Indien: Supreme Court urteilt über Softwarelizenz­gebühren

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veröffentlicht am 8. Mai 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

  

​In einem Grundsatzurteil entschied der Supreme Court am 2. März 2021, dass Ein­künfte ausländischer Unternehmen aus Softwarelizenzen i.d.R. nicht der Income Tax unterliegen.

  

  

Voraussetzung ist, dass die Unternehmen durch ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) geschützt sind. Das oberste Gericht Indiens schafft damit Klarheit in einem Streit, mit dem sich schon viele indische Instanzen in vielen unterschiedlichen Fallgestaltungen befasst hatten.

 

Hintergrund

Kern des Streits ist die Frage der Steuerpflicht grenzüberschreitender Zahlungen für Softwarelizenzen, d.h. die Frage, ob solche Zahlungen als Lizenzgebühren im Sinne des nationalen indischen Rechts und der geltenden DBAs zu verstehen und damit steuerpflichtig sind. Die ausländischen Steuerpflichtigen vertraten den Stand­punkt, dass sie nur Zahlungen für die Gewährung eines Rechts zur Nutzung eines urheberrechtlich geschütztes Gut erhalten hätten und nicht für ein Recht zur Nutzung des Urheberrechts an der Software. Ein solches Recht hätten sie gar nicht lizensiert, das Geschäft entspräche eher dem Verkauf einer Ware. Die indische Finanz­verwaltung betrachtete die Softwarelizenzgebühren hingegen als steuerpflichtige Vergütung für die Nutzung von Urheberrecht, mit dem Argument, die Lizenznehmer würden Verwertungsrechte an der Software erhalten, die sie u.a. berechtigen würden, back-up Kopien anzufertigen und die Software zu speichern.

 

In mehreren Berufungsentscheidungen entschied der High Court Delhi zugunsten der Steuerpflichtigen. Der High Court Karnataka stufte die Zahlungen dagegen als steuerpflichtige Lizenzgebühren ein. Folglich musste der Supreme Court entscheiden.

 

Entscheidung des Supreme Court

Der Supreme Court schloss sich der Auffassung des High Court Delhi an. Er befand, dass in allen zur Ent­scheidung vorliegenden Sachverhalten der Erwerber der Softwarelizenz kein Recht zur Nutzung des der Software zugrundeliegenden Urheberrechts erworben hätte, sondern nur das Recht zur Nutzung eines urheber­rechtliches geschütztes Guts. Die abweichende Auffassung der indischen Finanzverwaltung wurde abgelehnt. Der Supreme Court entschied dabei, dass zur Auslegung des Begriffes des Urheberechts im Sinne des Income Tax Act die Definitionen des indischen Urheberrechtgesetzes (Copyright Act) anzuwenden seien. Hiernach zeichne sich ein Urheberrecht insbesondere dadurch aus, dass es dem Urheber das Recht gebe, ein Werk zu reproduzieren, Kopien anzufertigen und bei Software, diese auch zu verkaufen oder zu vermieten.

 

Folgende Fallgruppen wurden entschieden:

  1. Ein ausländisches Unternehmen (z.B. ein Softwareentwickler) verkauft eine Softwarelizenz an einen indischen Kunden für dessen eigenen Nutzung
  2. Ein indisches Unternehmen kauft (von einem ausländischen Unternehmen) eine Softwarelizenz und verkauft sie an einen indischen Kunden für den Zweck des Wiederverkaufs
  3. Ein ausländisches Unternehmen kauft eine Softwarelizenz außerhalb Indiens an und verkauft sie an einen indischen Kunden für dessen eigene Nutzung oder für den Zweck des Wiederverkaufs
  4. Ein ausländisches Unternehmen integriert eine Software in ein Produkt und verkauft das Produkt an einen indischen Kunden für dessen eigene Nutzung oder für den Zweck des Wiederverkaufs

 

Rechtliche Einordnung von Softwarelizenzgebühren

Das Gericht ging in allen Fällen auf die jeweils zugrundeliegende Nutzungsvereinbarung (End User License Agreement/EULA) bzw. Vertriebsvereinbarung (Distribution Agreement) ein. Dabei stellte es fest, dass dem Lizenznehmer in allen Fällen nur ein Recht auf die Nutzung oder den Weiterverkauf der Software eingeräumt worden wäre. In keinem der Fälle hätte sich der Lizenzgeber auch nur teilweise von einem seiner Urheberrechte getrennt und sie dem Lizenznehmer ein Recht zur Nutzung überlassen. Das Gericht machte dies vor allem an den in den Vereinbarungen ausgesprochenen Verboten und Klarstellungen fest.

