Upcycling von Luxusprodukten und IP-Rechte: Warum Recycling nicht immer funktioniert

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 12. August 2025 | Lesedauer ca. 3 Minuten 

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Das Pariser Zivilgericht Tribunal Judiciaire de Paris hat mit Urteil vom 10. April 2025 (RG Nr. 22/10720) eine wegweisende Entscheidung zum Upcycling im Luxussegment getroffen. Die Verurteilung der Beklagten wegen Urheber- und Markenrechts​­ver­letzungen wirft auch für deutsche Konsumgüterhersteller zentrale Fragen auf: Wo liegen die rechtlichen Grenzen des Upcyclings? Und wie wäre ein solcher Fall nach deutschem Recht zu beurteilen?​
 ​ bunte Blätter Papier
    

Die Entscheidu​​ng des französischen Ge​​richts im Überblick

​Die Klägerinnen Hermès International und Hermès Sellier, Inhaberinnen der französischen Wortmarke „Hermès“ (Nr. 1.558.350) sowie urheberrechtlich geschützter Designs auf Seidenschals, klagten gegen die Beklagten Maison R&C, Atelier R&C und deren Geschäftsführerin Géraldine Lugassy Demri wegen unerlaubter Nutzung ihrer geistigen Eigentumsrechte im Rahmen sogenannter „Upcycling“-Praktiken. Die Beklagten vertrieben über ihre Website und soziale Medien Levi's-Jeansjacken, in die originale Hermès-Schals eingearbeitet wurden. Die Kunden konnten die verwendeten Schals aus einem Katalog ikonischer Hermès-Designs auswählen.

 

Das Tribunal Judiciaire de Paris stellte mit Urteil vom 10. April 2025 (RG Nr. 22/10720) fest, dass das gewerbliche Zerschneiden und Integrieren der Hermès-Schals in neue Produkte Urheberrechte (§§ L.111-1 ff., L.112-1 ff. CPI), Markenrechte (§§ L.713-2 ff. CPI) sowie wettbewerbsrechtliche Vorschriften (§ 1240 Code Civil) verletzt . Die Originalität der 24 streitgegenständlichen Designs wurde durch das Gericht einzeln geprüft und bestätigt. Die Beklagten beriefen sich darauf, dass die Schals mit Zustimmung von Hermès in der EU in Verkehr gebracht worden seien und ihre Rechte daran daher erschöpft seien. Diese sogenannte Einrede der Erschöpfung wurde zurückgewiesen, dass Gericht vertrat die Ansicht, dass die Umgestaltung der Schals  eine neue Reproduktion darstelle und nicht durch den ursprünglichen Vertrieb gedeckt sei. Auch Argumente aus der Charta der Grundrechte der EU (Art. 11, 37) wurden verworfen, da die Beklagten primär kommerzielle Interessen verfolgten.

  

Das Gericht verurteilte die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von insgesamt 214.000 € Schadensersatz (davon 54.000 € wirtschaftlicher Schaden, 80.000 € immaterieller Schaden, 30.000 € Investitionsersparnis, 40.000 € wegen unlauteren Wettbewerbs, 10.000 € Veröffentlichungskosten), sowie zu Unterlassung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 5.000 € pro Tag und Verstoß. Die Geschäftsführerin Lugassy Demri wurde persönlich haftbar gemacht, da sie aktiv und initiativ an den Verletzungshandlungen beteiligt war.
  

Der Klage wurde in vollem Umfang stattgegeben, die Beklagten unterlagen in allen Punkten.

  

​Wie wäre der Fa​​ll nach deutschem Recht zu beurteilen?

