Globalisierung – Chancen und Schattenseiten des Weltmarktes

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veröffentlicht am 24. April 2019
 

Für die meisten Ökonomen ist es unstrittig, dass die Globalisierung mit positiven Effekten verbunden ist. Schon der Urvater der Volkswirtschaftslehre, Adam Smith, stellte in seinem Werk „Der Wohl­stand der Nationen” (1776) fest, dass die Arbeitsteilung über eine steigende Produktivität den Wohl­stand der Menschen erhöht. Die Globalisierung ermöglicht es, die Arbeitsteilung optimal auf unter­schiedliche Länder auszuweiten und so ein Maximum an Wohlstand zu generieren.

 

 Prof. Dr. Peter Bofinger kommentiert

Prof. Dr. Peter Bofinger ist Ökonom und Professor am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Geld und Wirtschafts­beziehungen an der Universität Würzburg. Sein Forschungsfokus liegt auf der Europäischen Integration, der Geld- und Währungspolitik und der Energiepolitik. Bis Februar 2019 war er Mitglied im Sachverständigenrat für Wirt­schaft zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Darüber hinaus ist Prof. Dr. Bofinger Autor und Herausgeber zahlreicher Fachpublikationen.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte haben die Einsichten von Adam Smith eindrucksvoll bestätigt. Mit dem Eintritt Chinas in die Weltwirtschaft Anfang der 1990er-Jahre und der nahezu zeitgleichen Öffnung der Länder Mittel- und Osteuropas ist es zu einem starken Anstieg des Welthandels gekommen. In fast allen Län­dern ging diese Entwicklung mit einem steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) einher. 
 
Deutschland hat wie kaum ein anderes Land die Chancen der Globalisierung ergriffen. Der Anteil der Exporte am BIP hat sich von rund 25 Prozent Anfang der 1990-Jahre auf zuletzt fast 50 Prozent erhöht. Bemerkenswert ist dabei, dass es nicht nur die großen Unternehmen waren, die Potenziale des Weltmarktes und insbesondere des chinesischen Marktes erkannten, sondern auch sehr viele kleine und mittlere Unternehmen. Als „Hidden Champions” ist es ihnen gelungen, ganz gezielt spezifische Nischen in den Wertschöpfungsketten zu besetzen und im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Die Bereitschaft, sich der Globalisierung zu stellen und dabei auch modernste Technologien einzusetzen, hat sich nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für ihre Be­schäftig­ten ausgezahlt. Noch nie waren in Deutschland so viele Menschen beschäftigt wie heute. Zur Erfolgs­story der deutschen Wirtschaft gehört natürlich auch die gute Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeit­nehmern sowie die Leistungsbereitschaft und Qualität der Mitarbeiter.

 

Bei der insgesamt positiven Wertung der Globalisierung darf man die Schattenseiten nicht übersehen. So hat die steigende weltweite Arbeitsteilung zwar den Wohlstand der Nationen erhöht, innerhalb der Nationen sind die Gewinne der Globalisierung jedoch ungleich verteilt. Zu den Gewinnern gehören die Hochqualifizierten und die Kapitaleigner, zu den Verlierern die Menschen mit geringerer Qualifikation. Im Ergebnis ist es in vielen Ländern für die Mehrheit der Menschen allenfalls zu einem relativ geringen Anstieg ihres materiellen Wohls­tands gekommen. Dies gefährdet die Legitimation der Globalisierung. Es führt  –  wie das Beispiel der Ver­einigten Staaten zeigt  –  dazu, dass Politiker die Oberhand gewinnen, die ihre Bürger Glauben machen, dass man sie mit protektionistischen Maßnahmen schützen kann.

 

Wenn man verhindern will, dass die Globalisierung ihre Kinder frisst, muss man versuchen, dass die Gewinne aus der weltweiten Arbeitsteilung gerechter verteilt werden als bisher. Das wiederum setzt voraus, dass die Staa­ten über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügen, um die Verlierer zumindest teilweise zu kompen­sieren. Der von der Globalisierung geförderte Steuerwettbewerb erodiert jedoch die finanziellen Spielräume der Nationalstaaten. Er ist deshalb geradezu als eine Autoimmunstörung der Globalisierung anzusehen. Wenn die Globalisierung eine Zukunft haben soll, wird es großer Anstrengungen aller Staaten bedürfen, das für sie im Ergebnis insgesamt nachteilige Herunterkonkurrieren der Steuerbelastung international agierender Unternehmen zu stoppen.

 

Zu den dunklen Seiten der Globalisierung zählt auch der Klimawandel. Ohne eine wirkungsvolle globale Regulie­rung von Schadstoffemissionen ist es aus der Sicht eines einzelnen Landes immer attraktiv, sich durch „Um­welt­­dumping” Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Klimakonferenzen sind dafür kein Ersatz, solange sie keine konkreten Maßnahmen zur Erreichung der gesetzten Ziele enthalten und verbindlich vorschreiben. Die meisten Ökonomen sind sich darin einig, dass eine weltweite Steuer von rund 40 US-Dollar je Tonne CO2 die wirkungs­vollste Maßnahme zur Lösung dieses Problems darstellt. Zumindest auf europäischer Ebene könnte hier ein erster Schritt getan werden.

 

Bei der starken Exposition gegenüber dem Weltmarkt sind deutsche Unternehmen besonders gefährdet, wenn sich protektionistische Tendenzen breitmachen. Dies gilt sowohl für den offen an den Tag gelegten Pro­tektio­nismus von Donald Trump als auch für die verdeckteren Handels­barrieren Chinas. Wirksamer Schutz kann nur durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen erreicht werden. So ist es Jean-Claude Junker im August 2018 gelungen, Donald Trump von einer weiteren Eskalation des Handels­kriegs abzuhalten. Die große Bedeutung Euro­pas im globalen Kräftefeld zeigt sich auch im Bereich der Industriepolitik. Es ist beunruhigend zu sehen, wie es China mit einer konsequenten Förderung von Industrien gelingt, Zukunftsmärkte, wie den Markt für Batteriezellen, zu dominieren. Die Antwort hierauf kann nur in einer ehrgeizigen europäischen Industrieund Innovationspolitik bestehen. 

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