Neues Anti-Fälschungssystem für Arzneimittel: Folgen für Parallelimporte und Onlinehandel

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veröffentlicht am 25. April 2019


Arzneimittelfälschungen sind ein globales Problem, das eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Patienten darstellt und zudem dazu führen kann, dass diese auch das Vertrauen in die legale Lieferkette verlieren. Der Anteil gefälschter Arzneimittel am Weltmarkt wird oftmals auf rund zehn Prozent geschätzt, auch wenn die Gefährdung in Industrienationen wie Deutschland und in weiteren EU-Mitgliedstaaten geringer zu bewerten ist. Nichtsdestotrotz ist die Zahl der aufgedeckten Fälle auch in Deutschland und in der EU über die Jahre deutlich angestiegen.


   

Nicht ohne Grund hat der EU-Gesetzgeber daher schon seit langem Überwachungs- und Vorsorgemaß­nahmen auch zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen geschaffen, bspw. ein Schnellwarnsystem („Rapid Alert System”). Zuletzt wurden die Bemühungen durch die Einführung besonderer Sicherheitsmerk­male zum Schutz vor Fälschungen – inklusive des Sicherheitssystems „securPharm” und des EU-Sicherheitslogos für Online-Apotheken – intensiviert.


Rechtsgrundlage ist der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG), der durch die Änderungsrichtlinie 2011/62/EU (sog. „Fälschungsschutzrichtlinie”) um den Artikel 54a ergänzt wurde. Er regelt das Anbringen von Sicherheitsmerkmalen an Arzneimittelverpackungen. Wirksam wurde die neue Regelung aber erst in Verbindung mit der Delegierten Verordnung (EU) 2016/161, in der die EU-Kommission die Einzelheiten zu den Sicherheitsmerkmalen festgelegt hat. Der deutsche Gesetzgeber hat die europäischen Vorgaben pflichtgemäß ins Arzneimittelgesetz eingearbeitet (siehe § 10 Abs. 1c AMG mit Verweis auf die europäischen Regelungen). Seit dem 9. Februar 2019 sind diese Regeln für alle Hersteller und Händler von Arzneimitteln verbindlich.


Vorgaben der Fälschungsschutzrichtlinie

Danach sind Arzneimittel nunmehr durch zwei Sicherheitsmerkmale auf „Echtheit” überprüfbar: Die Verpackungen müssen ein individuelles Erkennungsmerkmal (Produkt-Barcode) zur Identifizierung tragen sowie eine Vorrichtung gegen Manipulation aufweisen, mit der erkennbar ist, ob die äußere Verpackung bereits geöffnet bzw. manipuliert wurde („anti-tampering device”, Erstöffnungsschutz, Originalitätsver­schluss). In Deutschland fordert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dass die Arzneimittel die Sicherheitsmerkmale grundsätzlich durch direkten Aufdruck auf der Sekundärverpackung tragen sollen. Die Verwendung von geeigneten Klebeetiketten soll nur in bestimmten Fällen möglich sein, insbesondere wenn aufgrund der Art der Verpackung ein direktes Aufdrucken nicht möglich ist (z.B. Glas/Kunststoff, ohne äußere Umhüllung, Cellophanierung).


Mit den Sicherheitsmerkmalen zu versehen sind alle Humanarzneimittel, die verschreibungspflichtig und nicht als Ausnahme in der „White list” (Anhang I der delegierten Verordnung (EU) 2016/161) aufgeführt sind (ausgenommen sind z.B. homöopathische Arzneimittel). Für solche Arzneimittel können zum Schutz der Patienten Vorrichtungen zum Erkennen einer möglichen Manipulation jedoch freiwillig von den Zulassungsinhabern angebracht werden.


Auswirkungen der neuen Anforderungen auch auf Parallelimporte

So wichtig der Schutz vor Arzneimittelfälschungen auch ist, stehen die neuen Fälschungsschutzregeln doch in einem gewissen Spannungsverhältnis zum freien Warenverkehr. So ergeben sich gerade im Pharmasektor erhebliche Unterschiede im Preisniveau zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten. Diesem Preisgefälle wirkt der sog. Parallelhandel entgegen, bei dem ein Importeur ein Arzneimittel in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat zu günstigeren Preisen erwirbt und es dann in einem Mitgliedstaat mit höheren Preisen (z.B. Deutschland) i.d.R. „parallel” zu dem Originalhersteller in den Verkehr bringt. Dabei ergeben sich insbesondere regulatorische und markenrechtliche Probleme. Für Arzneimittel, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind, steht ein vereinfachtes Zulassungsverfahren bereit, soweit das Arzneimittel nicht bereits zentral auf europäischer Ebene zugelassen ist. Die Kennzeichnungspflichten in der jeweiligen Landessprache erfordern jedoch meist ein Umpacken der eingeführten Arzneimittel, was auch markenrechtliche Fragen aufwirft. Gegen das erforderliche Umpacken kann sich der Markeninhaber jedoch nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH nicht wehren – um damit eine künstliche Marktabschottung zu erreichen – zumindest solange durch die neue Aufmachung der Verpackung nicht der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann.


