Exportkontrolle im Vertrieb: Ein Widerspruch?

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zuletzt aktualisiert am 15. Januar 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Ewald Plum, Rödl & Partner Stuttgart, und Katja Conradt
 

Auf den ersten Blick wird eine jede Vertriebsabteilung alles andere als begeistert sein, wenn sie sich auch noch mit dem Thema Außenwirtschaft, insbesondere den volatilen globalen Exportkontrollrechtlichen Bestimmungen beschäftigen soll.


Warum?

Exportkontrollrechtliche Bestimmungen untersagen oftmals Geschäfte, die aus vertrieblicher Sicht aufgrund der oftmals höheren Margen sehr reizvoll erscheinen. Die unterschiedlichen Zielsetzungen zum einen der staatlichen Exportkontrolle und zum anderen des umsatzgetriebenen Vertriebs können zu wesentlichen Interessenskonflikten führen, v.a. dann, wenn Vertriebsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Umsatz gemessen und beteiligt werden, und daher naturgemäß weniger Interesse an der Begrenzung einzelner Geschäfte durch exportkontrollrechtliche Vorschriften haben.

 

Nach der Lektüre des Artikels werden Sie jedoch feststellen, dass aufgrund der enormen Konsequenzen das eine ohne das andere auf lange Sicht nicht zum unternehmerischen Erfolg führen kann. Ziel des Artikels ist es die Gegensätze und die Abhängigkeiten zwischen Vertriebs- und Exportkontrollabteilungen darzustellen und für ein besseres gegenseitiges Verständnis zu sorgen. Denn nichts schadet einem Unternehmen langfristig mehr, als Wissen nicht sinnvoll und zielgerichtet einzusetzen.

 

Rechtlicher Rahmen

Der Begriff Exportkontrolle ist selbsterklärend – sie soll den Export von Gütern kontrollieren. Mit „Kontrolle" ist in dem Zusammenhang jedoch nicht immer die Verhängung von Verboten gemeint, die eine Geschäftsab­wicklung unmöglich machen, vielmehr besteht die Exportkontrolle auch aus umfangreichen Genehmigungs- und Meldepflichten, die missachtet werden können. Werden die Pflichten jedoch frühzeitig erkannt, können damit zusammenhängende Geschäfte durch Einhaltung meist relativ unproblematisch abgewickelt werden. Das frühzeitige Erkennen und die Beseitigung solcher Hinderungsgründe führen dazu, dass Einschränkungen geringere Auswirkungen auf unternehmenseigene Prozesse entfalten, als vielleicht ursprünglich gedacht.

    

Die grundsätzliche Ausrichtung der Exportkontrolle steht auf den ersten Blick in enormen Gegensatz zum Ziel einer Vertriebsabteilung, die möglichst schnell und reibungslos viele Güter exportieren und so die Umsätze des Unternehmens erhöhen möchte. Die Einhaltung von staatlichen Exportkontrollvorgaben führt jedoch auf der anderen Seite dazu, dass langfristige Umsätze erzielt werden können, die ein Unternehmen auf Dauer gesund halten.

    

Andererseits ist für ein Unternehmen eine gesunde Umsatzsteigerung nur dann möglich, wenn es die recht­lichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Berücksichtigt die Vertriebsabteilung bei neuen Vertriebs­projekten exportkontrollrechtliche Fragestellungen nicht, ist es gut möglich, dass hieraus resultierende Fehler erst bei einer Prüfung durch Behörden festgestellt werden. Die kurzfristige Umsatzsteigerung wird dann durch finanzielle Nachteile (z.B. Strafen bzw. nachträgliche Einziehung des gesamten Umsatzes für diese Geschäfte), negative Einflüsse der medialen Aufarbeitung des Verstoßes und die hieraus resultierenden langfristigen Folgewirkungen aufgewogen.

