Indien: Fragen und Antworten zur Goods and Services Tax

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zuletzt aktualisiert am 21. Juli 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Seit Mitte 2017 hat Indien mit der Goods and Services Tax („GST") ein modernes Umsatzsteuersystem. Die GST ist ein indienweit einheitliches System. Sie besteuert den auf der jeweiligen Handelsstufe geschaffenen Mehrwert und belastet grds. nur den Endverbraucher. Das System ist durchaus mit dem europäischen System vergleichbar. Zentrale Begriffe wie Ort der Leistung und umsatzsteuerliche Betriebsstätte werden ähnlich verstanden. 

 

 

Von der GST nicht erfasst wird die Stamp Duty auf den Verkauf von Grundeigentum und bestimmte Rechtsakte, ferner Verbrauchsteuern auf Strom, alkoholische Getränke und Tabak.

 

Parallel zur GST existieren Einfuhrabgaben in Form des Zolls (Basic Cutoms Duty). Das nachfolgende FAQ soll helfen, die Folgen der GST für das eigene Unternehmen in Grundzügen zu verstehen.

 

   

Ist die GST eine einheitliche Steuer?    

Streng genommen nein. Die GST erfasst alle Leistungen, d.h. die Lieferung von Waren und die Erbringung sonstiger Leistungen („Services"). Allerdings unterteilt sie sich in 3 Komponenten:

 

  • Central GST („CGST") – Steuer der Zentralregierung
  • State GST („SGST") – Steuer der Bundesstaaten
  • Integrated GST („IGST") – übergreifende Steuer

   

Welche der 3 Steuern auf eine Leistung Anwendung finden, entscheidet sich danach, ob eine Leistung innerhalb eines Bundesstaates oder zwischen zwei Bundesstaaten erfolgt.

 

Als innerstaatlich gilt eine Leistung dann, wenn sich der Ort des Leistenden und der Ort der Leistung in demselben Bundesstaat befinden. Liegen sie in verschiedenen Bundesstaaten oder ist der Ort des Leistenden im Ausland (Fall des Imports) gilt die Leistung als zwischen zwei Bundesstaaten erfolgt.

 

Der Ort des Leistenden ist grundsätzlich der Ort der Geschäftseinrichtung, aus der heraus aus die Leistung erfolgt. Der Ort der Leistung unterscheidet sich je nach Sachverhalt. Bei Warenlieferungen ist es der Ort, an dem die Warenbewegung endet. Bei Dienstleistungen im B2B Bereich ist es der Ort, an dem die Leistung empfangen wird, sofern der Leistungsempfänger dort umsatzsteuerlich registriert ist.

 

Exporte von Waren oder Dienstleistungen sind i.d.R. steuerbefreit (siehe unten im Detail). Erfolgt eine Leistung innerhalb eines Bundesstaates finden CGST und SGST gleichzeitig Anwendung. Erfolgt die Leistung zwischen zwei Bundesstaaten findet nur IGST Anwendung. 

   

FallgruppeAnzuwendende Steuer
Leistung innerhalb eines Bundesstaates
  • CGST
  • SGST
Leistung zwischen 2 Bundesstaaten– IGST
Import von Waren
  • IGST
  • Zoll
Import von Dienstleistungen– IGST
Export von Waren oder Dienstleistungen- befreit

 

Die Aufgliederung ist Folge der föderalen Struktur Indiens.

 

Wie hoch ist der Steuersatz?    

Der Standardsatz der GST liegt bei 18 Prozent. Das gilt auch für viele Anlagen/Maschinen sowie nahezu alle Dienstleistungen. Einige Waren (aus indischer Sicht „Luxusgüter", wie z.B. Klimaanlagen) unterliegen einem Steuersatz von 28 Prozent, für andere gilt ein niedrigerer Satz. Eine Warentarifnummer (ähnlich dem HS Code) entscheidet über die Einordnung. Bei Leistungen innerhalb eines Bundesstaates teilt sich der Steuersatz je zur Hälfte in die gleichzeitig anfallende CGST und SGST. Bei Leistungen zwischen 2 Bundesstaaten entfällt er komplett auf die IGST. Die Tatsache, dass bei Leistungen innerhalb eines Bundesstaates mit CGST und

SGST 2 Steuern gleichzeitig anfallen, verteuert die Leistung also nicht.

