Die Steueragenda des Mittelstands – Was sich Familienunternehmen wirklich wünschen

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veröffentlicht am 6. August 2019 | Lesedauer ca. 5 Minuten
 
Die letzte Steuerreform in Deutschland, die der Unternehmensbesteuerung galt, liegt über 10 Jahre zurück. Die Herausforderungen für die Wirtschaft sind seitdem stetig gewachsen: Globalisierung, Digitalisierung, Handelskonflikte in einer vernetzten Welt. Während andere Staaten längst reagiert und ihre Steuersysteme angepasst haben, warten deutsche Familienunternehmen auf einen neuen steuerlichen Rahmen. Die letzten Jahre waren zurecht geprägt von der Bekämpfung internationaler Steuer­vermeidungstaktiken globaler Konzerne. Gleichwohl werden alle Unternehmen von der zunehmenden Überwachung und Steuerverschärfung mit in Haft genommen. Jetzt ist es Zeit für Steuerentlastung und -vereinfachung für den Mittelstand als tragende Säule der deutschen Wirtschaft.
  

                    

Wer als Unternehmen in einer globalisierten Welt bestehen will, muss sich auch im internationalen Steuer­wett­bewerb behaupten. Deutschland ist hier nicht gut aufgestellt: Schon immer ein Hochsteuerland, ist die Steuer­belastung von Unternehmen mittlerweile auf ein Höchstmaß im internationalen Vergleich gestiegen. Während die USA, Frankreich, Großbritannien und viele andere Industriestaaten die effektive Ertragsteuerbelastung in Richtung 20 Prozent verschieben, ist die deutsche Wirtschaft bei einer Steuerquote von jenseits der 30 Prozent angekommen. Bei Familienunternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft können es sogar mehr als 45 Prozent sein. Die deutsche Wirtschaft braucht ein konkurrenzfähiges Steuerniveau bei ungefähr 25 Prozent, damit Deutschland als Investitionsstandort attraktiv bleiben kann.

 

 

Rechtsformneutrale Steuerbelastung

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Die Steuerbelastung sollte an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und nicht an der Rechtsform eines Unternehmens anknüpfen. Dass Deutschland dieses Ziel nicht erreicht, trifft gerade Familienunternehmen, die häufig als Personengesellschaft organisiert sind und damit den hohen persönlichen Einkommensteuersätzen der Gesellschafter unterliegen  –  selbst dann, wenn der Gewinn im Unternehmen verbleibt.

 

Zwar hat der Gesetzgeber 2008 mit Einführung der sog. „Thesaurierungsbegünstigung” (§ 34a EStG) in die richtige Richtung gedacht. Die Regelung besagt, dass in Personengesellschaften der nicht-entnommene Gewinn auf Antrag nur mit 28,25 Prozent Einkommensteuer belastet wird, bei späterer Entnahme aber eine Nach­versteuerung mit pauschal 25 Prozent erfolgt. Der Großteil der Familienunternehmen kann die Vergünstigung jedoch nicht in Anspruch nehmen, da hieraus sogar steuerliche Nachteile drohen. Mit folgenden Maßnahmen kann eine echte steuerliche Gleichstellung des thesaurierten Gewinns kurzfristig erreicht werden:
  • Wahlrecht zwischen dem pauschalen Nachversteuerungssatz von 25 Prozent und dem niedrigeren indivi­duellen Steuersatz.
  • Aufhebung der festgeschriebenen Verwendungsreihenfolge für Entnahmen: Derzeit gilt ein Vorrang für ermäßigt besteuerte Gewinne, sodass es selbst dann zur Nachversteuerung kommt, wenn bereits voll­versteuerte Altrücklagen entnommen werden.
  • Gewerbesteuer und Einkommensteuer sollten aus dem begünstigt besteuerten Gewinn bezahlt werden können, wie es bei Kapitalgesellschaften der Fall ist.
  • Begünstigt besteuerte thesaurierte Gewinne sollten bei Umstrukturierungen auch in die Kapitalgesellschaft „mitgenommen” werden können, ohne dass eine zwangsweise Nachversteuerung droht.

