Echter Umweltschutz oder „Grünfärberei”: Was Unternehmen bei Green Claims zu beachten haben

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 10 Minuten


„Umweltfreundlich”, „recycelbar”, „100% recycelt”, „biologisch abbaubar”, „natur-”, „öko-” oder „rohstoffschonend” – um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen – stellen Umweltaussagen (sog. „Green Claims”/„umweltbezogene Werbung”/ „Umwelt-Claims”) dar, die heutzutage auf Lebensmitteln und anderen Konsumgütern bzw. deren Verpackungen allgegenwärtig sind. Unternehmen investieren zudem zunehmend in PR-Methoden, die ihnen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwor­tungs­bewusstes Image verleihen. Aufgeklärt wird z.B. über die eigene Webseite, in den sozialen Medien, im Geschäftsbericht, in einer eigens dafür erstellten Publikation oder durch unternehmensbezogene Zeichen wie das Öko-Audit.


Aufgrund eines gesteigerten Umweltbewusstseins von Konsumenten wie auch Unter­nehmen, spielen umweltbezogene Eigenschaften von Produkten und der Geschäfts­tätigkeit als solcher auch in der Werbung eine immer größere Rolle. Dabei sind allerdings zahlreiche rechtliche Anforderungen zu beachten, deren Auslegung und Anwendung in der Rechtspraxis zum Teil sehr komplex ist. Der folgende Beitrag soll einen Überblick geben.



Ausgangssituation: Green Economy und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten

Immer mehr Unternehmen sind daran interessiert, ihr ökologisches und ethisches Verhalten sowie die umweltfreundlichen Eigenschaften ihrer Produkte durch ihr Marketing zu kommunizieren. Die steigende Fülle an solchen Green Claims, lässt sich u.a. damit begründen, dass Verbraucher ein zunehmendes Verlangen nach umweltfreundlichen Waren und Dienstleistungen zeigen, sprich ein „grünes Gewissen” entwickelt haben. Eine lediglich auf fortschreitendes Wirtschaftswachstum ausgerichtete Industrie zerstört hingegen zunehmend die Natur und Umwelt. Um dem entgegenzuwirken, einigte man sich auf der Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung im Juni 2012 in Rio auf das Leitbild der grünen Wirtschaft („Green Economy”), die Ökologie und Ökonomie verbindet: Wirtschaft muss international wettbewerbsfähig sein, genauso aber auch umwelt- und sozial verträglich. Ziel ist es, veränderte, nachhaltige Produktions- und Konsumweisen zu entwickeln, um so ein umweltverträgliches qualitatives und somit nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. Um die Ziele umzusetzen, hat das Bundesforschungsministerium gemeinsam mit anderen Ressorts und Verbänden die Agenda „Green Economy” erarbeitet. Faktoren einer umweltverträglichen Wirtschaft sind u.a. die nachhaltige Gestaltung von Konsumgütern, inklusive Verpackungen. Damit ist gerade auch die Life Science-Industrie angesprochen. Im neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaf, der auf der Grundlage des europäischen Grünen Deals basiert, kündigte nun auch die Europäische Kommission an, Rechtsvorschriften für eine nachhaltige Produktpolitik vorschlagen: Die in der EU vermarkteten Produkte sollen so konzipiert sein, dass sie über eine längere Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können und einen größtmöglichen Anteil recycelter Materialien statt Primärrohstoffe enthalten.

Von Unternehmen wird also zunehmend erwartet, dass sie die Verantwortung für die (globalen) Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit übernehmen. Umwelt- und Klimaschutz sowie Nachhaltigkeit werden bei der Entwicklung gewissermaßen zu unternehmerischen Verpflichtungen. Mittlerweile wird in der Tat von „umweltbezogenen Sorgfaltspflichten” gesprochen. Das gilt branchenübergreifend, in manchen Bereichen ist bereits eine Konkretisierung im Gange. So sollen Lebensmittelunternehmen künftig verpflichtet werden, Nachhaltigkeitsaspekt in die Unternehmensstrategie einzubeziehen (siehe Strategie „Vom Hof auf den Tisch”). Die umweltbezogenen Sorgfaltspflichten können u.a. durch innerbetriebliche Umweltmanagementsysteme (z.B.  ISO 14001, „Öko-Audit” bzw. EMAS-System basierend auf der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009) umgesetzt werden. Auch Zertifizierungen und Siegel spielen bei unternehmerischen Sorgfaltspflichten eine wichtige Rolle. Denn sie beruhen auf Kriterienkatalogen, nach denen Produkte bzgl. der Umweltleistung bewertet werden. Mittlerweile gibt es für beinahe alle Branchen und Konsumartikel eine fast unüberschaubare Menge an staatlichen und privaten Umweltsiegeln: Der Blaue Engel, das Naturland-Label, das V-Label für vegane und vegetarische Produkte, das Textilsiegel Grüner Knopf, das EU-Bio-Logo für Lebensmittel, das EU Ecolabel , das insbesondere für umweltschonende Wasch- und Reinigungsmitteln verwendet wird, das Logo „Hase mit schützender Hand” für tierversuchsfreie Kosmetik sowie das Fairtrade-Label, um nur einige zu nennen. Darüber hinaus gibt es Siegel und Gütezeichnen, durch die seitens unabhängiger Institutionen ökologisch nachhaltige Unternehmen und Marken auszeichnet werden (z.B. GREEN BRANDS).