 

Die unterschiedlichen, die Exportkontrolllandschaft regelnden Normen, limitieren ein Unternehmen in seinen Vertriebsaktivitäten dahingehend, dass eine Land-Güter-Verwendungs-Beziehung in einem Geschäftsfall erkannt werden muss, um so die daran anknüpfenden Exportkontrollvorschriften einhalten zu können.

 

Die Exportkontrollvorschriften basieren nicht nur auf nationalem bzw. EU- Recht. Vielfach ist bei Verwendung von US-Ursprungswaren auch das US-Exportkontrollecht zu beachten. Nach wie vor ist bei vielen Unternehmen die Beachtung der US Exportkontrollvorschriften nicht bekannt bzw. werden sie leichtfertig nicht beachtet.

 

Die sog. „Kenntnis" ist im Zusammenspiel unternehmerischer Exportkontrolle mit Vertriebsstrukturen das Kernthema, in dem die beiden Bereiche zusammenwirken müssen, um zu einer ordnungsgemäßen rechtlichen Umsetzung unternehmerischer Prozesse zu gelangen.

 

Überblick sensibler Verwendung

Die meisten Exportkontrollregularien dieser Welt zielen im Bereich der Kenntnis darauf ab, dass gewisse – als sensibel eingestufte – Verwendungen (End Use) der zu liefernden Produkte kontrolliert werden sollen.

 

So werden in der europäischen Gesetzgebungslandschaft insbesondere die Verwendungen in den Bereichen der

  • Errichtung und dem Betrieb einer kerntechnischen Anlage,
  • militärischen Verwendung,
  • Entwicklung, der Herstellung, der Handhabung, dem Betrieb, der Wartung, der Lagerung, der Ortung, der Identifizierung oder der Verbreitung von chemischen, biologischen oder Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern oder
  • Entwicklung, Herstellung, Wartung oder Lagerung von Flugkörpern für derartige Waffen

als sensibel eingestuft und haben unmittelbare Auswirkung auf vertriebliche Prozesse.

 

Daneben bestehen zahlreiche Fragestellungen, die die Sensibilität eines Geschäftsmodells untermauern können und im exportkontrollrechtlichen Kontext verarbeitet werden müssen:

  • Lieferung in eine Freizone oder in ein Freilager,
  • Verwendung im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Außenwirtschaftsrecht,
  • Ungewöhnliche Geschäftsabwicklung sowie
  • Inkonsistenz zwischen Land und Technologie, usw.

 

Umsetzung und Herausforderungen in der Praxis

Viele Unternehmen setzen güterbezogene Exportkontrollen in den Prozessen bereits aktiv ein. So werden vor der Ausfuhr Kontrollen dahingehend ausgerichtet, dass Materialstämme von zu liefernden Produkten klassifiziert werden und bei deren Lieferung ins Drittland eine Genehmigung beantragt oder eine Allgemeine Genehmigung verwendet wird.

 

Oft finden jedoch keine mit den güterbezogenen Kontrollen in direktem Zusammenhang stehende Kontrollen der Verwendungszwecke statt. Problematisch wird der Umstand insbesondere im Projektgeschäft, wenn die beteiligten Partner und der Verwendungszweck bekannt sind.

 

So darf bspw. eine Allgemeine Genehmigung in vielen Fällen nicht genutzt werden, wenn eine Verwendung im Zusammenhang mit militärischen Zwecken bekannt ist. Bei zahlreichen, auch staatlichen Unternehmen im arabischen, russischen und asiatischen Raum aber ist eine gewisse militärische Fertigungskompetenz zwingend vorgeschrieben. Durch die Lieferung eines Gutes im Rahmen einer Allgemeinen Genehmigung an eine solche Person, Organisation oder Einrichtung kann durch die Behörden der Vorwurf einer ungenehmigten Ausfuhr erhoben werden.

 

Dem kann durch eine prozessorientierte Implementierung einer Verwendungscheckliste in Vertriebsprozesse entgegengewirkt werden. Ziel einer solchen Checkliste ist die Zusammenfassung des im Unternehmen vorhandenen Kundenwissens, um dieses der für die Exportkontrolle zuständigen Abteilung zur Bewertung zukommen zu lassen. Letztere wird damit in die Lage versetzt, Ausfuhrgeschäfte korrekt prüfen zu können.

