Nachhaltigkeit in aller Munde: (Nichtfinanzielle) Bericht­erstattung im Wandel

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veröffentlicht am 7. April 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen gewinnt für viele Unternehmen zunehmend an Bedeutung, da Stakeholder beginnen, vermehrt Informationen abseits der Finanzberichterstattung nachzufragen. Wie Unternehmen über nichtfinanzielle Informationen und Nachhaltigkeit berichten können, wird durch zahlreiche nationale und internationale Regelwerke beschrieben. Nachhaltigkeitsberichterstattung bietet eine große Chance für Wertentwicklung, Imagebildung und Kundenbindung von Unternehmen. Doch welches Rahmenwerk sich am besten eignet, stellt viele vor eine Herausforderung.



CSR-Richtlinie als regulatorischer Ausgangspunkt

Kapitalmarkorientierte Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen, wurden durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz in Deutschland verpflichtet, den Lagebericht bzw. Konzernlagebericht um eine nicht­finanzielle (Konzern-)Erklärung zu erweitern oder einen gesonderten nichtfinanziellen (Konzern-)Bericht zu veröffentlichen. In den anderen europäischen Mitgliedsstaaten gilt über die CSR-Richtlinie im Grundsatz die gleiche Regelung, allerdings unterscheidet sich durch die unterschiedliche nationale Umsetzung etwa der Kreis der betroffenen Unternehmen oder die Prüfungspflicht.

Bei der nichtfinanziellen Berichtspflicht müssen die betroffenen Unternehmen Angaben zu Umwelt-, Arbeit­nehmer- und Sozialbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung nachkommen. Für solche Aspekte sind jeweils diejenigen Angaben zu machen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Gesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die genannten Aspekte erforderlich sind. Die inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung hat in Deutschland durch den Aufsichtsrat als Überwachungsorgan zu erfolgen. Eine inhaltliche Prüfung bei der Abschlussprüfung ist bisher nicht verpflichtend vorgesehen. Zur Konkreti­sierung der CSR-Richtlinie hat die EU-Kommission bereits 2017 unverbindliche Leitlinien veröffentlicht, die im Juni 2019 zur klimabezogenen Berichterstattung weiterentwickelt wurden. Die Anwendung der in der Gesetzesbegründung empfohlenen Leitlinien ist nicht verpflichtend. Ebenso wenig gibt es eine Vorgabe hinsichtlich eines anzuwendenden Rahmenwerks. Unternehmen haben daher bei der Umsetzung maximale Flexibilität und können individuell den für sich besten Weg wählen. Auf Seite der Adressaten erschwert sie jedoch die Auswertbarkeit und Vergleichbarkeit der nichtfinanziellen Informationen.


Etablierte Standards geben Orien­tierung

Als Rahmen für eine systematische und fundierte Berichterstattung im Bereich ESG (Environment, Social, Governance) und Nachhaltigkeit stehen unzählige nationale und internationale Standards zur Verfügung – je nach Branche, Größe und strategischer Zielrichtung.

Das wohl weltweit am meisten verbreitete Rahmenwerk sind die „Standards der Global Reporting Initiative” (GRI). Auch für Deutschland kam die CSR-Studie des Deutschen Rechnungslegungs Standards Commitee e.V. (DRSC) im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Februar 2021 zu dem Ergebnis. Trotzdem gibt es noch zahlreiche andere Standards und (branchenspezifische) Guidelines, die als Leitlinien bei der nichtfinanziellen Berichterstattung eingesetzt werden. Häufig orientieren sich die berichtenden Unternehmen auch mehr an Anforderungen von Ratingagenturen als an klassischen Standards.

Häufig orientieren sich die Unternehmen an den im Folgenden genannten Rahmenwerken und Leitlinien:

  • Global Reporting Initiative (GRI): Die Multi-Stakeholder-Initiative bietet international anerkannte Indikatoren und Leitfäden (Sustainability Reporting Guidelines) für Organisationen verschiedener Größen und Branchen;
  • Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK): Der Standard etabliert sich zunehmend in Deutschland, da er sich an international geltende umfassendere Standards wie UN Global Compact und GRI anknüpfen lässt;
  • ISO 26000;
  • UN Global Compact;
  • UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte;
  • OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen;
  • UN Sustainable Development Goals.


Der „Flickenteppich” der Rahmenwerke und Ausweitung der Berichts­pflichten

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Nachhaltigkeitsberichterstattung und unzählige Standards. Um eine gewisse Verlässlichkeit und Relevanz der nichtfinanziellen Informationen zu ermöglichen, wäre ein allgemeiner verbindlicher Standard z.B. IFRS in der Finanzberichterstattung sinnvoll. Ihn gibt es bisher leider nicht.

