Ein Jahr nach der Wahl in Indien: Kommt mit Premierminister Modi jetzt die Energiewende?

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Indiens Premierminister Modi war schon während seiner Zeit als „Chief Minister“ des westindischen Bundesstaates Gujarat  als pragmatischer Förderer der Erneuerbaren Energien bekannt. Kann er nun ein Jahr nach seiner Wahl auf Unionsebene auch eine echte Energiewende in ganz Indien anschieben? Die Antwort ist wohl: „nicht ganz”, zumindest wenn man den Begriff Energiewende nach deutschem Vorbild definiert. Der Versuch, ein Land mit 1,3 Milliarden Menschen vollständig und für ein Schwellenland bezahlbar zu elektrifizieren ist aber sicher eine eigene indische Energiewende. Daher bietet Indien wegen der günstigen geografischen Lage, der Größe des Marktes und nicht zuletzt der vorhandenen Förderprogramme eine interessante Alternative für den gut vorbereiteten Investor.

 

Der Wahlsieger von 2014, Premierminister Narendra Modi von der hindu-konservativen Bharatiya Janata Party (BJP), führt nunmehr seit über einem Jahr die indische Regierung an. Sowohl im Wahlprogramm als auch nach seinem Wahlsieg positionierte sich Modi als ein überzeugter Verfechter eines raschen Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Nachdem Modi zuvor im Bundesstaat Gujarat sehr erfolgreich die Elektrifizierung und in diesem Zusammenhang auch den Ausbau regenerativer Energien vorangetrieben hat, hoffte die Branche in Indien schon vor Modis Amtseintritt auf eine Initialzündung für eine neue Energiepolitik. Ein Jahr nach der Wahl – und drei Jahre vor der nächsten – scheint nun der richtige Zeitpunkt, um die energiepolitische Lage in Indien zu untersuchen. Hat Indien eine eigene Energiewende?
 

Energie in Indien – die Ausgangslage

Indien ist mit etwa 1,3 Milliarden Einwohnern die größte Demokratie der Welt. Das prognostizierte Wirtschaftswachstum für das Jahr 2015 übertrifft mit mehr als 8 Prozent die Aussichten für China. Der Schlüssel zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum ist und bleibt die Infrastruktur und hier insbesondere die Energieversorgung. Zudem haben rund 300 Millionen Menschen in Indien immer noch keinen Anschluss an die Energienetze, ein Problem, welches die Regierung mithilfe des „Energy for all by 2019“-Programmes zu beheben versucht. Die Nachfrage nach Elektrizität wird in den nächsten Jahren also weiter steigen und es wird erwartet, dass sich der Bedarf allein in den nächsten zwölf Jahren um das Zweieinhalbfache vervielfacht. Bis zum Jahr 2035 hat Indien das Potenzial, der größte Verbraucher von elektrischer Energie in der Welt zu werden.
 
Momentan ist Indien einer der größten Importeure von Kohle. Zudem decken Importe von Rohöl und Gas mehr als 25 Prozent des primären Energiebedarfs. Auf der anderen Seite sind die in dem riesigen Land verfügbaren Quellen Erneuerbarer Energien noch vielfach ungenutzt. Schon allein deswegen hat Indien in Sachen Erneuerbare Energien noch erhebliches Potenzial.
 

„Energiewende”

Der Begriff „Energiewende“ ist mittlerweile ein deutsches Markenzeichen, welches selbst im englischen Sprachgebrauch häufig anzutreffen ist, wenn es darum geht, ein umfassendes energiepolitisches Konzept zu beschreiben. Mittlerweile stammen mehr als 27 Prozent der in Deutschland erzeugten Energie aus erneuerbaren Quellen. In Deutschland werden die Erneuerbaren mittels einer ganzen Bandbreite von Maßnahmen gefördert. Diese reichen von vergünstigten Krediten der KfW über Einspeisetarife bis zu direkten Zuschüssen.
 
In Indien wird die deutsche Energiewende mit großem Interesse verfolgt. Auch hier wächst der Beitrag der erneuerbaren Energiequellen zur Energieerzeugung mit hohem Tempo, wenn auch in einer Größenordnung, die mit Deutschland noch nicht vergleichbar ist. Nach den Zahlen, die von der Unionsregierung in Delhi im Dezember 2014 vorgestellt wurden, entfallen momentan von der in Indien installierten Gesamtleistung von 271 GW etwa 33 GW auf die Erneuerbaren Energien. Die Windkraft ist mit fast 23 GW installie ter Kapazität, die am weitesten entwickelte erneuerbare Energiequelle, gefolgt von kleiner Wasserkraft, Bagasse (meist in KWK) und der Solarenergie. Die Solarenergie hat sich in den letzten Jahren am dynamischsten entwickelt: von wenigen MW im Jahr 2010 zu über 3,7 GWim Jahr 2013.
 
