Bundesfinanzhof verhandelt Konzernklausel § 6a Grunderwerbsteuergesetz

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​veröffentlicht am 27. August 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Die Befreiung für Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ist stark umstritten. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt in sieben anhängigen Revisionsverfahren dazu verhandelt – und scheint den extrem strengen Anforderungen der Finanzverwaltung bei Unternehmereigenschaft, Verbund und Behaltensfristen entgegentreten zu wollen.

 

    

  

Vorgeschichte

Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde 2009 eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Umstruk­turierungen im Konzern eingeführt, § 6a GrEStG. Dadurch sollten Umstrukturierungen innerhalb einer Gruppe von Gesellschaften erleichtert werden, um bspw. effizientere Strukturen zu schaffen, ohne dass dadurch Grunderwerbsteuer verursacht wird.

 

So ist z.B. die Ausgliederung eines Teilbetriebs – einschließlich Grundvermögen – auf eine 100 prozentige Tochter-GmbH grundsätzlich grunderwerbsteuerbar, weil der Eigentümer des Grundstücks sich ändert. Der Eigentumsübergang ist aber nach § 6a GrEStG grunderwerbsteuerfrei, wenn die Konzernmutter während eines Zeitraums von fünf Jahren vor und nach der Umwandlung zu mindestens 95 Prozent an der Tochtergesellschaft beteiligt bleibt.

 

Allerdings versucht die Finanzverwaltung, den Anwendungsbereich der Vorschrift stark einzuschränken, indem sie die gesetzlichen Anforderungen sehr streng interpretiert – teils wohl sogar über den Wortlaut des Gesetzes hinaus. Zu diesen strengen Voraussetzungen hat der BFH bereits einmal Stellung genommen, als er das Bundesministerium der Finanzen aufforderte, den anhängigen Revisionsverfahren beizutreten. In den entsprechenden Beschlüssen vom 25. November 2015 hat der BFH durchscheinen lassen, dass er die Verwaltungsauffassung kritisch sieht, allerdings war der Senat damals noch teils mit anderen Richtern besetzt.

 

Nachdem zwischenzeitlich sogar der Europäische Gerichtshof bestätigt hat, dass die Vorschrift nach der aktuellen Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes keine europarechtswidrige Beihilferegelung darstellt, stehen jetzt die ersten Revisionsurteile an. Am 21./22. August 2019 haben die mündlichen Verhandlungen dazu stattgefunden. Die endgültigen Urteile werden erst in den nächsten Wochen gefällt und veröffentlicht. Aus den Äußerungen der Vorsitzenden Richterin Frau Meßbacher-Hönsch lassen sich aber – vorbehaltlich der Mehrheitsentscheidung der fünf Richter im Senat – bereits einige Tendenzen zur Senatsauffassung erkennen:

 

Keine Unternehmereigenschaft der Konzernspitze erforderlich

Der begünstigungsfähige „Konzern” wird in § 6a GrEStG als herrschendes Unternehmen und von ihm abhängige Gesellschaft(en) definiert. Die Finanzverwaltung interpretiert das in ihren Erlassen vom 19. Juni 2012 so, dass die Konzernspitze Unternehmer im Sinne von § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) sein muss und die Beteiligung an der Tochtergesellschaft nicht im Privatvermögen gehalten werden darf, sondern dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen sein müsse.

 

Problematisch ist das bspw. für Privatpersonen, die allein an einer oder mehreren Gesellschaften beteiligt sind und hier umstrukturieren möchten. Aber auch gemeinnützige Organisationen oder ausländische Gesellschaften konnten § 6a GrEStG oft nicht verlässlich nutzen.

 

Der Bundesfinanzhof bleibt hier wohl – zugunsten der Steuerpflichtigen – seiner Linie aus den Beitritts­aufforderungen treu. Die bloße Verwendung des Begriffs „Unternehmen” scheint ihm nicht auszureichen, um sämtliche Voraussetzungen aus dem Umsatzsteuergesetz zu Lasten einer Befreiungsmöglichkeit in das Grunderwerbsteuergesetz zu übernehmen – zumal der Gesetzgeber die Möglichkeit eines expliziten Verweises gehabt hätte. Ein unklarer Wortlaut dürfe dagegen nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.

 

Im Revisionsverfahren II R 15/19 könnte daher die Verschmelzung einer grundbesitzenden GmbH auf ihre Alleingesellschafterin, die die Gesellschaftsanteile im Privatvermögen gehalten hat, grunderwerbsteuerfrei sein. Im Verfahren II R 19/19 könnte eine gemeinnützige Stiftung an der Spitze eines begünstigten Konzerns stehen.

