Betriebsübergang in Deutschland – Voraussetzungen und Rechtsfolgen/Auslandsbezug

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Ob ein Betriebsübergang vorliegt, beurteilt sich in Deutschland nach bestimmten Voraussetzungen. Wesentlich sind dabei das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit und deren Identitätswahrung. Das Vorliegen eines Betriebsübergangs hat weitreichende Folgen für den neuen Inhaber.
 
Ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB liegt vor, wenn ein Betrieb durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Dies setzt voraus, dass eine bestehende wirtschaftliche Einheit beim bisherigen Inhaber unter Wahrung ihrer Identität auf den neuen Inhaber übergeht. Eine wirtschaftliche Einheit setzt eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Verfolgung eines bestimmten wirtschaftlichen Zwecks voraus. Das Vorliegen eines Betriebsübergangs entscheidet sich aus einer Gesamtschau folgender 7 Kriterien:
 
  • Art des Unternehmens: Entscheidend ist, ob das Unternehmen betriebsmittelgeprägt oder dienstleistungsorientiert ist;
  • Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva: Im produzierenden Gewerbe hängt die wirtschaftliche Einheit stark von materiellen Aktiva ab;
  • Wert der immateriellen Aktiva;
  • Übernahme oder Nichtübernahme der Arbeitnehmer: Im Dienstleistungsbereich ist die Übernahme der Hauptbelegschaft entscheidend;
  • Übernahme oder Nichtübernahme der Kundschaft;
  • Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach der Übernahme;
  • Dauer der Unterbrechung in der Geschäftstätigkeit.

 

Der Übergang muss durch Rechtsgeschäft wie Kaufvertrag, Pacht, Mietvertrag, Schenkung, Nießbrauch oder Vermächtnis erfolgen. Ein reiner Formwechsel und ein Gesellschafterwechsel sind nicht von § 613 a BGB umfasst.
 
Kein Betriebsübergang ist die reine Funktionsnachfolge, bei der ein Dritter bisher vom Unternehmen selbst durchgeführte Aufgaben mit eigenen Arbeitsmitteln und eigenem Personal übernimmt.
 

Rechtsfolgen

Ein Betriebsübergang führt zu einem Arbeitgeberwechsel. Der neue Inhaber tritt in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, sofern der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widerspricht. Das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Betriebsinhaber erlischt. Der neue Inhaber wird Schuldner aller Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, auch soweit sie vor dem Übergang entstanden sind. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass des Betriebsübergangs ist unwirksam.
 
Bei einem Betriebsübergang muss der bisherige oder neue Inhaber – in der Praxis geschieht es meist gemeinsam – die betroffenen Arbeitnehmer von dem Betriebsübergang in Textform über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, über den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und über die im Hinblick auf die Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen unterrichten. Erst ein ordnungsgemäßes Informationsschreiben setzt die Widerspruchsfrist durch den Arbeitnehmer in Gang. Eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus.
 
Ein Betriebsübergang kann ebenso bei einer Standortverlagerung des Betriebs vorliegen. Wesentlich ist, ob eine erhebliche räumliche Entfernung zwischen alter und neuer Betriebsstätte liegt, die die Wahrung der Identität zweifelhaft erscheinen lassen. Selbst bei einem länderübergreifenden Betriebsübergang ist § 613 a BGB zu berücksichtigen. Erst nach erfolgtem Betriebsübergang ist ggf. das ausländische Recht auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
 
Obwohl § 613 a BGB aus einer europäischen Richtlinie entstanden ist, empfiehlt es sich bei grenzüberschreitenden Betriebsübergängen generell die Regelungen im Ausland zu beachten.
 

Bitte beachten Sie:

  • Das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit und ihre Identitätswahrung sind wesentliche Voraussetzungen für einen Betriebsübergang.
  • Nur ein ordnungsgemäßes Informationsschreiben löst die Widerspruchsfrist aus.
  • Allein die Verlagerung eines Betriebs ins Ausland führt nicht zwangsläufig zu einer fehlenden Wahrung der wirtschaftlichen Identität.
  • Die Regeln eines Betriebsübergangs beruhen zwar auf einer EU-Richtlinie, dennoch sind bei länderübergreifenden Maßnahmen die Regelungen vor Ort zu beachten.

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Cornelia Schmid

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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