 

Optionsmodell

Ein weiterer Lösungsansatz zur Herstellung einer rechtsformneutralen Besteuerung ist das sog. „Options­modell”. Damit soll es Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft ermöglicht werden, ohne zivilrechtlichen Strukturwechsel für die Anwendung der Körperschaftsbesteuerung zu optieren. Ein reizvoller Ansatz, doch ist fraglich, ob er den meisten Unternehmen zugutekommen kann.

 

Dort, wo ein wachsender Gesellschafterkreis unterschiedlichste Interessenlagen produziert, wird die nur ein­heitlich auszuübende Option ebenso zur Belastungsprobe wie ein klassischer Strukturwechsel. Hinzukommt, dass nach aktuellem Stand einzig die Personengesellschaft mit ihrer transparenten Besteuerung (bei richtiger Gestaltung) Abschirmung vor einer Besteuerung der stillen Reserven bietet, wenn die Gesellschafter zu­nehmend internationaler und –  mit Blick auf Wohn- und Arbeitsort – mobiler werden. Zudem ist die Liste der ungelösten Fragen lang: Probleme mit dem Sonderbetriebsvermögen, der Erfassung von Mehr- und Minder­aufwand aus Ergänzungsbilanzen sowie der weiteren Nutzung von angefallenen Verlusten. Und schließlich muss eine neu eingeführte Optionsbesteuerung in das internationale DBA-Geflecht eingebunden werden, um optierende Unternehmen nicht dem Risiko steuerlicher Doppelbelastung auszusetzen.

 

Ja, ein Optionsmodell könnte auf längere Sicht eine alternative Lösung für eine rechtsformneutrale Besteuerung sein, bietet kurzfristig aber keine durchschlagenden Vorteile für die Verbesserung der steuerlichen Situation von Familienunternehmen. Umso wichtiger ist es, die Reform der Thesaurierungsbesteuerung nicht aus den Augen zu verlieren und parallel auch bei Optionsmöglichkeit beizubehalten.

 

Mittelstandstauglichkeit steuerpolitischer Maßnahmen

Eine Reihe steuerpolitischer Maßnahmen muss mit Blick auf ihre Auswirkungen auf die Belastung des Mittel­stands kritisch geprüft werden:
  • Die Pläne zur nur schrittweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags sind zutiefst mittelstandsfeindlich. Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft bleiben per se – unabhängig von ihrer Größe – von der Entlastung ausgeschlossen. Die diskutierten Einkommensgrenzen bedeuten zudem, dass selbst größere Handwerksbetriebe nicht in den Genuss einer Entlastung kommen. Das alles steht vor dem Hintergrund einer äußerst fragwürdigen verfassungsrechtlichen Grundlage des Solis über 2019 hinaus.
  • Der Plan einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüßen. Der Gesetzesentwurf muss jedoch mittelstandsfreundlich überarbeitet werden. Gerade mittelständische Unter­nehmen ohne große Forschungsabteilung kooperieren mit externen Forschungseinrichtungen wie Universi­täten. Der Plan, Lohnaufwendungen bei Auftragsforschung nicht dem auftraggebenden Unter­nehmen, sondern dem Auftragnehmer zuzuordnen, der aber oftmals selbst nicht förderberechtigt ist, schließt große Teile der mittelständischen Forschungsaktivitäten von der Förderung aus.
  • So berechtigt das Anliegen sein mag, die Transaktion großer Immobilienportfolios endlich der Grunderwerb­steuer zu unterwerfen, die Politik nimmt Kollateralschäden bei der mittelständischen Wirtschaft sehenden Auges in Kauf. Wenn mit der Einführung des neuen § 1 Abs. 2b GrEStG die persönlichen Befreiungen des § 3 GrEStG ausgeschlossen bleiben, wird demnächst jede unternehmerische Nachfolgeregelung von Gesell­schaftsanteilen  –  bei größeren Unternehmen zusätzlich zur ohnehin schon schwerwiegenden Erbschaft­steuer  –  mit Grunderwerbsteuer belastet.

