Grunderwerbsteuer: Gesetzesinitiative zur Verschärfung der Share Deal-Regeln

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zuletzt aktualisiert am 29. August 2019 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Schon seit einiger Zeit planen Finanzverwaltung und Politik, die Besteuerung von Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Unternehmen zu reformieren. Am 9. August 2019 hat das Bundesfinanzministerium dem Bundesrat jetzt einen entsprech­enden Gesetzentwurf zugeleitet. Ziel ist es, die sog. „RETT-Blocker”- Strukturen, also Gestaltungen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer (Real Estate Transfer Tax = RETT) einzuschränken. Die aktuelle Gesetzeslage gewährt hier Spielraum, sodass etwa der Erwerb von nur 94 Prozent einer Immobilien­gesellschaft in vielen Fällen nicht der Steuer unterliegt.
 

 

 

Mit der nun geplanten Neuregelung versucht die Finanzverwaltung die Gestaltungsspielräume einzu­schränken, schießt dabei aber weit über das Ziel hinaus. Es ist zu befürchten, dass vor allem „branchen­fremde” Unter­nehmen unter der Verschärfung leiden werden, bspw. mittelständische Produktions­betriebe mit eigenem Betriebs­grundstück. Sie würden bei wirtschaftlich sinnvollen Umstrukturierungen oder der Nachfolgeplanung im Familienunternehmen erheblich eingeschränkt.

 

Die wichtigsten geplanten Änderungen

Der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf entspricht dem, was bereits aufgrund einer Pressemitteilung des Hessischen Finanzministeriums vom 21. Juni 2018 zu erwartet war. Im Gesetzgebungsverfahren können sich noch Änderungen ergeben, derzeit ist damit zu rechnen, dass ab dem 1. Januar 2020 folgende Änderungen gelten werden: Die Grenzen für die Steuertatbestände sollen von mindestens 95 Prozent auf mindestens 90 Prozent herabgesetzt werden, hierbei wird durch Übergangsvorschriften in weiten Bereichen eine parallele Fortgeltung des bisherigen Rechts angeordnet, um zu verhindern, dass Steuer­pflichtige durch die Änderungen besser gestellt werden (bspw. weil bereits in der Vergangenheit die neuen Grenzen ohne Steuerpflicht erreicht wurden), die Haltefristen bei Steuerbarkeits- und Befreiungs­tatbeständen sollen von 5 auf mindestens 10 Jahre (bei gewissen Anteilsvereinigungen: 15 Jahre) verlängert werden, bei Kapitalgesellschaften soll künftig nicht nur das Erreichen einer bestimmten Beteiligungsquote durch einen Mehrheitsgesellschafter besteuert werden, sondern auch der bloße Übergang von zusammengerechnet mindestens 90 Prozent der Anteile innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren auf verschiedene Gesellschafter (ähnlich wie bei Personengesellschaften in § 1 Abs. 2a GrEStG, daher auch die vorgesehene Nummerierung als „§ 1 Abs. 2b GrEStG-E”). 
 

§ 1 Abs. 2b GrEStG-E – ein neuer Tatbestand für Kapitalgesellschaften

Vor allem Letzteres würde sich auch fatal auf Sachverhalte bei Steuerpflichtigen auswirken, die mit Grundstücksspekulanten und RETT-Blocker-Strukturen überhaupt nichts zu tun haben: Mittelständische Unternehmen und Familienbetriebe.
 
Ein Beispielfall: Der Gründer und Inhaber eines mittelgroßen Industrieunternehmens mit 90 Mitarbeitern betreibt sein Gewerbe in der Rechtsform einer GmbH. Das Lager- und Produktionsgrundstück (Wert: 4 Mio. Euro) steht im Eigentum der GmbH. An seinem 65. Geburtstag möchte der Unternehmer die Unter­nehmens­nachfolge einleiten und dazu an seine beiden Kinder jeweils 50 Prozent der GmbH-Anteile übertragen. Derzeit unterliegt dieser Vorgang nicht der Grunderwerbsteuer. Für Schenkungen oder Grundstücksübertragungen zwischen Eltern und Kindern sieht § 3 GrEStG außerdem eine Befreiungs­möglichkeiten vor. In der beabsich­tigten Neuregelung wäre die Übertragung von zweimal 50 Prozent steuerbar. Für den neuen Tatbestand § 1 Abs. 2b GrEStG-E sollen zudem aus rechtstechnischen Gründen keine Befreiungsvorschriften greifen. Zusätzlich zur Schenkungsteuerbelastung wird das Unternehmen also mit Grunderwerbsteuer belastet, in Berlin bspw. mit 240.000 Euro.