 
Der Rückgriff auf zu viele unterschiedliche Rahmenwerke erweist sich auch in der Vergleichbarkeit als schwierig – ein zentraler Punkt, der in der EU-Konsultation zur Überarbeitung der CSR-Richtlinie als eins der Ergebnisse zum Vorschein kam. Die EU-Kommission hatte angekündigt im 1. Quartal 2021 einen Vorschlag zur Überarbeitung der CSR-Richtlinie vorzulegen. Ob im dem Zusammenhang verbindliche Rahmenwerke veröffentlicht werden wird sich zeigen.

Bei der Standardisierung der nichtfinanziellen Berichterstattung wäre wie bei der Finanzberichterstattung eine internationale Lösung wünschenswert, da nationale oder europäische Lösungen das Problem der Vergleich­barkeit nur teilweise lösen und nicht die globale Dimension abdecken. Dazu wurde in der jüngsten Vergangen­heit immer wieder ein mögliches Sustainability Standards Board unter der IFRS-Stiftung ins Spiel gebracht. In dem Board könnten analog zum International Accounting Standards Board (IASB) die Nachhaltigkeits­standards der Zukunft entwickelt werden.

Im September 2020 haben zudem fünf führende Organisationen im Bereich der Nachhaltigkeitsberichter­stattung eine Initiative bekannt gegeben, in der eine einheitliche und umfassende Lösung zur Nachhaltigkeits­berichterstattung mit Anbindung an die Finanzberichterstattung geschaffen werden soll. An der Initiative sind das CDP (Carbon Disclosure Project), das Climate Disclosure Standards Board (CDSB), die GRI, der International Integrated Reporting Council (IIRC) sowie das Sustainability Accounting Standards Board (SASB) beteiligt.

Um dem stetigen Bedarf nach nichtfinanziellen Informationen gerecht zu werden, wird eine maßvolle und schrittweise Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland und Europa erwartet. Dabei ist zu hoffen, dass die Regularien, die für den Kapitalmarkt gelten, nicht unmittelbar 1:1 auf den Mittelstand umgemünzt werden, sondern zunächst abgestuft zur Anwendung kommen.

Um die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens holistisch darzustellen, kann z.B. eine integrierte Berichter­stattung von finanziellen und nichtfinanziellen Informationen erfolgen. In eine vergleichbare Richtung gehen auch die aktuellen Bemühungen der Value Balancing Alliance (VBA), die die Bewertung von Unternehmen nicht nur an finanziellen Beiträgen, sondern auch an den Beiträgen zur Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft anknüpfen möchte.

Für viele mittelständische Unternehmen ist die nichtfinanzielle Berichterstattung bislang noch Zukunftsmusik. Allerdings nimmt auch dabei der Druck über Stakeholder und Lieferketten zu. Daher lohnt es sich vor dem Gesamtkontext sich mit einer freiwilligen oder einer über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende nichtfinanziellen Berichterstattung zukunftsgerichtet auseinanderzusetzen.


Fazit

Insgesamt befindet sich die Berichterstattung von nichtfinanziellen Informationen in einer dynamischen Entwicklungsphase. Durch die immer stärkere Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex von Seiten der Anwender, Investoren, Kunden, Mitarbeitern und vielen anderen Stakeholdergruppen schärfen sich die Anforderungen und Erwartungen und tragen damit zu einer Weiterentwicklung der Berichterstattung bei. Im Vergleich zur traditionellen Finanzberichterstattung gilt es jedoch noch viel zu etablieren und Standards zu setzten. Gleichzeitig scheint die bisher weitestgehend unangefochtene Dominanz der Finanzberichterstattung in der Entscheidungsfindung am Kapitalmarkt für die Zukunft zur Diskussion zu stehen.

Während erfahrene (auch freiwillige) Berichterstatter sich weiter professionalisieren, lässt sich beobachten, dass langsam bisher weniger erfahrene Berichterstatter sich zunehmend systematischer mit nichtfinanziellen Themen auseinandersetzten. Neben der Steigerung von Transparenz und Reputation kann die Nachhaltigkeits­berichterstattung auch zur Positionierung im Wettbewerb genutzt werden. So kann eine nichtfinanzielle Berichterstattung zur Attraktivität der entsprechenden Unternehmen als Arbeitgeber oder als Geschäftspartner beitragen. Folglich ist auch eine freiwillige oder eine über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende nichtfinanzielle Berichterstattung in Betracht zu ziehen.

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Dr. Christian Maier

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