 

Für die Fallgruppe 1, der Nutzung für eigene Zwecke u.a.:

  • dem Verbot einer Veränderung der Software
  • dem Verbot einer Unterlizensierung der Software

 
Für die Fallgruppe 2, dem Wiederverkauf u.a.:

  • dem Verbot der Übertragung jeglicher Rechte aus der Vereinbarung an Dritte
  • dem Verbot einer Veränderung der Software
  • der Klarstellung, dass keine Rechte am Urheberrecht eingeräumt werden

 
Für die Fallgruppe 3, der Nutzung für eigene Zwecke oder den Wiederverkauf u.a.:

  • dem Verbot einer Veränderung der Software
  • dem Verbot der Herstellung von Kopien
  • der Klarstellung, dass keine Rechte am Urheberrecht eingeräumt werden

 
Für die Fallgruppe 4, des Kaufs einer Ware mit integrierter Software u.a.:

  • dem Verbot der Herstellung von Kopien
  • der Klarstellung, dass keine Rechte am Urheberrecht eingeräumt werden

 

Nirgends sei nach dem Supreme Court ein Recht eingeräumt worden, das einer Nutzung eines Urheberrechts gleichkommt. So würde beispielsweise an keiner Stelle ein Recht gewährt die Software zu vervielfältigen. Das Gericht zog einen Vergleich mit einem englischen Verlag, der 2.000 Exemplare eines Buchs an einen indischen Buchhändler verkauft. Auch hier würde der Buchhändler kein Recht zur Nutzung des Urheberrechts an dem Werk erhalten. Er dürfe insbesondere keine Kopien anfertigen und verkaufen.

 

Ausweitung der Definition von Lizenzgebühren und der Vorrang von Doppel­be­steuerungs­abkommen

In einem zweiten Schritt setzte sich das Gericht mit dem Versuch des Gesetzgebers auseinander, den Streit über die Besteuerung von Softwarelizenzgebühren durch eine Gesetzesänderung zu Gunsten des Staates zu entscheiden. Im Jahr 2012, als sich bereits einige High Courts mit dem Thema befasst hatten, änderte der Gesetzgeber die Vorschriften des Income Tax Act und definierte, dass die Einräumung eines Rechts zur Nutzung einer Software stets als Einräumung eines Rechts zur Nutzung eines Urheberrechts anzusehen sei. Diese Definition sei auch für die Vergangenheit anzuwenden (rückwirkend seit 1976) und sie wäre nur eine „Klarstellung“ der Rechtslage. Diese Definition hätte abweichenden Gerichtsentscheidungen nachträglich die Grundlage entzogen. Der Supreme Court trat dem Gesetzgeber entschieden entgegen und bezeichnete es als nachgerade „lächerlich“, die Neuregelung als eine rückwirkende Klarstellung ab 1976 zu begreifen, einer Zeit in der Software kaum bekannt und schon gar nicht gesetzlich normiert war. Es wäre für den Steuerpflichtigen unmöglich gewesen, eine solche Regelung zu erkennen und zu befolgen und das Gesetz dürfen nichts Unmögliches verlangen.

