Bewertungsabschlag der deutschen Erbschaftsteuer für vermietete Wohngrundstücke gilt laut EuGH auch für die im Drittland

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veröffentlicht am 17. November 2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten
 

§ 13c Abs. 1 ErbStG a.F. (heute § 13d Abs. 1 ErbStG) sieht für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke eine teilweise Steuerbefreiung vor, indem der Wertansatz des Grundstücks mit einem Abschlag in Höhe von 10 Prozent erfolgt. Anwendung findet diese Regelung sowohl bei einem Erwerb von Todes wegen als auch bei einer Schenkung.

 

Hintergrund des EuGH-Urteils

Im EuGH-Urteil vom 12. Oktober 2023 (C-670/21) ging es um die Vereinbarkeit deutscher Vorschriften zur Begünstigung von Immobilienvermögen mit der europarechtlich garantierten Kapitalverkehrsfreiheit. Der Kläger erbte Grundstücke in Kanada, die vom Erblasser zu Wohnzwecken vermietet wurden. Er beantragte, diese Grundstücke für die deutsche Erbschaftsteuer mit einem Abschlag von 10 Prozent zu bewerten. Der Wortlaut der deutschen Regelung gestattete dies jedoch nur für Grundstücke in Deutschland, der EU oder dem EWR. Der Kläger behauptete, dass diese Beschränkung die Kapitalverkehrsfreiheit verletze. Das Finanzgericht Köln legte daraufhin die Frage dem EuGH vor.

Die deutsche Regelung begünstigt Wohnimmobilien im Inland, der EU und im EWR – nicht aber solche in Drittstaaten – ohne zwingende Gründe des Allgemeininteresses

Der EuGH stuft den damaligen § 13c ErbStG als unionsrechtswidrig ein. Er entschied, dass die deutsche Regelung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, da sie den freien Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten behindert. Die Ausnahmevorschrift des Artikels 65 AEUV, welcher Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorsieht, könne diese Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Die deutsche Regierung argumentierte dagegen, dass die umstrittene nationale Regelung insbesondere aus Gründen der sozialen Wohnungspolitik und der Notwendigkeit einer wirksamen Steueraufsicht gerechtfertigt sei. Dem EuGH zufolge genügt die soziale Wohnungspolitik jedoch nicht als Rechtfertigung, da der Bewertungsabschlag nicht auf Orte mit Wohnungsnot beschränkt sei und keine Unterschiede zwischen verschiedenen Immobilienausstattungen mache. Außerdem sei eine wirksame Steueraufsicht dadurch gewährleistet, dass die deutschen Behörden aufgrund des bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens von den kanadischen Behörden Informationen zur Prüfung der Voraussetzungen des § 13c ErbStG a.F. einholen können. 

In der Literatur wurde angemerkt, dass in der Gesetzesbegründung des § 13c Abs. 1 ErbStG a.F. bestimmte Ziele verfolgt werden: Die Regelung soll den nationalen Wohnungsmarkt fördern, denn die Begünstigung eines Grundstücks auf einem anderen Kontinent sei nicht im Interesse des deutschen Gesetzgebers. Der EuGH folgte dieser Argumentation nicht, da die Vorschrift vollkommen undifferenziert den Bewertungsabschlag für alle Arten von Immobilien unabhängig von ihrer Belegenheit in den in § 13c ErbStG a.F. benannten Staaten vorsieht. Die Vorschrift findet sich seit 1. Juli 2016 inhaltsgleich in § 13d ErbStG wieder, so dass die EuGH-Entscheidung auch auf den heutigen § 13d ErbStG übertragen werden kann. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung nun reagiert.

Konsequenzen für die Praxis

Steuerpflichtige sollten in vergleichbaren Fällen Einspruch gegen den Bescheid einlegen und unter Berufung auf das EuGH-Urteil den 90 Prozent Wertansatz der zu Wohnzwecken vermieteten Immobilie beantragen.

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