Auch nach deutschem Recht wäre eine Verurteilung wahrscheinlich:

  

Urheber​​​recht

Die auf den Hermès-Schals abgebildeten Designs unterliegen als Werke der bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) dem Urheberrechtsschutz. Das Zerschneiden der Schals und deren Integration in neue Produkte kann als eine sogenannte Bearbeitung des Originals (§ 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG) gelten. Diese ist nur mit Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers zulässig. Die bloße Tatsache, dass die Schals vom Rechtsinhaber bereits auf den Markt gebracht worden sind, wie es hier der Fall war, führt nicht zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts (§ 17 Abs. 2 UrhG), da eine neue Werkform entsteht. Denn die Erschöpfung bezieht sich nur auf das spezifische Werkstück, das mit Zustimmung des Urhebers in Verkehr gebracht wurde, und nicht auf neue Werke, die unter Verwendung des ursprünglichen Werkes geschaffen werden.

 

Markenre​cht

Die Verwendung der Marke „Hermès“ auf den Jacken oder in der begleitenden Werbung stellt eine markenmäßige Benutzung i. S. d. § 14 Abs. 2 MarkenG dar. Eine Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ist ausgeschlossen, da die Schals durch die Umarbeitung in ihrer ursprünglichen Form verändert wurden (§ 24 Abs. 2 MarkenG). Ein Rückgriff auf § 23 MarkenG (z. B. zur Beschreibung der Herkunft von Produkten) ist nur zulässig, wenn die Benutzung notwendig und redlich ist. Die werbliche Verwendung der Marke in Hashtags oder Produktbeschreibungen überschreitet diese Grenze, sodass auch nach deutschem Recht eine Markenverletzung angenommen würde.
  

Laute​​rkeitsrecht

Die gezielte kommerzielle Ausnutzung des Rufs von Hermès durch die Vermarktung als „Luxus-Upcycling“ kann zudem auch nach deutschem Recht die Voraussetzungen einer unlauteren Rufausbeutung (§ 4 Nr. 3 UWG) erfüllen. Die bewusste Anlehnung an die Wertigkeit und Exklusivität der Marke Hermès zielt auf eine Übertragung des fremden Prestiges auf das eigene Produktportfolio ab, ohne eigene schöpferische oder wirtschaftliche Leistung. Auch die Verwendung von markenrechtlich geschützten Bildmotiven oder Hashtags in sozialen Medien kann als unlautere geschäftliche Handlung gewertet werden (§ 5 Abs. 1 UWG).
  

Persönliche Ha​ftung der Geschäftsführerin

Die Geschäftsführerin wäre auch nach deutschem Recht mit ihrer persönlichen Haftung bedroht. Diese ergibt sich bei aktiver Beteiligung an den Rechtsverletzungen ganz unmittelbar oder nach den Grundsätzen der sogenannten Störerhaftung bei mittelbarem Mitwirken (§ 97 Abs. 1 UrhG, § 14 Abs. 7 MarkenG, § 823 Abs. 1 BGB). Die Rechtsprechung des BGH verlangt hierfür keine deliktische Eigenhandlung, sondern lediglich eine willentliche und adäquat kausale Mitwirkung an der Verletzungshandlung.

  

Fa​zit

Das Urteil aus Paris setzt ein deutliches Zeichen: Upcycling ist kein Freibrief zur Umgehung geistiger Eigentumsrechte. Die kreative Wiederverwertung von Luxusprodukten muss sich im Rahmen des geltenden Rechts bewegen – sowohl in Frankreich als auch in Deutschland.

Für Konsumgüterproduzenten bedeutet das: Wer mit gebrauchten Markenprodukten arbeitet, muss die Rechte der Urheber und Markeninhaber respektieren. Die bloße Berufung auf Nachhaltigkeit oder Umweltbewusstsein schützt nicht vor rechtlichen Konsequenzen. ​

  

Ausb​​lick für Konsumgüterhersteller

Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Branche:

  • ​Rechtskl​arheit:
    Upcycling muss rechtlich sauber konzipiert sein, insbesondere bei der Verwendung von Markenprodukten.
  • Vertragsmanagement:
    Kooperatione​​​n mit Rechteinhabern sind essenziell, um rechtssichere Produkte zu schaffen.
      

Unsere Empfeh​lun​g​​​

Unternehmen sollten ihre Up​cycling-Projekte frühzeitig rechtlich prüfen lassen,  idealerweise durch spezialisierten Rechtsbeistand im IP- und Wettbewerbsrecht.​
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