Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht – Regulieren durch Reporting

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zuletzt aktualisiert am 15. September 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Mit der zunehmenden Globalisierung sowie dem wachsenden Einfluss von Märkten und international tätigen Unternehmen steigt auch die Bedeutung des Schutzes von Menschenrechten in Lieferketten. In den letzten Jahrzehnten konnten die re­gu­la­­to­ri­schen Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte in Lieferketten nicht mit den dynamischen Entwicklungen der Märkte schritthalten. Da internationale Regelungen zur Achtung der Menschenrechte, wie beispielsweise die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, in der Regel keine direkten Verpflichtungen für Unternehmen dar­stellen, gibt es derzeit keine allgemein gültigen Rechtsvorschriften über die Sorgfalts­pflichten eines Unternehmens in seiner Lieferkette.




Das Fehlen universeller Verpflichtungen ermöglichte unter anderem Katastrophen, wie den Einsturz der Textil­fabrik Rana Plaza im Jahr 2013. Darüber hinaus hat es zur Entstehung unterschiedlichster Regelungen auf na­tio­naler Ebene geführt. Diese fragmentierte Entwicklung von Regulierungsmaßnahmen, hat ein Mosaik unter­schiedlicher nationaler Verpflichtungen hervorgebracht. Derzeit wird auf europäischer Ebene zwar ein Liefer­kettengesetz ausgearbeitet, bislang unterscheiden sich die Menschenrechtsregularien auf nationaler Ebene allerdings noch stark hinsichtlich ihres Geltungsbereichs, ihrer Sanktionsmaßnahmen und ihrer Rechtspre­chung.

Während Deutschland und Norwegen erst kürzlich Gesetze zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Un­ter­­neh­men verabschiedet haben, existieren in anderen Ländern, wie dem Vereinigten Königreich, Frankreich oder den Niederlanden, bereits seit mehreren Jahren verbindliche Regelungen. Wieder andere Länder haben bislang nur freiwillige Regulatorien implementiert oder gar keine Vorschriften erlassen. 

Aber auch zwischen den bestehenden Gesetzen gibt es große Unterschiede: Während sich beispielsweise die Gesetzgebung des Vereinigten Königreichs auf moderne Sklaverei konzentriert, zielt die niederländische Ge­setz­gebung in erster Linie auf Kinderarbeit ab. Die Vorschriften unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihren Schwerpunkten, sondern auch generell in vielfältiger Weise wie den Verpflichtungen, die sie Unternehmen auf­erlegen. 

Die nachstehenden Übersichten sollen einen Überblick über ausgewählte, derzeit geltenden nationale Sorg­falts­pflichtengesetze geben. Neben den unten aufgeführten Gesetzen gibt es weitere Länder wie Australien oder die USA, die vergleichbare Gesetze erlassen haben. Darüber hinaus verfügen einige der genannten Länder über zusätzliche nationale Rechtsvorschriften, die das Thema aufgreifen wie z. B. die nationalen Aktionspläne für Wirtschaft und Menschenrechte oder Gesetze wie der Grenelle II Act in Frankreich oder der Bribery Act im Vereinigten Königreich. 

 Deutschland – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (2021)

Geltungsbereich


Gültig ab 2023:

  • Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland, die mehr als 3.000 Arbeitnehmern und Arbeit­neh­mer­innen in Deutschland beschäftigen (einschließlich entsandter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen).


Gültig ab 2024:

  • Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland, die mehr als 1.000 Arbeitnehmern und Arbeit­neh­mer­innen in Deutschland beschäftigen (einschließlich entsandter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen).

Wichtige Fakten:


Der Fokus des Gesetzes liegt auf Sorgfaltspflichten und Berichterstattung. 

Von dem Gesetz betroffene Unternehmen müssen über bestimmte Sorgfaltspflichten berichten sowie eine Reihe von Risikobewertungs-, Präventions- und Abhilfemaßnahmen implementieren.  

Zu den Maßnahmen gehören die Durchführung einer Risikoanalyse, die Einführung eines Risikomanagements, die Festlegung von Verantwortlichkeiten, die Veröffentlichung einer Grundsatzerklärung, die Ergreifung von Präventiv- und Abhilfemaßnahmen sowie die regelmäßige Berichterstattung über die Sorgfaltspflichten des Unternehmens.



 Frankreich – Loi de Vigilance (2017)

Geltungsbereich


Gültig für Unternehmen mit:
  • mindestens 5.000 Beschäftigten innerhalb des Unternehmens sowie direkten und indirekten Tochter­gesell­schaf­ten, deren Hauptsitz sich auf französischem Gebiet befindet
  • mindestens 10.000 Beschäftigten innerhalb des Unternehmens sowie direkten oder indirekten Tochter­gesell­schaften, deren Hauptsitz sich auf französischem Gebiet oder im Ausland befindet.

Wichtige Fakten:


Der Fokus des Gesetzes liegt auf Sorgfaltspflichten und Berichterstattung. 

Von dem Gesetz betroffene Unternehmen müssen einen sogenannten "Vigilance Plan" („Wachsamkeitsplan“) veröffentlichen und implementieren.

Dieser Plan muss geeignete Überwachungsmaßnahmen enthalten, um die Risiken schwerer Verletzungen von Menschenrechten und Grundfreiheiten sowie Gesundheitsrisiken, Umweltschäden und schwere Körper­ver­let­zungen zu erkennen und zu verhindern. 

Das Gesetz adressiert Risiken, die sich direkt oder indirekt aus den Tätigkeiten von Unternehmen sowie be­stimm­ter Unterauftragnehmer und Lieferanten ergeben.