 

Leistungsgruppe
IGST (in Klammern: CGST + SGST)
Exporte0 %
Wichtige Güter des täglichen Bedarfs5 % (2,5 % plus 2,5 %)
Vorzugssteuersatz für geförderte Industrien12 % (6% plus 6 %)

Viele Waren, Anlagen

/ Maschinen (Stan- dardsatz)

 

18 % (9% plus 9 %)

Alle weiteren Güter („Luxusgüter")28 % (14% plus 14 %)

   

Ein Beispiel bitte!

Ein Produzent in Gujarat verkauft Elektromotoren zum Preis von INR 100 an einen Unternehmer in Maharashtra. Die Waren werden nach Maharashtra geliefert. Der Produzent wird auf der Rechnung INR 100 plus IGST i.H.v. INR 18 ausweisen. Werden die Elektromotoren an ein Lager in Gujarat geliefert, sind CGST i.H.v. INR 9 und SGST i.H.v. INR 9 auf der Rechnung auszuweisen.

 

Ist ein Vorsteuerabzug möglich?            

Grundsätzlich ja. Unternehmer können gezahlte GST als Vorsteuer von der durch sie geschuldeten GST in Abzug bringen. Die GST ist insoweit mit dem deutschen System der Umsatzsteuer vergleichbar. So können produzierende Unternehmen oder Dienstleister die auf etwaige Zukäufe von Waren oder Dienstleistungen gezahlte GST mit der an ihre Abnehmer berechneten und vereinnahmten GST verrechnen. Die GST wird damit erst beim Endverbraucher zum Kostenfaktor.

 

Aufgrund der 3-gliedrigen Struktur der GST gestaltet sich der Vorsteuerabzug jedoch im Detail komplexer. Gezahlte CGST kann als Vorsteuer von geschuldeter CGST und IGST, gezahlte SGST als Vorsteuer von geschuldeter SGST und IGST in Abzug gebracht werden. Ein Vorsteuerabzug zwischen CGST und SGST ist nicht vorgesehen. Gezahlte IGST ist von allen Arten der GST, d.h. IGST, CGST und SGST abzugsfähig.

 


  

Aus diesem System ergibt sich (aufgrund der Tatsache, dass CGST und SCGT immer in gleicher Höhe anfallen) grds. keine zusätzliche Steuerbelastung. Allerdings kann SGST eines Staates A nicht mit SGST eines Staates B verrechnet werden. Nicht möglich ist derzeit (Stand Juli 2022) ebenfalls die staatenübergreifende Verrechnung von CGST.

 

Voraussetzung eines Vorsteuerabzugs ist zunächst der Erhalt einer korrekten Rechnung, der Empfang der Leistung und die rechtzeitige Einreichung einer Vorsteueranmeldung („GST return"). Erforderlich ist jedoch auch die tatsächliche Abführung der GST durch den Rechnungssteller. Vereinnahmt der Rechnungssteller zwar die ausgewiesene GST, führt sie aber nicht ab, entfällt für den Unternehmer der Vorsteuerabzug. Die digitalen und automatisierten Systeme der Finanzverwaltung können solche Fälle erkennen. Für Unternehmen bedeutet das ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, das nur mit einem erhöhten Controlling-Aufwand abgefangen werden kann.

 

Ein Beispiel bitte!

Ein Produzent in Gujarat verkauft Klimaanlagen zum Preis von INR 100 an einen Unternehmer in Maharashtra. Er wird auf der Rechnung INR 100 plus IGST i.H.v. INR 28 ausweisen. Der Produzent wird die vereinnahmte IGST abzüglich eventueller Vorsteuern (SGST, CGST oder IGST) abführen. Der Erwerber kann IGST i.H.v. INR 28 als Vorsteuer geltend machen.

 

Werden Vorsteuerguthaben erstattet?

Nein. Vorsteuerguthaben werden grundsätzlich nicht erstattet. Eine Ausnahme gilt für Unternehmen, die entweder null (z.B. exportierende Unternehmen) oder nur eine im Steuersatz niedrigere Umsatzsteuer schulden (Beispiel: Eingangsumsätze unterliegen einer GST i.H.v. 28 Prozent, die Ausgangsumsätze einer GST i.H.v. 18 Prozent). Evtl. entstehende Vorsteuerüberhänge müssen daher – wie im alten CENVAT-System – als Guthaben vorgetragen werden.