Diese Zahlen relativieren sich noch weiter, wenn man den Vergleich mit anderen Ländern sucht, die ebenfalls ambitionierte Programme zum Ausbau der Erneuerbaren haben: Bei der Windenergie zum Beispiel hat Indien Ende Dezember 2014 einen Stand von gut 23.000 MW erreicht. Zum Vergleich: In Deutschland sind inzwischen Windenergieanlagen an Land und auf See mit einer Leistung von über 34.000 MW am Netz, in China sind es mittlerweile über 114.000 MW. Auch bei der Solarenergie verfügt Indien mit einer bislang installierten Gesamtleistung von etwa 3.700 MW noch über erhebliche Potenziale. In Deutschland kamen alleine im Jahr 2013 trotz Markteinbruch rund 3.500 MW hinzu.  
 

Der indische Markt

Einen weiteren Unterschied zum Ansatz der deutschen Energiewende findet man in der Art und Weise, in der die öffentliche Hand versucht, die Erneuerbaren Energien wirtschaftlich attraktiv zu machen. Während sich in vielen Ländern das System der Anreize auf verschiedene Formen der Einspeisevergütung konzentriert, versucht Indien mittels einer Stärkung der Nachfrageseite die Erneuerbaren attraktiver zu machen. Dies geschieht über die sogenannten „Renewable Purchase Obligations“ (RPOs). Da in Indien Energieerzeugung grundsätzlich vom Netzbetrieb getrennt ist, müssen die Netzbetreiber einen Teil der erforderlichen Energie aus erneuerbaren Quellen kaufen. Das zuständige „Ministry for New and Renewable Energy“ hat mittlerweile auch erkannt, dass der Schwachpunkt dieses Ansatzes in der Vollstreckung besteht: Falls sich ein unter wirtschaftlichem Druck stehender Netzbetreiber gegen den Kauf von erneuerbarem Strom entschied, drohten ihm bis jetzt kaum Sanktionen. Das will der zuständige Minister nun ändern.
 
Windenergie, sog. „kleine Wasserkraft“, Biomasse und Solarenergie sind bereits vielerorts gegenüber den Endkundenpreisen für Strom wettbewerbsfähig. Obwohl sich gerade die Preise für Solarstrom deutlich verringert haben, bleibt die Solarenergie noch die teuerste Energiequelle (9 Rupien, also etwa 0,13 Euro pro kWh). Daher sind auch die staatlichen Förderungen bei der Solarenergie noch am höchsten. Erneuerbare Energien haben besonders in Gegenden, die bisher noch keinen Netzanschluss aufweisen oder in denen die Stromversorgung aus dem Netz sehr unzuverlässig ist, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Strom, den große Kohle-, Gas-, Kern- oder Wasserkraftwerke erzeugen.
 
Bis die Erneuerbaren Energien mit Kohlestrom wettbewerbsfähig sind, wird es sicher noch einige Jahre dauern. Da jedoch der indische Energiemarkt an einer chronischen Unterversorgung leidet, die die Regierung mit dem Ausbau aller Energiequellen (erneuerbar, thermisch und nuklear) in den Griff zu bekommen versucht, ist der beste Vergleichswert nicht der Kohlestrom, der im Durchschnitt 3 Rupien (0,04 Euro) pro kWh kostet, sondern jener Strom aus Dieselgeneratoren, der dezentral zu einem Preis von 15 Rupien (0,20 Euro) pro kWh produziert wird. Im Lichte dieser Rahmenbedingungen und auch der Tatsache, dass die Regierung Modi bestehende Subventionen für Strom und Diesel langsam abbaut, ist von einer zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit der Erneuerbaren Energien in Indien auszugehen.
 

Schlussfolgerungen

Definiert man den Begriff Energiewende nach deutschem Vorbild, muss die Antwort wohl lauten: „nicht ganz“. Dies vor allem deswegen, weil Indien sich den Luxus nicht leisten kann, lediglich die erneuerbaren Energiequellen zu fördern, weshalb es die bestehende und künftige Nachfrage auch mittels einer erheblichen Erweiterung der konventionellen Kapazitäten abdecken will. Der Gedanke der Energieeffizienz steht hierbei noch eher im Hintergrund. Gleichzeitig ist aber der Versuch, ein Land mit 1,3 Milliarden Menschen vollständig und für ein Schwellenland bezahlbar zu elektrifizieren, sicher eine eigene indische Energiewende. Für Investoren bietet Indien nicht nur wegen der günstigen geografischen Lage und der Größe des Marktes, sondern auch wegen der vorhandenen Förderprogramme interessante Möglichkeiten. Rödl & Partner in Indien, mit Büros in Delhi, Mumbai und Pune verfügt über praktische Erfahrungen aus erster Hand, um die rechtlichen und praktischen Herausforderungen im Rahmen einer Projektumsetzung zu bewältigen.
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