Die umweltbezogenen Sorgfaltspflichten als Chance für umweltbezogene Werbung nutzen

Die Industrie hat ihre umweltbezogenen Verpflichtungen auch als Chance erkannt und setzt Green Claims gezielt bei der produkt- und unternehmensbezogenen Werbung (sog. Imagewerbung) ein. So dienen Zertifizierungen und Siegel dem Unternehmer nicht nur als Maßnahme und Nachweis, dass innerhalb wirtschaftlicher Wertschöpfungsketten bestimmte umweltbezogene Anforderungen erfüllt werden, sondern sie können diese zugleich nach außen kommunizieren, so z.B. durch Anbringung auf den Produktverpackungen. Ebenso kann auf die Beteiligung an Umweltmanagementsysteme in der Unternehmenskommunikation hingewiesen werden, so auf Briefköpfen, Unternehmensberichten, Webseiten oder in der allgemeinen Unternehmenswerbung. So hebt bspw. Coca-Cola auf der Website hervor dass: „Wir haben unseren Klimaeffekt über die gesamte Wertschöpfungskette analysiert und für alle Bereiche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt, um unsere Treibhausgas-Emissionen weiter kontinuierlich zu senken”. In der Tats spielt die unternehmens­bezogene Werbung, bei der über konkrete Produkteigenschaften hinaus ein Image der Umweltfreundlichkeit eines Unternehmens geschaffen werden soll, so durch Umweltsponsoring, das Angebot umweltgerechter Entsorgung sowie Werbung mit Umweltappellen bei dem Käufer einen Beitrag zum Umweltschutz leisten indem ein Teil des Erlöses direkt für den Zweck gespendet wird, eine immer größere Rolle.

Umweltwerbung kommt also in den verschiedensten Formen vor:  durch wörtliche Auslobungen über umweltfreundliche Aspekte sowie durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole. Dazu gehört u.a. auch das allseits bekannte Recyclingsymbol mit dem Kunststoffe und andere Materialien versehen sein können: drei (oftmals Grüne) Pfeile, die den Verwertungskreislauf spiegeln sollen und einer Nummer, die das Material kennzeichnet. Die Angabe ist freiwillig, wird aber oft im Zusammenhang mit Green Claims verwendet, so durch den Hinweis auf die Recyclingfähigkeit eines Produkts oder einer Verpackung („wiederverwertbar”) oder mit Aussagen zum Rezyklatgehalt („100% recycelte Plastikflasche”).

In der Tat werben viele Unternehmen gerade in der Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie mit dem Engagement zur Verwendung nachhaltiger Verpackungen, so bspw. Danone für seine Volvic-Mineralwasser-Flaschen mit PET aus pflanzlichem Ursprung oder Tetra Pak für die ökologisch vorteilhafte Getränkever­packungen aus Karton Verpackung. Weitere Beispiele sind Angaben zum quantifizierten Kohlenstoff-Fußabdruck eines Produkts, das insbesondere im Zusammenhang mit der Werbung für den Kauf regionaler, biologische und/oder veganer Produkte. So bietet die Demeter-Bäckerei Märkisches Landbrot ein Berech­nungs­tool auf der Website an, mittels dem Kunden ihren persönlichen „Product Carbon Footprint” beim Einkauf eines Brotes ermitteln können.

