Auswirkungen der Einführung des IFRS 15 auf M&A-Transaktionen sowie die Kaufpreisfindung

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zuletzt aktualisiert am 7. Juli 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Kevin Solarski und Andreas van Bebber, Rödel & Partner Stuttgart

 

Bereits heute ist der korrekte Ausweis von Umsatz­erlösen ein Kern­thema über das am Ver­handlungs­­tisch zwischen Käufer- und Verkäufer­seite häufig kontrovers diskutiert wird. Im Hin­blick auf die Ein­führung des IFRS 15 und dessen Aus­wirkungen auf die Umsatz­realisierung von Unter­­nehmen werden die damit verbundenen Heraus­forde­rungen bei M&A-Trans­aktionen nochmals in den Fokus rücken, da Umsatz­erlöse und die darauf aufbauenden Profi­tabilitäts­­kennzahlen wesentliche Parameter bei der Kauf­preis­findung darstellen.

 

 

 

IFRS 15

Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen, ist IFRS 15 verpflichtend anzuwenden und ersetzt die aktuellen Standards zur Umsatzrealisierung (u.a. IAS 11 und IAS 18). Der bisherige „Risk-and-Reward-Ansatz” wird verworfen und durch ein „Asset-Liability-Model” mit dem sog. Kontrollübergang als wesentliches Kriterium zur Erfassung von Umsatzerlösen ausgetauscht. In Zukunft richtet sich die Umsatz­realisierung somit danach, ob ein Gut bzw. eine Leistung auf den Kunden übertragen wurde und zeitgleich die Kontrolle darüber auf ihn überging. 
  

Der konzeptionelle Wechsel geht mit einem mehrstufigen Modell zur Umsatzrealisierung einher und sieht folgende Schritte vor:

  1. Identifikation eines Kundenvertrags,
  2. Identifikation von separaten Leistungsverpflichtungen,
  3. Bestimmung des Transaktionspreises,
  4. Allokation des Transaktionspreises auf die verschiedenen Leistungsverpflichtungen,
  5. Erfüllung der Leistungsverpflichtungen sowie Umsatzerfassung.

 

Der Einfluss von IFRS 15 zeigt sich insbesondere bei sog. Mehrkomponentengeschäften, wie dem Verkauf eines IT Produkts zzgl. Support für einen bestimmten Zeitraum oder dem Abschluss eines Mobilfunkvertrags zusammen mit dem Kauf eines Mobiltelefons. Im Gegensatz zum aktuellen Standard gibt IFRS 15 konkret vor, wie das bilanzierende Unternehmen eigenständige Leistungsverpflichtungen in einem Vertrag auf­zu­teilen hat und schließt somit eine wesentliche Regelungslücke. Als Konsequenz daraus werden sich der Zeitpunkt und die Höhe der Umsatzrealisierung und folglich auch die Ertragslage in vielen Unternehmen verändern.
 

Die daraus resultierenden Auswirkungen müssen von den betroffenen Unternehmen bereits im Voraus quantifiziert und im Anhang angegeben werden. Allerdings sind etliche Unternehmen noch zu nachlässig bei den konkreten Angaben, weshalb die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) den IFRS 15 nochmals als Prüfungsschwerpunkt für das Jahr 2018 (bereits im Jahr 2017 Schwerpunktthema) aufgenommen hat.

 

Konsequenzen im Hinblick auf zentrale Kennzahlen

Die Analyse der historischen Ertragslage zur Ableitung eines nachhaltigen Ergebnisses ist ein Kernelement jeder Financial Due Diligence. Auf Basis der bereinigten Ertragslage der Vergangenheit werden wesentliche Kenn­zahlen berechnet und erste Überlegungen für einen potenziellen Kaufpreis angestellt.
 

Sofern ein Transaktionsobjekt den Jahresabschluss nach IFRS aufstellt, sollte man die potenziellen Aus­wirkungen von IFRS 15 auf die historische Vermögens- und Ertragslage stets im Hinterkopf behalten. Ins­besondere beim Vergleich zurückliegender Perioden mit der aktuellen Berichtsperiode sowie künftigen Plan­perioden, in denen sich entsprechende Änderungen bei der Umsatzrealisation ergeben, kann es durch die neuen Regeln kurz- bis mittelfristig zu Verzerrungen und Fehlinterpretationen kommen. Einen besonderen Einfluss auf die Konsistenz und Vergleichbarkeit der Berichtsperioden hat die Wahl der nach IFRS 15 möglichen Optionen zur Darstellung des Übergangs.

 

Zur Wahl stehen der „vollständige retrospektive Ansatz”, bei dem IFRS 15 auf alle dargestellten Perioden anzuwenden ist oder der „modifizierte retrospektive Ansatz”, bei dem der Standard lediglich auf die jüngste im Abschluss dargestellte Berichtsperiode rückwirkend anzuwenden ist. Bei letzterem wird der kumulierte Werteffekt der erstmaligen Anwendung von IFRS 15 zum Zeitpunkt der Erstanwendung im Eigen­kapital der Eröffnungsbilanz erfasst.
 