 

Ferner bekräftigte der Supreme Court seine Auffassung, dass zwischenstaatliche Doppelbesteuerungs­ab­kommen (DBAs) dem nationalen Recht vorgehen, soweit sie für den Steuerpflichtigen günstiger sind. Von besonderer Relevanz sei bei der Auslegung der DBAs auch der OECD Kommentar zum OECD Muster­ab­kommen. Obwohl Indien nicht Mitglied der OECD ist, gebe er wichtige Hinweise („persuasive effect“). Der Supreme Court erkannte zutreffend, dass die OECD die Einräumung eines Rechts zum Gebrauch oder zum Weiterverkauf einer Software nicht als Überlassung eines Rechts zur Nutzung eines Urheberrechts im Sinne des Abkommens versteht. Interessant ist ferner, dass der Supreme Court den von Indien zur betreffenden Kommentarstelle geäußerte Vorbehalt („Reservation“) für irrelevant hält. Zum einen bringe ein solcher Vor­be­halt nur zum Ausdruck, dass Indien beabsichtige, in zukünftigen DBAs abweichende Regelungen zu vereinbaren, und diese wäre eben nicht geschehen. Zum anderen, und dies ist bedeutsam, hob der Supreme Court hervor, dass sich ausländische Steuerpflichtige auf den OECD Kommentar verlassen können müssen, zumindest solange keine hiervon abweichende und einheitliche Rechtsprechung besteht. Auf Basis dieser Argumentation lehnte der Supreme Court die Anwendung der „klarstellenden“ Gesetzesänderung von 2012 mit ihrer Ausdehnung der Steuerpflicht ab. Die Steuerpflichtigen seien durch ihre jeweiligen DBAs geschützt gewesen.

 

Verpflichtung zum Einbehalt von Steuern

Mit Verweis auf seine frühere Entscheidung in Sachen GE India Technology Centre (P) Ltd. (2010) 10 SCC 29, bekräftigte der Supreme Court, dass eine Pflicht des Lizenznehmers zur Zahlung von Quellensteuer nur besteht, wenn die Lizenzgebühr tatsächlich der Steuer unterliegt - und dies sei hier eben nicht der Fall. Der ausländische Steuerpflichtige wird daher nicht darauf verwiesen, erst einen Steuerabzug hinzunehmen und im Nachgang eine Erstattung in Indien beantragen zu müssen. Hinweis: Um den Lizenznehmer davon zu über­zeugen, dass er aufgrund der Regelungen des geltenden DBAs keine Quellensteuer abführen muss, hat der Steuerpflichtige bereits mit seiner Rechnung unter anderem eine steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung seines Sitzstaates vorzulegen. Nur dann ist der Lizenznehmer in der Lage, über den Quellensteuereinbehalt entscheiden.

 

Unsere Einschätzung

Der Supreme Court beendet mit seiner Entscheidung die langjährige Kontroverse über die Besteuerung von Einkünften ausländischer Unternehmen aus Softwarelizenzen. Sie schafft Klarheit für alle vier oben genannten Fallgruppen. Darüber hinaus hat die Entscheidung unserer Meinung nach auch Wirkung auf aktuelle Sach­verhalte. Ausländische Steuerpflichtige können sich unter Verweis auf die für sie geltenden Regelungen der jeweiligen DBAs darauf berufen, dass die erweiterte Definition von Lizenzgebühren im Sinne der „Klarstellung“ von 2012 für sie nicht gilt. Ihre Einkünfte aus der Überlassung eines Rechts zur Nutzung oder zum Weiter­ver­kauf einer Software an einen indischen Abnehmer unterliegen nicht der Income Tax. Jedoch zeigt die Tatsache, dass der Supreme Court die Lizenzvereinbarungen im Detail analysiert hat, wie wichtig eine sorgfältige Prüfung ist, ob die Entscheidung auch auf die eigene Fallgestaltung angewandt werden kann.

 

Nicht vom Supreme Court erwähnt, aber weiterhin geltendes Recht ist, dass ein ausländischer Steuer­pflichtiger eine Steuererklärung in Indien einzureichen hat, wenn er beansprucht, dass eigentlich in Indien steuerpflichtige Einkünfte durch das geltende DBA befreit seien. Dies ist für Softwarelizenzgebühren der Fall. Die indische Finanzverwaltung ist daran interessiert, Kenntnis von den Einkünften zu erhalten und gegebenenfalls die Abkommensberechtigung des Steuerpflichtigen zu prüfen. Vor diesem nur formalen Erschwernis schützt ein DBA nicht.

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