Änderung der Verfahrensordnungen als Fortsetzung der Justizreform in der Ukraine

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​veröffentlicht am 19. Oktober 2017
  

Die Justizreform in der Ukraine gehört mit Sicherheit zu einer der schwierigsten Reformen, die nach der Maidan-Revolution durchzuführen ist. Die Reformierung der bestehenden Justiz ist notwendig und wird durch die internationale Gemeinschaft unterstützt.

 

 

Bereits im Juni 2016 hat das ukrainische Parlament die Novellierung der Verfassung sowie das „Gesetz über das Gerichtswesen und den Status von Richtern” verabschiedet. Damit wurde die lang erwartete Justizreform in der Ukraine in Gang gesetzt. Die Durchführung der Reform wurde für mehrere Jahre geplant. Ziel ist es, das korrumpierte, politisch abhängige System der ukrainischen Justizverwaltung zu heilen.

 

Im Laufe des letzten Jahres wurde im Rahmen der Justizreform ein Auswahlverfahren für Richter am Obersten Gerichtshof durchgeführt. Als nächster Schritt wurden die Vorschriften der Prozessordnungen geändert, um eine ungestörte Arbeit des Obersten Gerichtshofs zu ermöglichen sowie die Vorschriften der Prozessordnungen zu modernisieren und anzupassen.

 

Am 3.  Oktober 2017 wurde das Gesetz über die „Änderungen an der Wirtschaftsprozessordnung, der Zivilprozessordnung und an den anderen Gesetzen” verabschiedet. Es gehört zu dem Gesetzespaket der Justizreform und bringt erhebliche Änderungen in die ukrainischen Verfahrensordnungen wie Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung sowie in den Verwaltungsverfahrensordnung. 

 

Die vorgenommenen Änderungen in den Verfahrensordnungen gewährleisten die Stärkung der Rechte der Parteien nach den anerkannten Verfahrensgrundsätzen  – z.B. Dispositionsgrundsatz, Proportionalität oder kontradiktorisches Verfahren.

 

Die wichtigsten Änderungen

  • 1. Eine der wichtigsten Neuerungen des Gesetzes ist die Einführung des Obersten Gerichtshofs als einzige Kassationsinstanz in der Ukraine und die Bestimmung einer neuen Verfahrensordnung für diese Instanz. Das Gesetz begrenzt auch den Kreis der Sachen, die unter die Kassation fallen. Der Hohe Rat der Justiz ernannte insgesamt 111 Richter zum neuen Obersten Gerichtshof. Darunter sind Akademiker, Rechtsgelehrte, Anwälte, Menschenrechtsaktivisten und Richter. Präsident Petro Poroschenko besitzt lediglich ein symbolisches Recht, die Ernennungen zu unterzeichnen.

 

  • 2. Nach der Neufassung der Zivilprozessordnung und des Gesetzes der Ordnungswidrigkeiten wird der Beklagte, eine dritte Person oder ein Zeuge, dessen Wohnsitz, Wohnort oder Arbeitsort unbekannt ist, durch eine Bekanntmachung auf dem offiziellen Webportal der Justizbehörde der Ukraine vorgeladen.

 

  • 3. Bei Nichterfüllung von Verfahrenspflichten, Missbrauch von Verfahrensrechten und anderen Verstößen gegen Prozessordnungen kann eine Geldbuße verhängt werden. 
     
  • 4. Nach der neuen Fassung der Verfahrensordnung für Wirtschaftssachen wird im System der Wirtschaftsgerichte ein neues Gericht tätig sein – das Oberste Gericht für Geistiges Eigentum.

 

  • 5. Das Gesetz sieht die Einführung eines „elektronischen Gerichts” vor. Es wird dann möglich sein, alle Verfahrenshandlungen durch alle Mittel der elektronischen Kommunikation vorzunehmen. Entsprechende Identifikations- und Sicherheitsmechanismen sollen gewährleistet werden. So sollen die Klagen und andere Prozessschrifften in diesem System am Eingangstag registriert werden. Alle gerichtlichen Dokumente werden in elektronischer Form erstellt, wobei die Parteien auf Wunsch auch eine Gerichtsentscheidung in Papierform erhalten werden können. Die Schaffung dieses „elektronischen Gerichts” kann noch einige Zeit in Anspruch nehmen. 

 

  • 6. Eine weitere Änderung der Prozessverfahrensordnung erlaubt es den Richtern, die Verfilmung von Gerichtsverhandlungen auch in öffentlichen Prozessen zu verbieten und Besucher daran zu hindern, an den Sitzungen teilzunehmen, wenn nicht genügend Sitze vorhanden sind. Kritiker behaupten, dass diese Regelung der Transparenz der Justiz einen schweren Schlag versetzen wird.
     
  • 7. Die Gerichtsgebühren sollen erhöht werden.

 

Ein entscheidender Aspekt der Justizreform ist die Schaffung eines unabhängigen Antikorruptionsgerichts, das in der Lage wäre, korrupte Beamte ins Gefängnis zu bringen und die Fälle zu entscheiden, die die konventionellen Gerichte versäumt haben. Anti-Korruptionsrichter sollen durch einen offenen und transparenten Wettbewerb unter der Beteiligung von Zivilgesellschaft und Vertreter der westlichen Länder ausgesucht und ausgewählt werden. Die Richter sollten höhere Löhne und mehr Sicherheitskräfte bekommen, um ihre Unabhängigkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Leider ist bis jetzt nicht absehbar, wann dieses Gericht gegründet wird und seine Arbeit aufnimmt. Zwar versichert der Präsident Poroschenko, dass er die Gesetzgebung zur Schaffung des Anti-Korruptionsgerichte unterstützen würde aber bis dato wurden keine ernsthaften Schritte vorgenommen. Stattdessen hat er sogenannte „Antikorruptionspanels” an bestehenden Gerichten vorgeschlagen.

 

Fazit

Die Verabschiedung des Gesetzes ist zu begrüßen, da der Reformprozess der ukrainischen Justiz fortgesetzt wird. Positiv zu bewerten ist die Einführung des „Elektronischen Gerichtes”, das den Dokumentenaustausch vereinfachen wird und dadurch vermutlich der Prozessgang beschleunigt wird. Durch die Einführung der Vorschriften über den Obersten Gerichtshof wird die Aufnahme der Arbeit durch dieses Gericht möglich. Die Justizreform in der Ukraine ist ein langjähriges Projekt und soll nach verschiedenen Etappen verwirklicht werden. Die Verabschiedung des Gesetzes über die „Änderungen an der Wirtschaftsprozessordnung, der Zivilprozessordnung und an den anderen Gesetzen” ist mit Sicherheit eine nächste Etappe dieses Prozesses und daher insgesamt positiv zu bewerten.

 

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