Bundesfinanzhof verwirft strenge Anwendung des 90%-Tests bei der Erbschaftsteuer

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veröffentlicht am 22. Dezember 2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten
 

Der erbschaftsteuerliche 90%-Test stellt einen Eingangstest für die Gewährung der Betriebsvermögensbegünstigung dar. Wird dieser Test nicht bestanden, so scheidet eine Begünstigung des Betriebsvermögens vollständig aus. Dabei wird das Brutto­verwaltungs­­vermögen ins Verhältnis zum gemeinen Wert des begünstigungsfähigen Betriebsvermögens gesetzt. Diese Bruttobetrachtung führt dazu, dass das Verwal­tungs­vermögen wie Wertpapiere, Guthaben bei Kreditinstituten und Forderungen jeweils mit ihrem Bruttowert angesetzt werden und korrespondierende Schulden oder Freibeträge bei den Finanzmitteln davon nicht abgezogen werden können.

 



Gerade bei margenschwachen Handelsunternehmen mit einer hohen Bilanzsumme führte dies in der Vergan­genheit dazu, dass der Eingangstest nicht bestanden wurde und eine Begünstigung vollständig ausschied. Die gesetzliche Regelung hatte eine überschießende Tendenz durch den auftretenden Fallbeileffekt. Das gesetz­geberische Ziel der Verhinderung einer Begünstigung von sogenannten Cash Gesellschaften wurde so zu Las­ten von rein operativ tätigen Gesellschaften erreicht. Gerade bei großen Unternehmensgruppen hing das Bestehen des Tests von bestehenden Finanzierungsketten zwischen den Gesellschaften ab und aufgrund der stren­gen Auslegung der Finanzverwaltung war es zudem entscheidend, ob sich Forderungen und Verbindlich­keiten im Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen gegenüberstanden. 

Der Bundesfinanzhof (Aktenzeichen II R 49/21) legt die Regelung des § 13b Abs. 2 S.2 ErbStG nun so aus, dass der 90%-Test bei Unternehmen mit einem gewerblichen Hauptzweck im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 EStG bei der Anwendung zu modifizieren ist. Erreicht wird dies über eine verfassungskonforme Auslegung der Regelung. Der gewerbliche Hauptzweck eines Unternehmens wird von der Finanzverwaltung bereits für den 15 Prozent Finanzmittel­sockelbetrag des § 13b Abs. 4 Nr. 5 S.1 ErbStG ermittelt und auch in den Bescheiden festgestellt. Entgegen dem Gesetzeswortlaut können nun die Schulden mit den Finanzmitteln verrechnet werden. Aus der Bruttobetrach­tung wird nun eine systematisch richtige und zu begrüßende Nettobetrachtung. Die Verbindlichkeiten der Passiv­seite können nun gegengerechnet werden. Cash Gesellschaften zeichnen sich dagegen meistens dadurch aus, dass sie keine nennenswerten Schulden und keinen gewerblichen Hauptzweck aufweisen und sind daher auch weiterhin nicht begünstigt. Der sogenannte Finanzmittelsockelbetrag von 15 Prozent soll dagegen bei der modifizierten Berechnung der 90 Prozent Grenze nicht zur Anwendung kommen. Die Reaktion der Finanz­verwaltung ist abzuwarten, bei offenen Fällen sollte auf das Urteil hingewiesen werden und bei Nichtbestehen des 90%-Tests sollte Einspruch eingelegt werden.

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