Daraus folgt, dass Abweichungen im ersten Anwendungsjahr nicht zwangsläufig aus einer Veränderung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit resultieren. Vielmehr können sich Umsatzschwankungen rein durch die erstmalige Anwendung von IFRS 15 und die gewählte Übergangs­methode ergeben. Dementsprechend sollte der Ergebniseffekt bei der Due Diligence normalisiert werden, um die Vergleichbarkeit zwischen den Perioden zu gewährleisten.
 

Einfluss bei M&A-Transaktionen

Auch unter IFRS 15 sind oftmals Annahmen zu treffen, die sich im Nachhinein gegebenenfalls als nicht zutreffend erweisen. Insbesondere bei der Bestimmung variabler Vergütungen, z.B. Treueprämien bei Erreichen bestimmter Umsatzschwellen oder Rückgaberechte, sieht IFRS 15 vor, dass eine valide Schätzung zugrunde gelegt wird. Ein potenzieller Käufer sollte sich deshalb im Vorfeld einer Transaktion ein Bild über die getroffenen Prämissen machen und sie kritisch hinterfragen. 
 

Der Einflussbereich von IFRS 15 ist nicht ausschließlich „technischer” Natur, sondern tangiert grundsätzlich ebenfalls die strategische sowie rechtliche Sphäre einer Transaktion. Bspw. kann es zu materiellen Ab­wei­chungen bei Kompensationszahlungen bei „Earn-Outs” kommen, wenn die dem „Earn-Out” zugrundeliegende Definition im Unternehmenskaufvertrag auf Basis „alter” Abschlüsse und Rech­nungs­legungs­normen verhandelt wurde. Generell sind die für den Earn-Out relevanten Grundsätze im Kaufvertrag definiert, allerdings sollte dieser Aspekt vor dem „Signing” geklärt werden, um bösen Überraschungen vorzubeugen.
 

Last but not least – Relevanz des IFRS 15 für die Unternehmensbewertung

Wird im Rahmen des Transaktionsprozesses eine Unternehmensbewertung bspw. für Zwecke der Kauf­preis­findung erstellt, so sollte die Änderung bzw. Neueinführung eines Rechnungslegungsstandards grundsätzlich keine Auswirkung auf das Bewertungsergebnis bzw. einen potenziellen Unternehmenswert haben, da sich der wirtschaftliche Gehalt des zugrundeliegenden Geschäftsvorfalls und somit auch der Cash Flow nicht verändern.  
 

Die Kaufpreisfindung bei M&A-Transaktionen sowie -verhandlungen erfolgt in der Praxis häufig auf Basis des sog. „Multiple-Verfahrens”. Dabei wird der Wert eines Unternehmens durch Multi­plikation bestimmter Finanz­kenn­zahlen des potenziellen Transaktions­objekts wie Umsatz, EBITDA oder EBIT mit einem vorab ermittelten Multiple bestimmt. Die Multiples werden anhand von Ver­gangen­heits­daten einer Peer-Group von Vergleichs­unter­nehmen über entsprechende Finanzdatenbanken ermittelt und aggregiert.
 

Gerade während der Übergangszeit ist zu erwarten, dass es durch IFRS 15 bei dem Multiple-Verfahren ggf. zu Verzerrungen kommen kann. Denn die Werttreiber-Größe für Kaufpreisverhandlungen basiert häufig auf dem letzten Ist-Jahr. Um eine zutreffende Approximation des Unternehmenswerts zu erhalten, müssen die Multiplikatoren als auch die Werttreiber-Größe konsistent abgeleitet sein. Das Konsistenzerfordernis kann durch IFRS 15 gestört werden, wenn die Vergleichsunternehmen der Peer Group nach den bisherigen Regelungen der IFRS bilanziert haben und das Target-Unternehmen bereits nach IFRS 15 bilanziert (z.B. bei vorzeitiger Anwendung) – und umgekehrt. Die draus resultierende Unter- oder Überbewertung lässt sich nur verhindern, wenn die relevanten Größen gleichgeschaltet werden.
 

Fazit

Eine pauschale Aussage über die Auswirkungen von IFRS 15 lässt sich, vor dem Hintergrund des hohen Komplexitätsgrads, nicht treffen. Vielmehr ist der Einfluss auf die Vermögens- und Ertragslage des Unter­nehmens von vielen verschiedenen Faktoren, wie Geschäftsmodell, Branche und Vertragsgestaltung, abhängig und jeweils individuell für jedes Unternehmen zu beurteilen.
 

Handlungsempfehlungen

  • Das Zielunternehmen sollte frühzeitig von transaktionserfahrenen Spezialisten auf etwaige Ergebniseffekte hin analysiert werden.
  • Bei der Gestaltung eines Kauf­preis­mechanismus auf Basis des Multiple-Verfahrens sollten etwaige Effekte des IFRS 15 berücksichtigt werden, um mögliche Fehler zu vermeiden und den Kauf­preis­mecha­nismus ggf. für sich vorteilhaft auszulegen. Ein Wissens­vorsprung bei der Kaufpreis­verhandlung kann dabei als entscheidende Determinante fungieren.
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