Verrechnungspreise: Planung, Dokumentation und Betriebsprüfung auf der Tagesordnung

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Interview mit Dr. Kai-Uwe Bandtel und Michael Scharf

 

veröffentlicht am 28. Juni 2017

 

 

Herr Scharf, Sie leiten gemeinsam mit Ihrem Kollegen Dr. Kai-Uwe Bandtel aus München das Beratungsfeld Internationale Verrechnungspreise bei Rödl & Partner. Geben Sie uns bitte einen Überblick, wo Unternehmen auf Verrechnungspreisthemen treffen können.

Michael Scharf: International agierende Unternehmensgruppen sehen sich immer dann mit dem Thema Verrechnungspreise konfrontiert, wenn grenzüberschreitende Lieferungen oder sonstige Leistungs­beziehungen vorhanden sind – was regelmäßig der Fall ist. Die Planung der Verrechnungspreise ist dann unerlässlich. Nachgelagert kommt noch die Dokumentation der Verrechnungspreismodelle hinzu, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland. Darüber hinaus liegen Verrechnungspreise schon seit Jahren im Fokus von steuerlichen Betriebsprüfungen, weshalb die Verteidigung von bestehenden Verrechnungs­preissystemen und die in dem Zusammenhang stehende Dokumentation stetig an Bedeutung gewinnen. Diese Tatsache – in Verbindung mit dem sich rasant entwickelnden regulatorischen Umfeld der Finanzbehörden weltweit – führt zu einer Ausgangslage, bei der ein geeigneter und angemessener Umfang der Verrechnungspreisplanung und -einhaltung aus Compliance-Sicht unerlässlich ist, um bestehende Risiken zu reduzieren.

  

Herr Dr. Bandtel, Verrechnungspreise sind nicht zuletzt durch den BEPS-Prozess (Base Erosion and Profit Shifting) stark ins Licht gerückt – neben Fachkreisen auch in der breiten internationalen Öffentlichkeit. Was sind hierbei die wesentlichen Themen? 

Dr. Kai-Uwe Bandtel: Der BEPS-Aktionsplan wurde von der OECD und den G20-Staaten erarbeitet, um den Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne entgegenzuwirken. Die Ergebnisse umfassen insgesamt 15 Aktionspunkte, von denen sich mehr als die Hälfte direkt oder indirekt auf Verrechnungs­preise beziehen. An dieser Stelle wird nochmals die hohe Relevanz der Thematik für die Steuerpraxis deutlich. Für Unternehmen bedeutet das, dass eine Vielzahl an Neuerungen auf sie zukommen wird. Insbesondere im Bereich der Verrechnungspreisdokumentation können sich Unternehmen auf einen Paradigmenwechsel einstellen. So sollen die Dokumentationsanforderungen künftig durch einen 3-gliedrigen Ansatz verwirklicht werden, bestehend aus:
  • einer Stammdokumentation, dem sog. Masterfile,
  • einer gesellschaftsbezogenen Dokumentation, dem sog. Local File, das im Grunde der bisherigen nationalen Dokumentation entspricht, und zuletzt
  • der länderbezogenen Berichterstattung, dem sog. Country-by-Country-Reporting (letztere ist abhängig von der Unternehmensgröße).

  

Neben der Sicherstellung, dass Verrechnungspreise fremdvergleichskonform festgelegt wurden, soll die Verrechnungspreisdokumentation dazu dienen, den Finanzbehörden eine detaillierte Risikoüberprüfung und -beurteilung der Verrechnungspreise zu ermöglichen und somit eine noch höhere Transparenz schaffen. Die Dokumentationen werden künftig international sehr viel stärker miteinander verzahnt sein, als es in der Vergangenheit der Fall war.

 

Auf was müssen sich Unternehmen neben den neuen Dokumentationsanforderungen in Zukunft noch einstellen?

Dr. Kai-Uwe Bandtel: Neben den Änderungen im Bereich der Dokumentation werden die BEPS-Ergebnisse auch Konsequenzen für die bisherige Gestaltungspraxis von Verrechnungspreisen haben, d.h. die Verrechnungspreisergebnisse und die damit einhergehende Gewinnverteilung müssen mit der zugrunde liegenden Wertschöpfung übereinstimmen. Der wertschöpfungsbasierte Ansatz wird insbesondere bei immateriellen Wirtschaftsgütern eine große Rolle spielen. Dabei wird zwar weiterhin das rechtliche Eigentum als Ausgangspunkt für die Verrechnungspreisanalyse dienen, jedoch besteht hierdurch kein automatischer Anspruch auf die Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Wirtschaftsgütern beim rechtlichen Eigentümer. Nicht das rechtliche Eigentum allein, sondern v.a. die Wertschöpfungsbeiträge der relevanten Funktionen sind entscheidend. In dem Zusammenhang werden sich Unternehmen regelmäßig die Frage stellen müssen, wer zur Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung und zum Schutz des immateriellen Wirtschaftsguts beiträgt, wer es letztlich verwertet und wem folglich die Gewinne aus dem Wirtschaftsgut zustehen bzw. wie sie ggf. auf die Beteiligten zu verteilen sind. Künstliche Gestaltungen, die durch rein rechtliche Strukturen erzeugt werden, sind somit künftig nicht mehr möglich.