Durch das Umpacken ist allerdings auch der Parallelimporteur am neuen Sicherheitssystem beteiligt und muss dementsprechend die Produktionslinien auf den neuesten Stand bringen, um sicherzustellen, dass die in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse mit dem individuellen Erkennungsmerkmal und der Vorrichtung gegen Manipulation versehen sind. Der EU-Gesetzgeber hat für das Ersetzen der Sicherheitsmerkmale in der „Fälschungsschutzrichtlinie” ausdrückliche Regelungen geschaffen. Art. 47a Abs. 1 des Gemeinschafts­kodexes (Richtlinie 2001/83/EG) regelt die Voraussetzungen für ein Entfernen der vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmale (entspricht § 13 Abs. 3a AMWHV):
  • Die Echtheit des Arzneimittels wird überprüft.
  • Es werden neue, gleichwertige Sicherheitsmerkmale gemäß den gesetzlichen Bestimmungen angebracht. Dafür können in der Praxis Klebeetikette ohne „reboxing” verwendet werden.
  • Die Ersetzung wird von der zuständigen Behörde überwacht.

 

Bei der Ersetzung ist insbesondere neben der „guten Herstellungspraxis” („GMP”) die Verordnung (EU) 2016/161 zu beachten. So muss der Parallelimporteur bspw. die alten Erkennungsmerkmale deaktivieren und Protokolle führen. Bei Arzneimitteln, die über den Parallelhandel (Parallelimport und Parallelvertrieb) in den Verkehr gebracht werden und bei denen ein sog. „reboxing” nicht durchgeführt wird, ist die Verwendung von geeigneten Klebeetiketten zwecks Anbringen der Sicherheitsmerkmale möglich. Der Importeur wird auch im Übrigen zum Verantwortlichen; nicht neu ist dabei, dass er der Arzneimittelhaftung unterliegt (Art. 47a Abs. 2).


Ob die neuen Vorschriften zu einer spürbaren Einschränkung des Parallelimports von Arzneimitteln führen, wird davon abhängen, wie kostenaufwendig sich die Umsetzung der Vorgaben für die Händler gestaltet. Die konkrete Ausgestaltung der Sicherheitsmerkmale dürfte jedoch entgegen erster Befürchtungen bei Erlass der „Fälschungsschutzrichtlinie” 2011/62/EU nicht so schwer und unrentabel handzuhaben sein, dass der Parallelhandel zum Erliegen käme.


Fälschungsschutz im Versandhandel mit Arzneimitteln

Von den Fälschungsschutzregeln sind im Übrigen auch Online-Apotheken betroffen, die sich ohnehin gegenüber dem tradierten stationären Apothekensystem in Bezug auf Arzneimittelfälschungen öfter Misstrauen ausgesetzt sehen. Speziell für den Onlinehandel wurde daher mit der „Fälschungsschutzricht­linie” eine Registrierungspflicht geschaffen, deren Durchsetzung die Einführung des gemeinsamen Versandhandelslogo („EU-Sicherheitslogo”) sicherstellen soll (§ 67 Abs. 8 AMG bzw. Art. 85c des Gemeinschaftskodexes).

 

Quelle: Sicherheitslogo für Versandapotheken mit deutscher Landeskennung


Die Verwendung des Logos auf der Website ist bereits seit dem 1. Juli 2015 für alle in der EU niederge­lassenen Internet-Apotheken und -Händler Pflicht und bestätigt, dass sie nach dem jeweiligen nationalen Recht über das Internet Arzneimittel vertreiben dürfen. Durch einen „Klick” auf das EU-Logo auf der Webseite des Anbieters kann nachgeprüft werden, ob dieser tatsächlich registriert ist. Das System macht somit legale Online-Händler von Arzneimitteln erkennbar, damit Verbraucher nicht unwissentlich Arzneimittel von einem illegalen Lieferanten erwerben.


Ausblick und Herausforderungen

Die Fälschungsschutzregeln stellen den bereits hoch regulierten Pharmasektor vor neue Herausforderun­gen. In Deutschland haben die beteiligten Stakeholder mit Securpharm bereits ein System entwickelt, das die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt und das unter den Bedingungen des deutschen Marktes läuft. Es wird für alle Beteiligten (Industrie, Großhändler und Parallelimporteure, Apotheken) eine große Herausforde­rung sein, das System nun flächendeckend zum Laufen zu bringen. Ob damit das Eindringen von Fälschungen in die legale Lieferkette verringert oder sogar verhindert werden kann, bleibt abzuwarten.

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