Fallstricke der internationalen Rechtsdurchsetzung

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​​Glo​bal Insights​

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 2. Juli 2025 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Rechtsstreite sind unerwünschte Nebenfolge intensiver unternehmerischer Tätigkeit. Nicht immer kann man sie vermeiden. ​



Eine der Folgen der Globalisierung der Wirtschaft ist, dass sich immer mehr Unternehmen einer Internationalisierung auch ihrer Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt sehen. Das hat dazu geführt, dass Unternehmen immer häufiger mit den Herausforderungen grenzüberschreitender Rechtsstreitigkeiten konfrontiert werden. Trotz zahlreicher internationaler Abkommen und Harmonisierungstendenzen bestehen nach wie vor erhebliche praktische und rechtliche Hürden, die Unternehmen und deren Rechtsberater beachten müssen. Im Folgenden werden wichtige Probleme und Fallstricke im Überblick dargestellt. Dabei fällt auf: selbst an vermeintlich einfachen und selbstverständlichen Dingen kann man scheitern.

​Anerkennung ausländischer Urteile und örtliche Zuständigkeit

Die Vollstreckbarkeit eines Urteils, insbesondere im Ansitzstaat des Vertragsgegners, ist zentrales Ziel eines Prozesses. Denn ist es erst so weit gekommen, dass die Parteien einen Rechtsstreit führen mussten, ist die freiwillige Zahlung des ausgeurteilten Betragens mehr als fraglich. Unternehmen verlassen sich häufig auf die Durchsetzbarkeit eines Urteils im Ausland, ohne die lokalen Voraussetzungen geprüft zu haben. Das kann dazu führen, dass ein im Heimatstaat erstrittenes Urteil im Zielland nicht anerkannt oder vollstreckt wird – mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen.

Während innerhalb der EU die Brüssel Ia-Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 für eine weitgehende Harmonisierung sorgt, bestehen außerhalb der EU erhebliche Unsicherheiten. Zwar existieren weltweit zahlreiche bilaterale und multilaterale Abkommen zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, doch sind diese oft lückenhaft oder nicht existent. Die USA beispielsweise erkennen ausländische Urteile nur dann an, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, etwa die Einhaltung von Mindeststandards des rechtlichen Gehörs und der Zuständigkeit. In China wiederum ist die Anerkennung ausländischer Urteile bislang auf wenige Staaten beschränkt, mit denen entsprechende bilaterale Abkommen bestehen.

Nur die Entscheidung eines zuständigen Gerichts kann anerkannt werden. Das folgt aus dem rechtsstaatlich verbrieften Recht auf den gesetzlichen Richter. Ein zentrales Problem bei internationalen Streitigkeiten ist die Frage, welches Gericht zuständig ist und ob dessen Entscheidung im Ausland anerkannt und vollstreckt wird.

​Unterschiedliche Verfahrensordnungen und Prozesskulturen

Ein weiteres Problemfeld sind die teils erheblich divergierenden Verfahrensordnungen und Prozesskulturen. Während in kontinentaleuropäischen Staaten das Zivilverfahren stark von der richterlichen Prozessleitung geprägt ist, dominiert in Common-Law-Ländern wie den USA oder Großbritannien das adversarische Prinzip mit umfangreichen Discovery-Verfahren. 

Besonders die US-amerikanische Discovery stellt für viele ausländische Parteien eine Herausforderung dar. Die Pflicht, umfangreich interne Dokumente offenzulegen, ist im deutschen oder französischen Recht unbekannt und kann zu erheblichen Compliance-Risiken führen.

Auch in der Frage der Tragung der Prozesskosten können starke Abweichungen bestehen. Während etwa in Deutschland das „Verlierer zahlt“-Prinzip gilt, tragen in den USA beide Parteien meist ihre eigenen Kosten. Oft gilt auch ein Mischprinzip: Nur ein Teil der angefallenen Kosten der Rechtsdurchsetzung ist erstattungsfähig. Schließlich kann die Verfahrensdauer je nach Land und Instanzenzug sehr unterschiedlich ausfallen und ist oft schwer kalkulierbar.

​Schiedsgerichtsbarkeit als Alternative – Chancen und Risiken

Angesichts der genannten Probleme entscheiden sich viele Unternehmen für die Schiedsgerichtsbarkeit. Insbesondere in internationalen Verfahren können hier erhebliche Vorzüge liegen: Internationale Schiedssprüche sind nach dem New Yorker Übereinkommen von 1958 in über 170 Staaten grundsätzlich vollstreckbar. Dennoch gibt es auch hier Fallstricke:

Die Schiedsvereinbarung muss bestimmten Anforderungen genügen, um vollstreckt werden zu können, und teilweise auch, um überhaupt wirksam zu sein. Im Zuge der sich weiterentwickelnden Rechtsprechung konkretisieren auch deutsche Gerichte stetig die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen. Das beginnt mit der Nachweisbarkeit, § 1031 ZPO stellt hier klare Regeln auf. Und selbst ein ausländischer Schiedsspruch muss von den ordentlichen Gerichten im Vollstreckungsstaat vollstreckt werden. Daraus wird der Umfang von Entscheidungen, die zur Schiedsgerichtsbarkeit auch von deutschen Gerichten ergehen, ansatzweise erkennbar.