 

Herr Scharf,  können Sie hierzu ein Beispiel geben?

Michael Scharf: Die Ausführungen von meinem Kollegen lassen sich sehr gut am Beispiel der Auftrags­forschung festmachen. Man nehme bspw. ein inländisches Unternehmen, das an seine Tochtergesellschaft im Ausland Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in Auftrag gibt. Ob jedoch tatsächlich Auftrags­forschung vorliegt, wird künftig an den 5 relevanten Funktionen festgemacht werden, die von der OECD in Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern definiert wurden. Vereinfacht gesagt können einem Unternehmen, das keine Kompetenzen für die Ausführung solcher Funktionen besitzt, auch keine Forschungs- und Entwicklungsergebnisse zugeordnet werden. Ebenso sind in der Praxis häufig Gestaltungen anzutreffen, bei denen die eine Gesellschaft zwar Auftraggeber ist und auch die gesamte Forschungs- und Entwicklungstätigkeit finanziert, der anderen Gesellschaft jedoch alle in dem Zusammenhang relevanten Funktionen zuzuordnen sind, sie jedoch lediglich im Wege von Cost Plus vergütet werden. In Zukunft wird deshalb eine reine Finanzierungsfunktion nicht mehr ausreichen, um den Residualgewinn aus einem immateriellen Wirtschaftsgut zu erhalten. Wir erwarten, dass solche Fallkonstellationen künftig noch stärker in den Fokus der Finanzbehörden rücken werden.

 

Herr Dr. Bandtel, wann ist eine Umsetzung der BEPS-Ergebnisse zu erwarten?

Dr. Kai-Uwe Bandtel: Aktuell beschäftigt uns die Umsetzung der BEPS-Ergebnisse in den einzelnen Ländern. Der Umsetzungsstand ist hierbei sehr unterschiedlich. Jedoch ist zu beobachten, dass bisher sehr viele Länder die BEPS-Ergebnisse umgesetzt haben bzw. gemäß den OECD-Empfehlungen umsetzen werden. Insbesondere die neuen Dokumentationsvorschriften finden in vielen Ländern bereits für das Wirtschafts­jahr 2016 Anwendung. Auch wenn in Deutschland das neue Dokumentationskonzept abweichend davon erstmalig für das Jahr 2017 anzuwenden ist, werden sich deutsche Unternehmen spätestens dann mit den neuen Regelungen auseinandersetzen müssen, wenn ein Land, in dem sie tätig sind, die BEPS-Ergebnisse bereits umgesetzt hat. Lokale Insellösungen, wie es bisher häufig der Fall war, werden in Zukunft nicht mehr ausreichen. Wir von Rödl & Partner decken mit unseren lokalen Verrechnungspreisspezialisten die wichtigsten Länder ab und bieten unseren Mandanten Möglichkeiten an, um bestehende Verrechnungspreisrisiken rechtzeitig zu identifizieren und zu beseitigen. Darüber hinaus arbeiten wir auch eng mit Kollegen aus angrenzenden Beratungsfeldern zusammen, wie etwa Umsatzsteuer und Zoll.

 

Herr Scharf, insgesamt werden die Anforderungen an Unternehmen also zunehmen. Auf was werden sich Unternehmen künftig einstellen müssen, insbesondere im Hinblick auf Betriebsprüfungen?

Michael Scharf: Insgesamt wird es in Zukunft zu einer stärkeren Verzahnung zwischen Inland und Ausland kommen, v.a. bei der Dokumentationserstellung. Hierbei wird die Abstimmung zwischen den einzelnen Ländern eine große Rolle spielen. Insbesondere das neue Country-by-Country-Reporting wird Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Die hierdurch erhöhten Anforderungen bei der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen werden sich auf die bisherigen länderübergreifenden Dokumentations­prozesse erheblich auswirken und erfordern ein geeignetes Dokumentationsmanagement. Zusätzlich dazu werden die einzelnen Reports im Wege des automatischen Informationsaustauschs zwischen den Finanzbehörden ausgetauscht, wodurch es zu einer noch höheren Transparenz gegenüber dem Fiskus kommen wird. Insgesamt müssen sich Unternehmen auf noch strengere Fristen und eine stärkere Ausrichtung am Ausland einstellen. Die bisher gelebte Betriebsprüfungspraxis wird sich nicht grundlegend ändern, jedoch erwarten wir eine noch stärkere Ausrichtung auf die Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen und die hierbei ausgestalteten Verrechnungspreismodelle. Folglich wird es einen zunehmenden Verteilungskampf zwischen den einzelnen Fisci geben. Hierdurch wird sich die Gefahr von Doppelbesteuerungen erhöhen und im Zuge dessen werden voraussichtlich Verständigungsverfahren maßgeblich an Bedeutung gewinnen. 

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