„Action Replay II“ vor dem BGH: Cheat-Software legal – Game Over für das Urheberrecht?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 28. August 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten
 

Mit Urteil vom 31. Juli 2025 hat der BGH (Az. I ZR 157/21 „Action Replay II“) entschieden, dass Zusatzsoftware, die den Spielverlauf von PSP-Games beeinflusst, ohne den Quell- oder Objektcode zu verändern, keine urheberrechtlich relevante Umarbeitung im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG darstellt. Die Entscheidung folgt einem Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH und grenzt den Schutzbereich von Computerprogrammen nach der Richtlinie 2009/24/EG klar ab. Für Unternehmen, die digitale Zusatzprodukte entwickeln ein gutes Signal: Die Nutzung programmimmanenter Variablen bleibt zulässig – solange die Integrität des Programmcodes gewahrt bleibt. Das Urteil stärkt die Innovationsfreiheit und schafft Rechtssicherheit im Spannungsfeld zwischen technischer Erweiterung und urheberrechtlichem Schutz.

 

 


Einordnung des Falls: Zusatzsoftware im Gaming-Markt 

Die Klägerin, exklusive Lizenznehmerin für PSP-Konsolen und zugehörige Spiele, sah ihre Rechte durch die Softwareprodukte „Action Replay PSP“ und „T.F.“ verletzt. Diese Tools ermöglichen es Nutzern, den Spielverlauf zu beeinflussen – etwa durch unbegrenzten Turboeinsatz oder die sofortige Freischaltung aller Fahrer. Technisch erfolgt dies durch die Veränderung von Variablen im Arbeitsspeicher der Konsole, ohne dass der Quell- oder Objektcode der Spielesoftware selbst berührt wird.

 

Die Beklagten – Entwickler und Vertreiber der Software – argumentierten, dass ihre Produkte lediglich auf die vom Spiel erzeugten Daten zugreifen und diese manipulieren, ohne die Struktur oder den Ablauf des Programms zu verändern. Die Klägerin hingegen sah darin eine unzulässige Umarbeitung ihrer Software und stützte ihre Klage auf das Urheberrecht (§§ 69a, 69c UrhG), das Wettbewerbsrecht (§ 4 Nr. 10 UWG a.F./ § 4 Nr. 4 UWG n.F.) sowie das Deliktsrecht (§ 823 BGB). 

 

Rechtliche Würdigung durch BGH und EuGH 

Der BGH bestätigte die Auffassung der Vorinstanz (OLG Hamburg) und wies die Revision der Klägerin zurück. Maßgeblich war die Auslegung des Begriffs „Umarbeitung“ im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG, der auf Art. 4 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2009/24/EG zurückgeht. Um eine unionsrechtskonforme Entscheidung zu treffen, hatte der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zwei zentrale Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

 

  1. Greift eine Software, die lediglich den Inhalt von Variablen verändert, in den Schutzbereich eines Computerprogramms ein?
  2. Liegt darin eine Umarbeitung im Sinne der Richtlinie?

 

Der EuGH verneinte beide Fragen. Der Schutzbereich der Richtlinie umfasse ausschließlich Ausdrucksformen wie Quell- und Objektcode, nicht jedoch die Funktionalität oder die Nutzung von Variablen im Arbeitsspeicher. Entscheidend sei, ob die Software die Vervielfältigung oder spätere Entstehung des Programms ermögliche – was hier nicht der Fall war.

 

BGH: Keine Umarbeitung, keine Rechtsverletzung 

Der BGH übernahm diese Auslegung und stellte klar: Die Zusatzsoftware der Beklagten verändere nicht den Programmcode, sondern lediglich die Daten, die das Spiel selbst erzeuge und verwende. Die Spielesoftware bleibe in ihrer Struktur und ihrem Ablauf unangetastet. Auch unter Einsatz der Zusatzsoftware laufe das Spiel wie programmiert ab – lediglich die Ausgangsbedingungen würden manipuliert.

 

Hierzu ein Beispiel, um diese Manipulation zu beschreiben: Der „Turbo“-Modus der Cheat-Software wird nicht durch einen neuen Befehl eingeführt, sondern durch die Veränderung der Verbrauchsvariable so beeinflusst, dass der Zustand „unbegrenzter Turbo“ simuliert wird. Dieser Zustand ist programmimmanent und kann auch regulär erreicht werden – etwa durch Fortschritt im Spiel. Die Software der Beklagten greift also nicht in die geistige Schöpfung des Programms ein, sondern nutzt dessen vorhandene Funktionalitäten auf andere Weise.

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Keine Verletzung von Wettbewerbs- oder Deliktsrecht 

Auch die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus dem UWG und dem Deliktsrecht blieben erfolglos. Eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG lag nach Ansicht des BGH nicht vor, da die Beklagten keine unlauteren Mittel einsetzten und die Klägerin nicht systematisch vom Markt verdrängten. Ebenso wenig war ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegeben, da keine unmittelbare Beeinträchtigung der betrieblichen Organisation oder Substanz der Klägerin vorlag.

 

Relevanz für die Praxis: Innovation trifft Rechtssicherheit 

Das Urteil hat erhebliche Bedeutung für die Praxis – insbesondere für Unternehmen, die Zusatzsoftware, Modding-Tools oder Erweiterungen für bestehende Programme entwickeln. Die Entscheidung schafft Klarheit darüber, wo die urheberrechtlichen Grenzen verlaufen: Solange der Quell- oder Objektcode unangetastet bleibt und keine Vervielfältigung erfolgt, sind Eingriffe in den Ablauf eines Programms zulässig.

 

Dies eröffnet Spielräume für Innovation – etwa im Bereich Gaming, Smart Devices oder individualisierbarer Softwarelösungen. Gleichzeitig bleibt der Schutz der geistigen Schöpfung gewahrt, da die Kernstruktur des Programms nicht verändert wird. Unternehmen sollten jedoch sorgfältig prüfen, ob ihre Produkte tatsächlich nur variable Daten verändern oder tiefer in die Programmstruktur eingreifen – denn Letzteres wäre urheberrechtlich relevant.

 

Fazit 

Der BGH hat mit seinem Urteil eine klare Linie gezogen: Der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen umfasst den Quell- und Objektcode, nicht jedoch die Nutzung programmimmanenter Variablen im Arbeitsspeicher. Zusatzsoftware, die den Spielverlauf beeinflusst, ohne die Struktur des Programms zu verändern, stellt keine Umarbeitung im Sinne des § 69c UrhG dar.

 

Für Unternehmen bedeutet das: Die Entwicklung innovativer Zusatzprodukte bleibt zulässig – solange die Integrität des Programmcodes gewahrt ist. Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit und fördert die technische Weiterentwicklung im digitalen Umfeld. Gleichzeitig bleibt der Schutz der geistigen Schöpfung unangetastet. Ein ausgewogenes Ergebnis, das sowohl die Interessen der Rechteinhaber als auch die Innovationsfreiheit berücksichtigt.​

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