Klassiker für die Ablehnung der Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruches ist allerdings ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates: ein Verstoß gegen die grundlegenden Vorschriften und Ansichten der Rechtsstaatlichkeit führt zum Entfall der Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches. Um spätere Überraschungen zu vermeiden will auch die Auswahl der Schiedsrichter, des Schiedsorts und der Verfahrenssprache wohlüberlegt sein.

​Durchsetzung gegen staatliche Stellen und Immunität

Besondere Herausforderungen bestehen bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegen Staaten oder staatliche Unternehmen. Hier kommt das völkerrechtliche Prinzip der Staatenimmunität zum Tragen, das die Vollstreckung von Urteilen oder Schiedssprüchen gegen staatliches Vermögen erheblich erschweren kann.

Selbst bei erfolgreichem Verfahren kann die Zwangsvollstreckung an der Immunität scheitern, insbesondere wenn das betroffene Vermögen als „dem hoheitlichen Bereich zugehörig“ eingestuft wird. Hier gilt es, bereits vor der Einleitung des Verfahrens dieses Risiko richtig zu bewerten und mögliche risikominimierende Schritte zu ergreifen. Andernfalls kann selbst ein erfolgreich geführter Prozess im Ergebnis vergebens sein.

​Compliance- und Sanktionsrecht

Vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten Jahre ist das Compliance- und Sanktionsrecht selbst in der Öffentlichkeit stark in den Fokus gerückt. Hiervon sind allerdings nicht nur Lieferungen und Vertragsschlüsse betroffen. Auch die Durchsetzung von Ansprüchen kann durch internationale Sanktionen (z.B. gegen Russland oder Iran) erheblich erschwert oder unmöglich gemacht werden. Hierbei sind unter Umständen nicht nur die deutschen oder europäischen Vorschriften zu beachten. Auch Anti-Korruptionsgesetze wie der US Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) oder der UK Bribery Act können Einfluss auf die Prozessführung und Beweisaufnahme haben. Im Rahmen der Entwicklung einer erfolgversprechenden internationalen Prozessstrategie müssen solche Gegebenheiten bereits im Vorfeld berücksichtigt werden.

Sprach- und Kulturbarrieren werden oft unterschätzt

Auch Sprach- und Kulturunterschiede können die effektive Rechtsdurchsetzung erschweren. Das kann selbst dann gelten, wenn die Parteien bereits eine vergleichsweise Beilegung ihrer Streitigkeiten vereinbart haben. Beispiele ergeben sich aus der täglichen Praxis: Zahreiche internationale Verträge werden nicht in Deutsch, sondern in Englisch verhandelt und formuliert. Insbesondere, weil viele Unternehmen bereits seit Jahren international tätig sind, werden die vermeintlich seit langer Zeit bekannten Begriffe verwendet. Den Anwendern ist klar, was sie hiermit ausdrücken wollen. Doch das muss nicht unbedingt für deren Vertragspartner gelten. Besteht bereits zwischen den Vertragsparteien ein abweichendes Verständnis, liegt auf der Hand, dass auch ein Gericht, Schiedsgericht oder Gutachter ein abweichendes Verständnis der verwendeten Begriffe haben kann. Vergleichbar kann es bei der gewählten Verfahrenswahl sein. Ein deutsches Gerichtsverfahren unterscheidet sich bereits von einem deutschen Schiedsgerichtsverfahren. Noch größer können die Unterschiede zu Verfahren in anderen Rechtskreisen sein. Übersetzungsfehler, Missverständnisse in der Kommunikation mit Gerichten oder Behörden sowie unterschiedliche Erwartungen an das Verhalten vor Gericht können zu Nachteilen führen. 

Auch die Bedeutung kultureller Gepflogenheiten wird häufig unterschätzt. Beispielsweise kann ein zu offensives Auftreten vor einem asiatischen Gericht als Respektlosigkeit gewertet werden, während in angelsächsischen Ländern ein zurückhaltendes Verhalten als Schwäche ausgelegt werden kann.

​Praktische Empfehlungen

Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, müssen die Weichen früh optimal gestellt werden. Das bedeutet, dass bereits beim Vertragsschluss den Klauseln „am Ende des Vertrages“ unbedingt Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Rechtswahl- und Gerichtsstandklauseln sind zwingend sorgfältig zu gestalten. Nur in Ausnahmefällen wird man dann, wenn der Streitfall unmittelbar bevorsteht, noch eine Einigung über den anzuwendenden Streitbeilegungsmechanismus treffen können. Die Zusammenarbeit mit international und lokal erfahrenen Anwälten ist unerlässlich, um die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsraums zu berücksichtigen. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäften kann die Schiedsgerichtsbarkeit Vorteile bieten. Vor Einleitung eines Verfahrens sollte geprüft werden, ob und wo im Ausland Vollstreckungsobjekte vorhanden sind. Schließlich ist die Einhaltung internationaler Sanktions- und Antikorruptionsvorschriften zwingend erforderlich.

Die Durchsetzung von Rechten im Ausland ist trotz internationaler Harmonisierung weiterhin eine komplexe Herausforderung, die viele Fallstricke birgt. Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den rechtlichen, kulturellen und praktischen Besonderheiten des jeweiligen Ziellandes vertraut machen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Nur so können unangenehme Überraschungen vermieden und die eigenen Rechte effektiv geschützt werden.​​

Ausgabe Juli / August 2025: Wegweisende Entscheidungen

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