Die Bandbreite von Umweltwerbung ist also sehr weit, die Erscheinungsformen vielfältig. Die werbenden Hersteller und Händler werden jedoch von regulatorischer Seite aus im Hinblick auf den Nachweis der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit zunehmend in die Pflicht genommen. Ein allgemeiner Rechtsrahmen besteht auf EU- und nationaler Ebene seit langem, allerdings wurden mit der zunehmenden Bedeutung und Verwendung von für Green Claims Leitlinien zur Auslegung und konkrete Rechtsanwendung geschaffen (z.B. Abschnitt zu Umweltangaben in den Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken). Zudem ist eine sich verstärkende behördliche und gerichtliche Kontrolldichte zu verzeichnen, wobei dabei eine schwierige Gratwanderung erforderlich ist. Denn Umweltinformationen werden – sofern zutreffend und klar ausgedrückt – durchaus als nützlich angesehen, da sie es dem Verbraucher ermöglichen, eine sachkundige Kaufentscheidung zu treffen. Durch darauf bezogene Werbeverbote würden daher wichtige Informationen im Dienst des Umweltschutzes verloren gehen. Treffen die getätigten Umweltaussagen jedoch nicht zu oder sind sie missverständlich, ist es freilich nicht gerechtfertigt, den falschen Eindruck hervorzurufen, ein Unternehmen und die angebotenen Waren seien umweltfreundlich. Eine solche Art der Kommunikation bezeichnet das sog. „Greenwashing”, im Deutschen „Grünfärberei”, gegen das nun auch die EU noch gezielter vorzugehen beabsichtigt (siehe europäischer Grüner Deal).


Rechtsrahmen: Verbot der unlauteren Geschäftspraktiken

In rechtlicher Hinsicht umfasst das den Bereich der unlauteren Geschäftspraktiken, insbesondere der irreführenden Werbung, die, neben spezialgesetzlichen Vorschriften (z.B. die Verwendung des EU Bio Logos, Verordnung (EG) Nr. 834/2007, ab 1. Januar 2021 VO (EU) 2018/848,) auf EU Ebene durch die Richtlinie 2005/29/EG (UGP-Rtl.) und in Deutschland im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt sind.  Eine Irreführung liegt zum einen dann vor, wenn falsche und damit unwahre umweltbezogene Aussagen gemacht werden. Das ist z.B. der Fall, wenn ein Verpackungsmaterial als „biologisch abbaubar” oder „recyclebar” ausgelobt wird, obgleich das nicht der Fall ist. Ebenfalls verboten ist eine falsche Prozentangabe in Bezug auf das enthaltene recycelte Material (z.B. „100% recycelt”). In die Berechnung einbezogen werden darf ausschließlich Ausgangsmaterial, das nachweisbar recycelt wurde. Das nachzuweisen ist für Hersteller der Verpackung bzw. der darin verpackten Produkte (z.B. Lebensmittel und Konsumgüter) allerdings oftmals gar nicht so einfach. Denn was genau bedeutet „recycelt” bzw. was verstehen die Werbeadressaten darunter? Es ist eine diffizile Rechtsauslegung notwendig, die letztendlich sowohl werbe- als auch abfallrechtliche Kenntnisse erfordert, da solche als Green Claims verwendeten Begriffe aus dem Abfallrecht stammen und dort geregelt sind. Expertenrat ist also oftmals gefragt.

Eine weitere Rechtsunsicherheit ergibt sich daraus, dass selbst sachlich richtige Umweltangaben den Adressaten der Werbung irreführen können: Die ausgelobten Umweltvorteile bestehen bei genauerer Betrachtung überhaupt nicht so wie dem Verbraucher suggeriert.  Die Art der Werbung ist unzulässig, sofern sie dafür geeignet ist, das Marktverhalten, i.d.R. also den Kaufentschluss der Verbraucher, zu beeinflussen. Das kann z.B. der Fall sein, wenn ein Produkt wegen einer einzelnen Eigenschaft als umweltfreundlich beworben wird, was zwar sachlich richtig ist, das Produkt aber gleichzeitig andere Eigenschaften hat, die umwelt­schädlich sind und auf die nicht hingewiesen wird. Oder wenn ein Produkt mit einem noch weniger umweltfreundlichen Produkt verglichen wird, um es in besserem Licht erscheinen zu lassen. Auch vage Umweltaussagen wie „umweltfreundlich”, „grün”, „Naturfreund”, „ökologisch” oder „nachhaltig” können leicht missverstanden werden und daher zur Irreführung geeignet sein. Verboten, da irreführend ist zudem das Hervorheben von umweltfreundlichen Eigenschaften, die in Wirklichkeit gesetzlich vorgeschrieben sind und daher für alle Produkte derselben Kategorie gelten (sog. Verbot der Werbung mit Selbstverständlichkeiten). Das ist z.B. beim Werbeversprechen „tierversuchsfrei” für Kosmetika zu beachten, denn solche Tierversuche sind in der EU seit 2013 verboten. Daher ist ein solcher Claim nur dann zulässig, wenn tatsächlich – auch außerhalb der EU ” keine Tierversuche durchgeführt wurden.


Rechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Beurteilung der Geeignetheit zur Irreführung

Ob tatsächlich eine verbotene, irreführende Werbung vorliegt, ist stets eine Einzelfallentscheidung, es sei denn es handelt sich um eine Geschäftspraktik der sog. „Schwarzen Liste” im Anhang I UGP-Rtl. bzw. im Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG. Danach sind bestimmte irreführende Geschäftspraktiken, inklusive Green Claims, unabhängig von ihren Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten in jedem Fall untersagt. Darunter fällt u.a. die Behauptung, ein Produkt sei von einer öffentlichen oder privaten Stelle (z.B. Umweltagentur, Normungsorga­nisation) genehmigt worden, obgleich das nicht der Fall ist bzw. die Bedingungen dafür nicht vorliegen. Ein weiteres Beispiel ist die unbefugte Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem (z.B. „Blauer Engel”, „Naturland”). Nicht von der „Schwarzen Liste” umfasste Fälle bedürfen hingegen der Feststellung der Unwahrheit bzw. Täuschungseignung. Nur in bestimmten gesetzlich normierten Fällen wird mit einem gewissen Verhalten eine Geeignetheit zur Irreführung vermutet. Darunter fallen z.B. Verstöße gegen Verhaltenskodizes mit Umweltschutzverpflichtungen durch ein Unternehmen, das sich einem solchen Kodex angeschlossen hat, wobei auch dabei stets im Einzelfall zu prüfen ist, ob der Verbraucher seine geschäftliche Entscheidung tatsächlich auf der Grundlage trifft, dass die Produkte Kodex-konform sind. In allen anderen Fällen muss ermitteln werden, welche Bedeutung eine Werbeaussage nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise hat und, ob sie mit der Realität divergiert.  Das ermitteln die Gerichte i.d.R. aus eigener Sachkunde und Urteilskraft. Sachverständigengutachten und Meinungsumfragen sind nur ausnahmsweise notwendig (vgl. EuGH, Urt. v. 13. Januar 2000, Rs. C-220/98).  Es versteht sich von selbst, dass die Notwendigkeit einer solchen Beurteilung zu Rechtsunsicherheit für den Werbenden führt. Denn die Entscheidung ist der eigenen Urteilsfähigkeit der Verwaltungsbehörden und Gerichte überlassen, freilich unter Berücksichtigung der nationalen und EuGH-Rechtsprechung. Sie zu kennen bzw. fachkundigen Rechtsrat einzuholen ist daher auch für das werbende Unternehmen unerlässlich, um seine Umweltwerbung vorab auf deren Rechtmäßigkeit hin zu prüfen.
 
Darauf hinzuweisen ist schließlich, dass auch technische Normen bei der Frage, ob Umweltaussagen falsch bzw. irreführend sind, immer mehr Gewicht erlangen, so bspw. die DIN EN ISO 14021:2016-07.  Darin sind sowohl allgemeine Anforderungen an umweltbezogene Angaben als auch an spezifische Green Claims (z.B. kompostierbar, recyclingfähig, Recyclatgehalt, nachhaltig, Angaben bzgl. Treibhausgasemissionen, sog. „Product Carbon Footprint”) geregelt. Die Anwendung solcher Normen ist grundsätzlich freiwillig. Allerdings können sie die konkrete Rechtsanwendung vereinfachen. Das insbesondere, wenn wie vorliegend bei der Entwicklung und Prüfung derartiger Aussagen alle für die Umwelt bedeutsamen Aspekte des Lebensweges des Produktes berücksichtigt werden müssen, d.h. u.a. auch zahlreiche technische Aspekte. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und die Anwendung die Norm bspw. für Claims zum Recyclatgehalt von Lebensmittel­kontaktmaterialien aus recyceltem Kunststoff (z.B. PET-Getränkeflaschen) durch Gesetzesverweisung verbindlich gemacht (vgl. 11 Verordnung (EG) Nr. 282/2008). Schon zuvor hatte die Kommission bei der Ausarbeitung ihrer Leitlinien für die Verwendung und Beurteilung von Umweltaussagen auf die internationale Norm zurückgegriffen.

