Funktionsverlagerung ins Ausland – Steuerrisiko im internationalen Unternehmen

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Von Prof. Dr. Oliver Lehmeier und Dr. Rolf Leuner, Rödl & Partner Fürth
 

Die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit im Ausland kann zu steuerlichen Risiken führen, die es rechtzeitig zu identifizieren und ggf. prospektiv zu bermeiden gilt. Eines der größten steuerlichen Risiken stellt die Annahme einer sog. Funktionsverlagerung ins Ausland dar.

Die Allokation bestimmter Aufgaben des inländischen Stammhauses auf eine ausländische Tochtergesellschaft kann für international tätige Unternehmen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Steuerlich ist dies jedoch  risikobehaftet. Die Finanzbehörden streben regelmäßig durch Annahme einer sog. Funktionsverlagerung eine liquiditätsbelastende Sofortversteuerung an, die sogar fiktive künftige Gewinnchancen umfasst. Umgesetzt werden soll damit die Intention des Gesetzgebers, die Verlagerung im Inland geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter zu verhindern bzw. damit verbundenes Gewinnpotenzial als Steuersubstrat zu sichern.
 
Die relativ vage Gesetzesdefinition gestattet der Finanzverwaltung dabei eine exzessive Auslegung. Damit unterfällt nahezu jede betriebswirtschaftliche Aufgabe dem Funktionsbegriff, ohne dass es eines steuerlichen Motives bedarf. Erfasst wird nicht nur idealtypisch die Produktion, Bearbeitung oder Veredelung, sondern bereits die reine Materialbeschaffung.
 

Kriterien der Funktionsverlagerung

Kennzeichnend für die Verlagerung einer inländischen Funktion ist, dass diese künftig im Ausland unter Funktionseinschränkung im Inland ausgeübt wird. Tatbestandlich umrissen wird dies durch einen Übertragungs- bzw. Überlassungsvorgang von materiellen bzw. immateriellen Wirtschaftsgütern sowie „sonstigen Vorteilen”, inklusive der Chancen und Risiken, welche als Funktion anzusehen sind. Als „sonstige Vorteile” gelten Bestandteile des Geschäftswerts wie Kundenaufträge und Kundenstamm, eingearbeitetes Personal
oder Lieferantenbeziehungen. Ob eine Funktionseinschränkung vorliegt, ist anhand adäquater Maßgrößen zu indizieren (z. B. Stück- oder Mitarbeiterzahl). 
 

Auswirkungen und Hinweise

Der Wert der Funktion wird anhand einer sog. Transferpaketbewertung fiktiv bemessen, d. h. die Saldogröße des Werts mit und ohne Funktion wird besteuert. Auch hier ist der Ermessensspielraum groß, weshalb bei einer dem Grunde nach vorliegenden Funktionsverlagerung eine steuerliche Risikoabschätzung nur sehr eingeschränkt möglich
ist.
 
Es gilt daher, betriebswirtschaftliche Entscheidungen, die den Funktionsumfang einer Auslandstochter ändern, vorab kritisch zu analysieren. Nur so können Gegenmaßnahmen frühzeitig initiiert werden, bei denen eine große Bandbreite denkbar ist: von erweiterten Dokumentationen bis zu vertraglichen Lizenzgestaltungen, die eine Übertragung ausschließen. In Zweifelsfällen sollte eine verbindliche Auskunft der Finanzbehörden beantragt werden, was nach unserer Praxiserfahrung auch bereits zu Erfolg führte. 
 

Fazit

Werden Funktionen innerhalb eines international agierenden Unternehmens allokiert, ist aufgrund des weitläufigen Besteuerungstatbestands der Funktionsverlagerung immer auch das steuerliche Risiko und das damit verbundene massive Liquiditätsrisiko in das Kalkül einzubeziehen. Es gilt, betriebswirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen, die nur auf den ersten Blick nicht als Funktionsverlagerung erscheinen, frühzeitig als Risiko zu identifizieren, um präventive Maßnahmen ergreifen zu können.

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Dr. Rolf Leuner

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