 

Reformen

Auch im internationalen Steuerrecht müssen die Bedürfnisse von Familienunternehmen immer wieder in den Fokus gerückt werden. Aktuell wird gespannt auf den Entwurf einer Reform der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) gewartet. Für Familienunternehmen sind zwei Punkte von immenser Bedeutung. Zum einen die Niedrigbesteuerungsgrenze: Wünschenswert wären 15 Prozent (aktueller deutscher Körperschaftsteuersatz). Verbleibt die Grenze bei den derzeitigen 25 Prozent, fallen viele bisher nicht erfasste Staaten, u.U. sogar die USA, in den Anwendungsbereich. Zweites Problem: die Definition aktiver Tätigkeiten, bei denen eine Hinzu­rechnungsbesteuerung ausscheidet. Was aus dem Gesetzgebungsverfahren bisher durchsickert, lässt befürch­ten, dass z.B. sämtliche Vertriebsgesellschaften neu in die Prüfung einer Hinzurechnungsbesteuerung ein­bezogen werden müssen. Während sich Großunternehmen mit ihren Steuerabteilungen auf solche Heraus­forderungen noch einstellen können, sind Familienunternehmen besonders betroffen  –  arbeiten sie in der Internationalisierung doch häufig mit reinen Vertriebsgesellschaften und stehen mit ihren knappen Kapazitäten vor schier unlösbaren Compliance-Problemen.

 

Die Diskussion um künftige internationale Steuerstrukturen wird von der Erfassung digitaler Geschäftsmodelle geprägt. Einer Digitalsteuer, die die nationalen Umsätze globaler Digitalunternehmen erfasst und z.B. in Frankreich schon eingeführt wurde, steht die deutsche Wirtschaft zurecht skeptisch gegenüber. Nicht, dass es wirtschaftlich nicht angemessen erschiene, Amazon, Google und Co. in den Ländern ihres Markterfolgs zu besteuern; die sich abzeichnenden nationalen Alleingänge erzeugen jedoch wachsende Komplexität und ein nicht in den Griff zu bekommendes Doppelbesteuerungsrisiko. Zudem ist die Verstärkung protektionistischer Tendenzen in der Weltwirtschaft real zu befürchten  –  all das ist Gift für die international ausgerichtete deutsche Wirtschaft. Daher der Appell: Die gerechte Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle muss international ausgehandelt und koordiniert werden!

 

Dabei darf Deutschland seine ureigenen Interessen aber nicht zugunsten einer internationalen Lösung preis­geben. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre herkömmlichen Geschäftsmodelle in die Welt der Digitalisierung zu transformieren. Wenn auch Leistungen im Rahmen von Industrie 4.0 oder der Einsatz von 3D-Druckern zu einer Verlagerung des Besteuerungssubstrats bspw. an den Ort des Marktzugangs führen, verliert Deutschland ein gewaltiges Steuerpotenzial. Zugleich entzieht sich deutschen Familienunternehmen die immens wichtige Verknüpfung ihrer Finanzierung des Gemeinwesens mit dem Ort, an dem sie ihre innovativen Leistungen begründen und von eben diesem Gemeinwesen profitieren. Deshalb sollte die Richtschnur deutscher Steuerpolitik in den anstehenden internationalen Verhandlungen sein: überschaubare Schritte der Reform der internationalen Besteuerungsregelungen für solche digitalen Geschäftsmodelle, für die eine Neuverteilung der Wertschöpfungsbeiträge deutlich erkennbar ist, ohne das deutsche Steuersubstrat den Begehrlichkeiten von Schwellenländern unkontrolliert auszuliefern. Dass dabei die Flankierung durch eine international einheitliche Mindestbesteuerung einen schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten „nach unten” bremsen kann, begrüßen auch und gerade die Familienunternehmen, die in Deutschland ansässig sind und hier wettbewerbsfähige Steuern zahlen wollen.

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Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019)
  • Forschungszulagengesetz
  • Reform der Grundsteuer
  • Förderung gemeinnütziger Vereine
     

Bereits beschlossene Vorhaben »

  • Gesetz zur Förderung des Mietwohnungsneubaus

 

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