Der erbschaftsteuerliche Wegzug: Im Fokus der Fi­nanz­verwaltung

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veröffentlicht am 12. August 2020 | Lesedauer ca. 2 Minuten
 

Im internationalen Vergleich gehört Deutschland zu den Ländern, die Rechts­über­gänge am höchsten besteuern. Dadurch, dass naturgemäß vermögende Erblasser bzw. Erben besonders betroffen sind, besteht eine große Motivation, durch „Flucht ins Ausland” der Steuerbelastung zu entgehen. Unüberlegte Wohnsitzwechsel können allerdings gravierende Folgen haben und sogar zu einer Erhöhung der Erbschaftsteuer führen, da Doppel­be­steue­rungs­konflikte drohen.
 

     


Die Steuerpflicht kann nicht pauschal für jeden Erbfall einheitlich beantwortet werden, da der Gesetzgeber zwischen der un­beschränkten, beschränkten sowie der erweitert unbeschränkten Steuerpflicht differenziert. Zudem ist, um die Vollständigkeit des Systems der Erbschaftsteuerpflicht zu erfassen, die Einbeziehung weiterer Steuergesetze erforderlich. Im Außen­steuer­gesetz findet sich als Sonderform zusätzlich die erweitert beschränkte Steuerpflicht.


Erblasser oder Erbe haben Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland

Vielen ist nicht bewusst, dass die Steuerpflicht nicht sofort mit dem Wegzug aus Deutschland endet. Während der Dauer von fünf Jahren nach einem Wegzug aus Deutschland, wird ein Wegzügler mit deutscher Staatsan­gehörigkeit weiterhin wie ein Inländer behandelt und ein Vermögensübergang im Grundsatz der unbeschränk­ten Steuerpflicht in Deutschland unterworfen. Die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht tritt für den gesamten Vermögensanfall, also auch unter Einbeziehung des Auslandsvermögens ein, wenn entweder der Erblasser zur Zeit des Todes oder der Erbe zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Es ist nach dem deutschen Erbschaftsteuerrecht ausreichend, wenn entweder der Erblasser oder der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhn­lichen Aufenthalt in Deutschland hat. Ist also nur einer von beiden in Deutschland wohnhaft oder hat im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt, entsteht durch die Tatsache die Erbschaftsteuer. In dem Punkt unterscheidet sich das deutsche Erbschaftsteuerrecht von denen vieler ausländischer Staaten, in denen nur auf den Status des Erblassers abgestellt wird.

Darüber hinaus gelten als Inländer auch diejenigen, die zwar weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und in einem Dienstverhältnis mit einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen.


Weder Erblasser noch Erbe haben einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland

Sind weder der Erbe, noch der Erblasser Inländer und wird Inlandsvermögen vererbt, kann dennoch eine deutsche Erbschaftsteuer durch die sog. beschränkte Steuerpflicht fällig werden. Die beschränkte Steuer­pflicht gilt für bestimmte, in Deutschland belegene Vermögensgegenstände, insbesondere Immobilien oder Betriebsvermögen. Hält bspw. der im Ausland ansässige Erblasser (ggf. zusammen mit anderen nahestehenden Personen) Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft und ist am Grund- oder Stamm­kapital mit mind. zu einem Zehntel unmittelbar oder mittelbar beteiligt, so besteht eine beschränkte Steuerpflicht.

Auch wenn ein Deutscher unter Beibehaltung wesentlicher wirtschaftlicher Interessen in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in ein Niedrig­steuer­land verlegt, ist er noch immer, was vielen nicht bewusst ist, bis zum Ablauf von zehn Jahren erweitert beschränkt steuerpflichtig, wenn er fünf Jahre der deutschen Steuerpflicht unterlag. Dabei ist allerdings nur auf den Erblasser abzustellen, nie auf den Erwerber. Damit soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige nur aus steuerlichen Gründen in Niedrigsteuerländer ziehen.


Doppelbesteuerung

Im engen Zusammenhang mit der nationalen Erbschaftsteuerpflicht steht das internationale Erb­schaft­­steuer­recht. Doppel­besteuerungs­abkommen, die den innerstaatlichen Besteuerungsanspruch einschränken, existieren mit Deutschland nur wenige. Zwar gibt es Anrechnungs­möglich­keiten von im Ausland gezahlter auf die deutsche Steuer. Es kann aber nicht immer vermieden werden, dass es trotzdem zu einer höheren Belastung kommt.


Fazit

Ein Wegzug aus Deutschland kann Sinn machen. Um aber im schlimmsten Fall keiner doppelten Belastung ausgesetzt zu sein, empfiehlt sich vor Wegzug eine frühzeitige Beratung und entsprechende Strukturierung des Vermögens. Wer auch nur ein Wochenend- oder Ferienhaus mit einer gewissen Regelmäßigkeit in Deutschland zu Wohnzwecken aufsucht, kann auch der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Ist der Entschluss gefasst, den eigenen Lebensmittelpunkt tatsächlich nachhaltig ins Ausland zu verlegen, besteht im Erbfall keine Sicherheit vor der Finanzverwaltung, denn die Steuerbehörden verstehen den Begriff „Wegzug” wörtlich. Sofern sich ein Wegzug aus erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht als vorteilhaft erweist, realisiert sich der bemerkbare Vorteil für deutsche Staatsbürger frühestens nach fünf Jahren.

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