorgesehenen gesetzlichen Bestim­mungen, wie beispielsweise die Anwendung des gesetzlichen Mindestlohns (SMIC) oder auch die Zahlung einer Abfindung im Falle einer Vertragsbeendigung.
 
Da der Status des Geschäftsführers einer Zweigniederlassung auch auf einen Franchisenehmer angewendet werden kann, ist bei der Formulierung der Klauseln des Franchisevertrags besondere Vorsicht geboten.
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