 

Kein besonderer „Verbund” nötig

Eine Gesellschaft alleine ist kein Konzern – dieser Gedanke hat die Finanzverwaltung dazu verleitet, einen sog. „Verbund” als Voraussetzung der Steuerbefreiung zu fordern, der so im Gesetz nicht ausdrücklich verlangt wird. Dementsprechend haben die Finanzämter für die Verschmelzung einer grundbesitzenden Tochtergesellschaft auf die Konzernspitze Grunderwerbsteuer erhoben, weil die verbleibende Muttergesellschaft allein kein Konzern mehr sein könne.

 

Der BFH steht wohl auch hier auf Seiten der Steuerbürger: Solche Sachverhalte seien vielleicht außer­gewöhnlich, aber im Umwandlungsgesetz genannt, sodass die Anforderungen von § 6a GrEStG nicht durch die Hintertür verschärft werden dürften, indem der Begriff des Konzerns zu eng interpretiert wird.

 

Im Übrigen sollte sich aus einer solchen Auffassung des Bundesfinanzhofs auch ableiten lassen, dass etwa die Ausgliederung von Immobilien aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns zur Neugründung auf eine zu 100 Prozent gehaltene GmbH steuerfrei möglich ist. Nachdem hierbei aufgrund der fünfjährigen Nachbehaltensfrist auch keine Gefahr einer missbräuchlichen Steuergestaltung besteht, erschiene es in jedem Fall vernünftig und begrüßenswert.

 

Keine Verletzung der Vor-/Nachbehaltensfrist durch begünstigte Umwandlungen

Die fünfjährige Vorbehaltensfrist als gesetzliche Voraussetzung der Begünstigung wird dann zum Problem, wenn eine der beteiligten Gesellschaften erst durch die Umwandlung entsteht – zumindest nach Argumentation der Finanzverwaltung etwa im Verfahren Az. II R 21/19; die Erlasse haben eher zufällig einzelne Umwandlungen als fristverletzend angesehen. Auch die Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf die Konzernmutter könne demnach in manchen Fällen nicht begünstigt sein, weil die verschmolzene Gesellschaft anschließend naturgemäß nicht mehr existiert und die Nachbehaltensfrist dadurch nicht eingehalten werden kann.

 

Die Tendenz des Bundesfinanzhofs in der Verhandlung war allerdings eine einschränkende Auslegung des Wortlauts zugunsten einer Begünstigung. Beim Großteil der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Umwandlungsgesetz genannten und in der Praxis vorkommenden Vorgänge entsteht eine neue Gesellschaft (bei der Ab-/Aufspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung) oder geht eine der beteiligten Gesellschaften unter (z.B. bei der Verschmelzung). Nur in den – eher seltenen – Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Aufnahme durch eine bestehende Gesellschaft bleibt die Zahl der Rechtsträger unverändert. Es liege nicht nahe, dass der Gesetzgeber ausdrücklich die Befreiungsmöglichkeit für Umwandlungsvorgänge eröffnet und den damit verbundenen Untergang einer Gesellschaft als schädliche Fristverletzung definiert.

 

Wenn eine Gesellschaft durch die fragliche Umwandlung neu entsteht oder erlischt sollten damit weder die Vorbehaltensfrist (Verfahren II R 16/19 und II R 21/19) noch die Nachbehaltensfrist (vgl. z.B. Verfahren II R 15/19 und II R 20/19) einer Befreiung nach § 6a GrEStG entgegenstehen.

 

Zusammenfassung

Zehn Jahre nach Inkrafttreten der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel ist endlich eine höchstrichterliche Klärung der dringendsten Rechtsfragen zu deren Voraussetzungen in Sicht. In den mündlichen Verhandlungen hat sich das oberste deutsche Steuergericht besonnen und mit Verständnis für die wirtschaftlichen Belange von Unternehmen mit Grundbesitz gezeigt.

 

Auch wenn die endgültigen Urteile noch ausstehen und weiterhin Detailfragen offen sind, steht der Wind damit aktuell günstig für geplante Umstrukturierungen mit Immobiliengesellschaften. Höchste Zeit, nachdem ab 1. Januar 2020 Änderungen im Grunderwerbsteuergesetz geplant sind, die wohl auf längere Zeit wieder Unsicherheiten und Hindernisse für Strukturänderungen mit sich bringen werden.

 

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