Unternehmen, die den Verpflichtungen nicht nachkommen, können haftbar gemacht werden.






 Vereinigtes Königreich – Modern Slavery Act – Bestimmungen zur Transparenz in der Lieferkette /Abschnitt 54 (2015)

Geltungsbereich


Jede Organisation in jedem Teil einer Unternehmensstruktur, die:

 
  • eine juristische Person darstellt oder eine Personengesellschaft ist
  • ein Unternehmen oder einen Teil eines Unternehmens im Vereinigten Königreich betreiben
  • Waren oder Dienstleistungen anbieten
  • einen Jahresumsatz von 36 Millionen Pfund oder mehr hat

WICHTIGE FAKTEN:


Der Fokus des Gesetzes liegt auf moderner Sklaverei.

Das Gesetz legt Straftatbestände fest, die Beihilfe, Anstiftung, Beratung oder Vermittlung von Sklaverei, Leib­eigen­schaft, Zwangs- oder Pflichtarbeit und Menschenhandel umfassen.

Unternehmen, die unter das Gesetz fallen, müssen jährlich eine Erklärung zu Sklaverei und Menschenhandel erstellen, welche Informationen über das Unternehmen selbst und seine Lieferkette sowie über Risiken, Stra­te­gien und Maßnahmen in Bezug auf Sklaverei enthält.

Das Gesetz betrifft kommerzielle Organisationen und ihre Lieferketten.

Die durch das Gesetz auferlegten Pflichten sind durchsetzbar und Unternehmen, die sie nicht einhalten, müssen mit Unterlassungsklagen und Geldstrafen rechnen.




 Niederlande – Child Labour Due Diligence Act (2017)

Geltungsbereich


  • Child Labour Due Diligence AcDas Gesetz wird voraussichtlich 2022 in Kraft treten (es wurde bereits 2019 verabschiedet, aufgrund von Verzögerungen ist es allerdings noch nicht in Kraft getreten).
  • Das Gesetz gilt für alle national registrierten multinationalen Unternehmen sowie ausländische Unter­neh­men, die mehr als zweimal im Kalenderjahr Waren oder Dienstleistungen an niederländische Verbraucher und Verbraucherinnen verkaufen oder liefern.
  • Ausnahmen für Sektoren oder Unternehmen mit geringem Risiko für Kinderarbeit werden höchst­wahr­schein­lich festgelegt.

WICHTIGE FAKTEN:


Das Gesetz schreibt vor, dass festgelegte multinationale Unternehmen (auch Unternehmen mit Sitz im Aus­land), die in den Niederlanden Waren oder Dienstleistungen anbieten, die Sorgfaltspflicht für Kinderarbeit erfüllen und darüber Bericht erstatten müssen.

Die betroffenen Unternehmen müssen Risiken analysieren, einen Aktionsplan aufstellen und implementieren sowie eine Erklärung abgeben, dass sie ihre Sorgfaltspflicht in Bezug auf Kinderarbeit in ihrer Lieferkette erfüllen.

Ein Unternehmen kann mit einer Geldbuße belegt werden, wenn es versäumt, eine Stellungnahme zu ver­öffent­lichen, im Gesetz vorgesehene Sorgfaltspflichten zu erfüllen oder einen Aktionsplan zu erstellen.








 Norwegen – Transparenzgesetz (2021)

Geltungsbereich


  • mindestens 50 Vollzeitbeschäftigte oder entsprechende jährliche Arbeitsstunden
  • ein Jahresumsatz von mindestens 70 Mio. NOK
  • eine Bilanzsumme von mindestens 35 Mio. NOK

WICHTIGE FAKTEN:


Der Fokus des Gesetzes liegt auf Sorgfaltspflichten und Berichterstattung. 

Die Gesetzgebung schreibt vor, dass haftende Unternehmen in der Lage sein müssen, Rechenschaft über Menschen­rechte und faire Arbeitspraktiken abzulegen.

Unternehmen, die unter das Gesetz fallen, müssen eine Sorgfaltspflichtenprüfung in Bezug auf Men­schen­rech­te und menschenwürdige Arbeitsbedingungen durchführen sowie jährlich über ihre Strategien, Praktiken und Befunde zur Sorgfaltspflichtenprüfung berichten.

Das Gesetz umfasst sowohl unternehmensinterne Abläufe als auch direkte und indirekte Zulieferer und Unter­auf­trag­nehmer.

Die Nichteinhaltung des Gesetzes wird mit Sanktionen wie Durchsetzungsstrafen und Vertragsverletzungs­strafen geahndet.





 Italien – Italienische Rechtsverordnung 231/2001

Geltungsbereich


Körperschaften, Gesellschaften und Vereinigungen, einschließlich solcher, die keine juristischen Personen sind.


WICHTIGE FAKTEN:

 

Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf der verwaltungsrechtlichen Haftung.

 

Das Gesetz regelt die verwaltungsrechtliche Verantwortung von juristischen Personen für Straftaten.

 

Es umfasst spezifische Menschenrechtsverletzungen wie Sklaverei, Menschenhandel oder Zwangsarbeit.

 

Unternehmen können die Haftung vermeiden, indem sie z. B. risikobehaftete Tätigkeiten ermitteln, spezifische Protokolle und Entscheidungsprozesse für die zu verhindernden Straftaten vorsehen oder Verfahren für die Verwaltung finanzieller Mittel einrichten, um die Begehung von Straftaten zu verhindern.

 

Das Gesetz sieht verschiedene Arten von Sanktionen vor, von Geldstrafen über die Aberkennung von Rechten bis hin zur Beschlagnahme von Erträgen oder Gewinnen.

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