Festgehalten werden kann damit: Die rechtliche Beurteilung von Green Claims ist komplex. Zu beachten ist insbesondere, dass sie klar, genau, überprüfbar und zutreffend sein müssen; sie dürfen nicht irreführend sein. Umweltaussagen, die vage oder unspezifisch sind oder die allgemein implizieren, dass ein Produkt umweltfreundlich oder umweltschonend ist, sollten nicht verwendet werden. Solche Claims bergen ein hohes Potenzial, von Verbrauchern missverstanden zu werden. Die Rechtsprechung fordert daher klar formulierte Aussagen, die erkennen lassen, warum, in welchem Rahmen und bis zu welchem Grad ein Produkt umweltfreundlich ist. Falls eine Umweltaussage allein zu Missverständnissen führen kann, muss sie mit einer ergänzenden Erklärung verbunden sein. Allerdings ist die Aufklärpflicht bei Green Claims nicht grenzenlos. Nach der neueren Rechtsprechung liegt keine Irreführung vor, sofern die jeweiligen Tatsachen dem aufgeklärten Durchschnittsverbraucher allgemein bekannt und damit selbstverständlich sind. In jedem Fall müssen Umweltangaben auf wissenschaftlich nachprüfbaren Methoden basieren, die möglichst weitgehend akzeptiert und zugänglich sind. Auch bei Produktvergleichen in Verbindung mit Umweltaussagen müssen strenge Kriterien beachtet werden (siehe Richtlinie 2006/114/EG) und § 6 UWG).


Aussicht: Künftig individuelle Rechtsbehelfe für Verbraucher, erhöhter Bußgeldrahmen und Standardmethode zur Bewertung der Umweltauswirkungen

Um das Vertrauen der Verbraucher in Green Claims nicht zu untergraben, werden an sie strenge Anforderungen gestellt, die von den werbenden Wirtschaftsakteuren zu beachten sind. Das dient nicht nur dem Verbraucher­schutz. Vielmehr ist die Verwendung wahrheitsgemäßer Umweltaussagen auch wichtig, um Gewerbetreibende, die ihre Produkte und Tätigkeiten umweltverträglich gestalten und ehrliche Aussagen machen, vor unlauterem Wettbewerb durch solche zu schützen, deren Umweltaussagen einer tatsächlichen Grundlage entbehren. Verstöße können daher neben Ahndung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat insbesondere auch zu wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs- und Schadens­ersatz­ansprüchen führen. Im Zuge der Reform des europäischen Verbraucherschutzrecht (Richtlinie (EU) 2019/2161) ist künftig bei grenzüberschreitenden Verstößen mit hohen Geldbußen zu rechnen (mind. 4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmers). Darüber fordert die Reform, dass den durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigten Verbraucher wirksame Rechtsbehelfe im nationalen Recht zur Verfügung stehen, inklusive Schadensersatz, Preisminderung oder Vertragsbeendigung. Bislang haben Verbraucher in Deutschland keinen individuellen wettbewerbsrechtlichen Rechtsanspruch gegen irreführende Werbung, nur das Handeln durch einen Verband oder qualifizierte Einrichtung (z.B. Verbraucherschutzverein) ist möglich oder aber das Einschreiten der Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden, das allerdings im pflichtgemäßen Ermessen liegt. Ob die EU-Vorgaben tatsächlich zur Schaffung neuer Rechtsdurchsetzungsmittel im deutschen Recht führen und insofern ein Paradigmenwechsel notwendig ist, bleibt abzuwarten.

Dass der „Grünfärberei” jedoch in Zukunft verstärkt entgegengewirkt werden soll und damit die Anforderungen an die Umweltwerbung steigen werden, hat nicht zuletzt auch die Europäische Kommission erneut im europäischen Grünen Deal klargemacht. Denn das Phänomen begründet auch die Gefahr einer weniger „grünen” Wirtschaft. Daher fordert die Kommission nun, dass Unternehmen ihre Umweltwerbung anhand einer Standardmethode zur Bewertung der Umweltauswirkungen belegen sollen, insbesondere anhand von Methoden zur Messung des Umweltfußabdrucks von Produkten und Organisationen (siehe Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vom März 2020). Es bleibt abzuwarten, welche konkreten gesetzlichen Maßnahmen künftig tatsächlich umgesetzt werden. Die betroffenen Unternehmen, sollten jedoch die Entwicklung aufmerksam verfolgen und der rechtlichen Überprüfung von produkt- und unternehmensbezogenen Umweltangaben eine angemessene Bedeutung zukommen lassen, so z.B. durch die Adressierung der damit verbundenen Risiken in betriebsinternen Compliance-Programmen.

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