 

Erhält die für die Exportkontrolle zuständige Abteilung frühzeitig Kenntnis von einer sensiblen Verwendung von Gütern, kann sie angemessen reagieren. Bspw. kann eine Höchstbetragsgenehmigung frühzeitig beantragt werden, wenn die Anwendung einer Allgemeinen Genehmigung aufgrund der Kenntnis einer sensiblen Verwendung ausgeschlossen ist.


Die oben ausgeführten, sensiblen Verwendungen haben jedoch nicht nur im Zusammenhang mit der Lieferung von bereits als sensibel eingestuften Produkten (Dual-Use-Güter, Güter der Militärliste, etc) Auswirkungen. Vielmehr kann die Lieferung eines als unsensibel eingestuften Gutes auch dann zu einer Genehmigungspflicht führen, wenn das unsensible Gut im Kontext einer sensiblen Verwendung eingesetzt wird und das im Unternehmen bekannt ist/war.


Tipp

Eine Verwendungscheckliste ist somit immer im Zusammenhang mit der Einstufung eines Gutes und dem Zielland zu sehen. Werden die drei Faktoren

  • Land
  • Güter und
  • Verwendung

 

in einen logischen Zusammenhang gesetzt, kann jegliches Ausfuhrgeschäft zeitnah geprüft und analysiert werden, was zu einer schnelleren Abwicklungsmöglichkeit im Vertrieb führt. Auf diese Weise können dauerhafte Geschäftsbeziehungen optimiert werden.

 

Ausblick

Aufgrund der sich weltweit stetig ändernden Exportkontrollvorschriften – sowohl in der EU als auch in den USA – stehen Unternehmen heutzutage vor der großen Herausforderung ihre unternehmensinternen Compliance-Prozesse regelmäßig zu überprüfen und zeitnah anzupassen. Angedacht sind weitere Verschärfungen nicht nur auf Europäischer Ebene sondern auch in den USA im Bereich der sog. Emerging (neu aufkommenden) Technologies (bspw. Blockchain, 5G, AI, Robotics, Biometrics, etc). Hier sollen Technologien und Produkte definiert werden, deren Ausfuhren aus sicherheitspolitischen Gründen als kritisch eingestuft werden.

 

In den USA wird insbesondere das Argument der Gefährdung der nationalen Sicherheit als Argument angeführt. Der Begriff nationale Sicherheit wird jedoch behördenseitig sehr weit ausgelegt.

 

Inwieweit die USA und die EU gleichlautende Regelungen einführen werden, bleibt abzuwarten. Wir gehen jedoch aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnte davon aus, dass es zu unterschiedlichen Definitionen und Kontrollregelungen kommen wird.

 

Bislang von den Wirtschaftsbeteiligten weitestgehend unbemerkt hat die chinesische Regierung die Grundlage für eine extraterritoriale Anwendung des chinesischen Exportkontrollrechts – gleich den USA – geschaffen. Nach den bisher bekannten Informationen sollen Dual-Use-Produkte (Güter die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können), definiert nach chinesischem Recht, künftig einer Reexport- Genehmigungspflicht unterworfen werden.

 

Das hätte zur Folge, dass europäische Unternehmen nicht nur nationales, sowie EU-Exportkontrollrecht und ggfs. US-(Re)Exportkontrollrecht sondern zusätzlich auch das chinesische (Re)Exportkontrollrecht zu berücksichtigen hätten.

 

Aufgrund der zusätzlich zu beachtenden Regelungen ergibt sich ein immens erhöhter innerbetrieblicher Kontrollaufwand, der im Falle der Nichtbeachtung ein nicht zu unterschätzendes strafrechtliches bzw. bußgeldrechtliches Risiko für das Unternehmen darstellen kann.

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