 

Welche Regelungen gelten für den Export?

Lieferungen von Waren unterliegen nicht der GST, sofern die Waren tatsächlich das Land verlassen. Sonderregelungen gelten für Lieferungen an indische Unternehmen, die ihrerseits für den Export produzieren und als solche registriert sind (z.B. Inhaber einer „Advance Authorizations and Export Promotion Capital Goods, "EPCG"). Solche innerindischen Lieferungen gelten als exportiert („deemed exports"). Gezahlte Vorsteuern werden auf beim Export auf Antrag erstattet.

 

Dienstleistungen unterliegen nicht der GST sofern sich sowohl der Leistungsempfänger als auch der Ort der Leistung außerhalb Indiens befinden.  Die Zahlung muss ferner in ausländischer Währung erfolgen. Leistungen an eine unselbständige Niederlassung außerhalb Indiens („Branch Office") gelten nicht als exportiert.

 

Ein Beispiel bitte!

Ein indischer Dienstleister erbringt  Leistungen im Bereich der Unternehmensberatung an einen deutschen Unternehmer. Der Rechnungsbetrag lautet auf Euro. Die Dienstleistung unterliegt nicht der GST. Der Dienstleister kann eine Erstattung gezahlter Vorsteuern geltend machen.

Anders z.B. bei Montageleistungen in Indien. Ort der Leistung ist hier in der Regel der Ort der Montage. Werden sie an einen deutschen Unternehmer abgerechnet, unterliegen sie der GST. Die GST kann so schnell zum Kostenfaktor werden. Ähnliches gilt für Handelsvertreter, die Verkäufe von Waren innerhalb Indiens vermitteln. Hier unterliegt die Vermittlungsleistung ebenfalls der GST, auch wenn sie an ein ausländisches Unternehmen erbracht und in Euro abgerechnet wird.

 

Wie funktioniert die Rechnungsstellung?

Für Lieferungen oder sonstige Leistungen zwischen Unternehmern (B2B) ist ein modernes digitales System eingeführt worden („E-invoicing"). Das System gilt derzeit für Unternehmer mit einem Umsatz von über INR 500 Mio. (ca. EUR 6 Mio. pro indischem Finanzjahr, 1.4. bis 31.3.). Schreibt ein indischer Unternehmer eine Rechnung an einen anderen Unternehmer, so müssen die Rechnungsdetails an das System der Finanzverwaltung gemeldet werden. Dies geschieht bei entsprechender Abstimmung mit dem eigenen ERP automatisch. Das System generiert eine 32-stellige Rechnungsnummer und einen QR-Code. Beides wird auf die Rechnung gedruckt.

 

Was gilt für ausländische Unternehmen?

Ausländische Unternehmen ohne Präsenz in Indien müssen keine GST auf Rechnungen für Lieferungen von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen nach Indien ausweisen. Zwar unterliegen z.B. an indische Unternehmen erbrachte Beratungsleistungen meist der GST, jedoch berechnet der Leistungsempfänger die GST selbst und führt sie auch selbst an die Finanzverwaltung ab („reversecharge Verfahren"). Das indische Unternehmen wird den Zahlbetrag auch nicht um die abgeführte GST kürzen. Unternehmen sollten aber auf – ggf. versteckte – Preisklauseln aufpassen. Nicht selten finden sich z.B. in Ausschreibungsunterlagen Sätze wie „the price is inclusive of all taxes". Dies vor allem dann, wenn der Ausschreibende nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt und die GST daher bei ihm ein Kostenfaktor ist (z.B. Stromproduzenten oder Krankenhäuser). In solchen Konstellationen sollte stets eine gute Beratung gesucht werden.

 

Für langfristige Projekte in Indien, die eine Präsenz vor Ort benötigen, werden ausländische Unternehmen in der Regel ein Branch Office oder ein Project Office anmelden. Dieses gilt als umsatzsteuerliche Betriebsstätte und ist dann auch für Zwecke der GST zu registrieren.

