Besonderheiten beim Verhandeln mit deutschen Mittelständlern für indische Investoren

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zuletzt aktualisiert am 2. Februar 2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten

  


 

Welche Besonderheiten erwarten indische Unternehmen, die in Deut­schland ein inhabergeführtes Unternehmen übernehmen oder sich daran beteiligen?

Indische Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass selbst kleinere deutsche Mittelständler mit nur einigen Hundert Mitarbeitern oftmals stark international tätig sind und i.d.R. sehr professionell strukturiert und geführt werden. Es gibt im Vergleich zu Indien nur selten „Firmen-Patriarchen”, die alle Detail-Entscheidungen selber treffen.
 
Während indische Unternehmen meist sehr hierarchisch aufgebaut sind, setzen deutsche Unternehmen auf ein starkes Management, das konsequent Verantwortlichkeiten delegiert. Viele sehr wichtige Mitarbeiter gehören nicht zu der Eigentümerfamilie. Sie sind oftmals seit Jahrzehnten für das Unternehmen tätig und haben intern Karriere gemacht.
 
Deutsche mittelgroße Unternehmen definieren ihre Position oft zentral über die Technologie der Produkte. Gerade die Eigentümer werden das oft nicht besonders betonen, erwarten aber von einem indischen Verhandlungspartner ein hohes technisches Verständnis. Die „Werbung” für das eigene Unternehmen wird nicht als so wichtig gesehen wie oft in Indien, die Unternehmen gehen davon aus, dass die Produkte „für sich selbst sprechen”.
 
Gut ausgebildete Mitarbeiter im Bereich der Fertigung sind sehr wichtig, da in Deutschland äußerst komplexe Technologien eingesetzt werden. Gewerbliche Mitarbeiter genießen entsprechend eine hohe Wertschätzung. Sie sind oft seit Jahrzehnten im Unternehmen, haben ein relativ hohes Einkommen und werden als entscheidender Erfolgsfaktor gesehen. Sie erwarten und genießen eine respektvolle Behandlung durch Eigentümer und Geschäftsleitung. Gute Arbeitsbedingungen sind von zentraler Bedeutung, da es in den meisten Branchen schwer ist, genügend Fachkräfte zu rekrutieren. Die Arbeitsbedingungen erscheinen aus indischer Sicht oft übertrieben komfortabel. Investoren sollten aber nur mit großer Vorsicht Einsparungen in dem Bereich planen.
  

Was ist zu beachten, wenn indische Unternehmen mit deutschen Mittelständlern verhandeln?

Auch wenn das Unternehmen im Eigentum weniger Familiengesellschafter steht, gibt es i.d.R. sehr qualifizierte Mitarbeiter in der Geschäftsleitung, die nicht zur Familie gehören, aber deren volles Vertrauen genießen. Wenn sie mitverhandeln, ist das kein Zeichen geringer Wertschätzung, sondern ein Zeichen besonderer Professionalität des Unternehmens.
 
Auch Mitarbeiter aus dem mittleren Management werden an Verhandlungen teilnehmen, weil sie fachlich wichtige Beiträge leisten. Sie ergreifen auch direkt das Wort. Indische Unternehmer sollten sich darauf einstellen, dass einzelne Themen direkt durch solche Mitarbeiter in der Verhandlung mit dem indischen Partner besprochen werden.
 
Deutsche Gesprächspartner sind im Vergleich sehr offen und direkt. Sie streben an, in kurzer Zeit die wichtigen Themen auf den Tisch zu bringen. Das darf nicht als abweisend missverstanden werden, vielmehr wird der Verhandlungspartner und dessen Interesse respektiert, schnell zu einer Einigung zu kommen.
 
Es wird nicht erwartet, dass man bei allen Transaktionen ein persönliches Vertrauen in den Partner aufbauen muss. Die für den deutschen Partner wichtigen Fragen sind technische und kaufmännische Aspekte, die man möglichst früh besprechen möchte und dann auch verbindlich vereinbart. Die Verhandlungen werden belastet oder abgebrochen, wenn man wesentliche Konflikt-Themen erst am Schluss einführt.
 
Unüblich ist es, dass der Geschäftspartner der eigenen Familie vorgestellt wird oder eine Einladung in das Privathaus des Unternehmers erfolgt. In Verhandlungen wird meist getrennt zwischen der „Business-Komponente” während des Tages und der „geselligen” Komponente am Abend. Es wird im Übrigen nicht gerne gesehen, wenn Themen, die am Tag vereinbart wurden, am Abend wieder neu angesprochen werden.
 
Wichtig: Es ist in Deutschland nicht üblich, dass man vor Beginn von Verhandlungen einen sehr großen Spielraum zum Nachgeben berechnet, v.a. in Bezug auf den Kaufpreis. Angebote sind i.d.R. aus Sicht des deutschen Partners bereits ganz am Anfang „fair” kalkuliert und daher „nahezu final”.

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Martin Wörlein

Partner, Leiter Team Indien

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