 

Anwendungszeitraum und mögliche Rückwirkung für Altfälle

Erschwerend kommt bei den Neuregelungen hinzu, dass derzeit noch nicht endgültig klar ist, ab wann sie greifen sollen und wie weit eine eventuelle Rückwirkung reichen kann. Zwar sollen die Neuregelungen erst auf Erwerbsvorgänge ab dem 1. Januar 2020 Anwendung finden; bei den Tatbeständen, die einen Anteilsübergang innerhalb eines Zehn-Jahres-Zeitraum besteuern, ist aber zu befürchten, dass auch Bewegungen in der Vergangenheit mitgezählt werden. Das kann bspw. dazu führen, dass die Aktionäre einer Aktiengesellschaft – nach derzeitiger Rechtslage nicht steuerbar – 2011 und 2018 zu jeweils 50 Prozent gewechselt haben, und die Übertragung einer einzelnen Aktie im Jahr 2020 zur Steuerpflicht für das gesamte Grundvermögen der Gesellschaft, ggf. einschließlich ihrer Tochtergesellschaften, führt. 
 
Laufende Übertragungen müssen jedenfalls bis zum 31. Dezember 2019 abgeschlossen sein: Für viele Grund­erwerbsteuer-Tatbestände ist nicht das Datum des Notarvertrags entscheidend, sondern der sachen­rechtliche Übergang der Anteile, der oft erst nach Kaufpreiszahlung oder bei Personen­gesell­schaften mit der Eintragung im Handelsregister erfolgt. Nur wenn in der Zeit von 9. August 2018 bis 8. August 2019 ein Verpflichtungs­geschäft – bspw. ein Kaufvertrag – über Anteile geschlossen worden ist, kann es je nach Sach­verhalt bis zum 8. August 2020 erfüllt werden, ohne dass die Neuregelungen auf den dinglichen Übergang der Anteile anzuwenden sind.
 
Auch bei den Befreiungsvorschriften sind Auswirkungen auch in die Vergangenheit zu erwarten, etwa bei langfristig angelegten Übertragungen mit Optionsvereinbarungen. Ein Mehrheitsgesellschafter, der seit 2016 zu 94 Prozent an einer grundbesitzenden GmbH & Co KG beteiligt ist, kann bspw. nicht mehr damit rechnen, die verbleibenden Anteile ab 2020 mit weitgehender Steuerbegünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu übernehmen; nach dem vorliegenden Gesetzentwurf würde bis zum Ablauf von 15 (!) Jahren nach dem Erwerb der 94 Prozent-Beteiligung in voller Höhe Grunderwerbsteuer anfallen. Ein Verkaufs­recht („Put-Option”) des Minderheits­gesell­schafters muss in solchen Fällen noch einmal überprüft und ggf. neu verhandelt und angepasst werden.

  

Fazit und Handlungsempfehlungen

Es bleibt zu hoffen, dass Bundestag und Bundesrat die geplanten Änderungen im Gesetzgebungs­verfahren noch einmal kritisch überdenken. Die aktuell geplanten Maßnahmen hätten kaum Aus­wirkungen auf Grundstücks-Spekulationen, würden aber viele unverdächtige Mittelständler und Familienunternehmen vor große Hemmnisse bei Umstrukturierungen und Unternehmensnachfolgen stellen.

 

Laufende Anteilsübertragungen und Umstrukturierungen mit grundbesitzenden Gesellschaften sollten noch einmal überprüft werden, ob die befürchteten Neuregelungen zu einer Steuermehrbelastung führen würden und ob deren zeitliche Anwendung droht. Langfristige Übertragungsmöglichkeiten (z.B. Options­verein­barungen, Übernahmeverpflichtungen über Beteiligungen an grundbesitzenden Gesell­schaften) sollten ebenfalls daraufhin geprüft werden, ob eine Anpassung von Fristen erforderlich und denkbar ist, um eine unerwartete Mehrbelastung des Unternehmens mit Grunderwerbsteuer möglichst zu vermeiden.

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