 

Auf Vergütungen für Dienstleistungen und Lizenzgebühren fällt in Indien übrigens weiterhin meist Quellensteuer an. Sie ist jedoch das Abbild der Einkommensteuerpflicht des ausländischen Unternehmers in Indien und damit ein gänzlich anderes Thema. Erfahren Sie mehr darüber in unserem Artikel Quellensteuern, Steuerregistrierung (PAN) und Steuerdeklaration

 

Welche Auswirkungen hat die GST auf die Logistik in Indien?

Wer früher in Indien schon einmal über Land gefahren ist, kannte die langen Staus von Lastwagen, die sich an den Binnengrenzen der Bundesstaaten bildeten. Sie waren der Kontrolle der Ladepapiere und der Ladung sowie der föderal geprägten Struktur der alten Umsatzsteuer (VAT / CST) geschuldet. Heute, unter der GST, werden die Ladung und die Korrektheit der Papiere (Electronic E-Way Bill) stichprobenartig untersucht. Staus aus diesen Gründen sind verschwunden. Gleichzeitig orientiert sich die Logistik wieder an den tatsächlichen Erfordernissen (Infrastruktur/Kundennähe) und ist nicht mehr steuerlich motiviert.

 

Gibt es Empfehlungen für den Vertrieb von Waren in Indien?

Die Vergütung von Handelsvertretern unterliegt in der Regel der GST (siehe oben). Das ist ein erheblicher Kostennachteil für ausländische Unternehmen. Die Kosten der Vertretung erhöhen sich um den Satz der GST, d.h. um 18 Prozent. Eine Vertreterstruktur beinhaltet stets auch ein Risiko der Begründung einer ertragsteuerlichen Betriebsstätte mit weitreichenden Folgen für die Gewinnbesteuerung.

 

Diese Probleme entfallen bei einem Eigenhändler.  Ein Eigenhändler kann im System der GST mittlerweile auch die auf den Import von Waren gezahlte IGST als Vorsteuer zum Abzug bringen. Es gibt damit keine Wettbewerbsnachteile mehr im Vergleich zum System vor Einführung der GST.

 

Allerdings muss sich ein Eigenhändler mit der indischen Finanzverwaltung Zoll (Special Valuation Branch, „SVB") über den Zollwert der von ihm importierten Waren auseinandersetzen. Schließlich kauft er ja von ausländischen verbundenen Unternehmen zu, so dass die Finanzverwaltung stets befürchtet, dass Intercompany-Preise niedrig gehalten werden, um Zoll zu sparen. Dieser Nachteil sollte jedoch die genannten steuerlichen Vorteile in der Regel überwiegen.

 

Wo weicht die indische Umsatzsteuer noch grundlegend von der deutschen Umsatzsteuer ab?

Indische Sachverhalte sollten immer nach indischem Recht geprüft werden. Zu hoch wäre das Risiko einen Fehler zu begehen, dessen Auswirkungen sich dann mit der Zahl der Umsätze multiplizieren würde. Neben den genannten Besonderheiten sind zum Beispiel Reihengeschäfte, bei denen ein erster Verkäufer in einer Vertriebskette direkt an einen Endabnehmer liefert, abweichend geregelt. Nicht bekannt ist auch das System der umsatzsteuerlichen Organschaft.

  

Zum Schluss ein Ausblick. Welche Neuregelungen sind in den kommenden Monaten zu erwarten?

Indien plant eine Verringerung der Zahl der Steuersätze und es wird weiterhin diskutiert Energielieferungen dem System der GST zu unterstellen. Im Übrigen ist die GST nach nunmehr 5 Jahren aber weitgehend etabliert. Kleine technische Anpassungen erfolgen noch, umfassende Änderungen sind derzeit jedoch nicht zu erwarten.

 

Unsere Einschätzung

Mit Einführung der GST wurde eines der weltweit komplexesten Umsatzsteuersysteme radikal vereinfacht. Unternehmen können sich seitdem auf ihr Geschäft konzentrieren statt Formulare auszufüllen und Steuermeldungen einzureichen. Viele Vorgänge und Meldungen geschehen online, was das Korruptionsrisiko senken wird. Bei Thema E-Invoicing ist Indien Deutschland weit voraus.

    
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