EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten: Herausforderungen und Chancen

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zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Jährlich werden landwirtschaftliche Flächen durch Entwaldung und Wald­schädi­gung immer weiter ausgedehnt. Diese Praktiken haben gravierende Auswir­kungen auf das Klima, die Biodiversität und die Rechte indigener Völker. Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten stellt einen wichtigen Schritt der Europäischen Union (EU) zur Bekämpfung der globalen Entwaldung und Wald­zerstörung sowie zum Schutz der Rechte indigener Völker dar. Mit dem Europä­ischen Green Deal, der EU-Bio­diversi­täts­strategie für 2030 und der Farm-to-Fork-Strategie hat die EU ihr Engagement für den Schutz der Wälder weiter bekräftigt.




​Regelungsinhalte

Die Verordnung regelt das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von besonders waldschädlichen Rohstoffen wie Soja, Rinder, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee, Kautschuk und deren Erzeugnissen auf dem EU-Markt. Gemäß den Vorgaben der Verordnung müssen diese Rohstoffe und Erzeugnisse entwaldungsfrei sein und in Übereinstimmung mit den Gesetzen des jeweiligen Produktionslandes hergestellt werden. Als entwaldungsfrei gelten solche Erzeugnisse, die nicht auf den Flächen produziert wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 („Stichtag“) entwaldet wurden. Zusätzlich ist die Abgabe einer Sorgfaltserklärung erforderlich. 

Pflichten der Unternehmen

Die Verordnung legt Unternehmen bestimmte Sorgfaltspflichten auf, um sicherzustellen, dass ihre Lieferketten entwaldungsfrei sind. Diese umfassen: 
  • Informations- und Dokumentensammlung: Unternehmen müssen Informationen zu ihren Produkten, einschließlich der Koordinaten der Geolokalisierung relevanter Grundstücke sammeln und für mindestens fünf Jahre aufbewahren. Bei neuen Informationen oder begründeten Bedenken müssen sie die zuständigen Behörden informieren.
  • Risikobewertung: Systematische Analyse von Entwaldungsrisiken in der Lieferkette unter Berücksichtigung von Umwelt- und Menschenrechtsaspekten.
  • Risikominderung: Unternehmen müssen Maßnahmen ergreifen, um identifizierte Risiken zu reduzieren, um kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko zu erreichen. 
  • Transparenz und Berichterstattung: Unternehmen müssen transparente Informationen über ihre Liefer­ketten­praktiken bereitstellen und jährlich über Entwaldungs­risiken und ergriffene Maßnahmen berichten. Marktteilnehmer und Händler, die auch anderen EU-Rechtsakten zur Sorgfalts­pflicht in der Wert­schöp­fungskette (wie der Corporate Sustainability Due Diligence Directive) unterliegen, haben die Möglichkeit, diese Informationen in einem Bericht zusammen­zufassen.
     
Für KMU gibt es eine Befreiung von den Sorgfaltspflichten, wenn bereits eine Sorgfaltserklärung für die relevanten Produkte abgegeben wurde. Allerdings sind KMU dennoch verpflichtet, Informationen über ihre Lieferanten und Kunden, an die sie diese Produkte geliefert haben, zu speichern und für einen Zeitraum von 5 Jahren aufzubewahren.

Durchsetzung und Sanktionen

Die Verordnung sieht Durchsetzungsmechanismen vor, um sicherzustellen, dass Unternehmen die Anfor­derun­gen erfüllen. Dazu gehört die Überprüfung der Berichterstattung, regelmäßige unangekündigte Kontrollen durch zuständige Behörden und die Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten werden über ein digitales Informationssystem Zugriff auf relevante Informationen über die Rohstoffe und Erzeugnisse haben, etwa Geolokalisierung und das Produktionsland.
 
Die EU-Kommission implementiert ein dreistufiges Länder-Bench­marking­system, um Länder oder Landesteile je nach ihrem Entwaldungsrisiko als niedrig, normal oder hoch einzustufen. Der Anteil der Kontrollen durch zuständige Behörden richtet sich nach der Risikostufe des Landes: 9 % für Länder mit hohem Risiko, 3 % für Länder mit normalem Risiko und 1 % für Länder mit niedrigem Risiko. Zum jetzigen Zeitpunkt wurde allen Ländern eine normale Risikoeinstufung zugeordnet. Spätestens zum 30. Dezember 2024 wird die EU-Kommis­sion eine Liste der Länder mit ihren entsprechenden Risikoeinstufungen in Durchführungsrechtsakten veröffentlichen. 
 
Die Mitgliedstaaten haben die Verpflichtung, bei Verstößen gegen die Verordnung wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen einzuführen. Diese Sanktionen können Geldbußen von bis zu 4 % des gesamten unions­weiten Umsatzes, den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen für einen Zeitraum bis zu einem Jahr, den Widerruf von Markt­zugangs­erlaub­nissen sowie die Einziehung der betroffenen Erzeugnisse oder der damit erzielten Einnahmen beinhalten.
 
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Heraus­forderungen und Chancen

Die Einhaltung der Verordnung stellt für Unternehmen eine Heraus­forderung dar, da sie Anpassungen in verschiedenen Geschäfts­bereichen erfordert.
  • Lieferkettenkomplexität: Die Umsetzung der Verordnung erfordert eine genaue Kenntnis der eigenen Liefer­ketten und die Zusammen­arbeit mit Lieferanten. Die Komplexität der Lieferketten, insbesondere in globalen Märkten, kann eine Heraus­forderung darstellen.
  • Ressourcen: Die Einhaltung der Verordnung erfordert Ressourcen wie Zeit, finanzielle Mittel und Fach­expertise. Unternehmen müssen möglicher­weise zusätzliche Inves­titionen tätigen, um die geforderten Sorgfalts­pflichten zu erfüllen.
  • Datenverfügbarkeit und Datenqualität: Die Beschaffung von Informationen über die Herkunft von Rohstoffen entlang der Lieferkette kann schwierig sein, insbesondere wenn es um komplexe Zulieferer­netzwerke geht. Unternehmen müssen ihre Daten­management-Systeme überprüfen und die zusätz­lichen Plausi­bilitäts­kontrollen durchführen.
  • Regula­torische Anpassungen: Unternehmen müssen ihre Lieferan­tenbasis überprüfen und Verhaltens­kodizes anpassen. Insbesondere Nicht-KMU Markt­teil­nehmer sollten die weiter­entwickelte europäische Regulatorik berück­sichtigen und ihre Prozesse entsprechend gestalten.

Trotz der Heraus­forderungen bietet die Verordnung auch Chancen für Unternehmen, ihre Nachhaltig­keits­praktiken zu verbessern und die Transparenz entlang der Liefer­ketten zu erhöhen:

  • Nach­haltiger Ruf: Unternehmen, die ihre Lieferketten entwaldungs­frei gestalten, können ihr Engagement für Umweltschutz und Nachhaltig­keit beweisen. Dies kann zu einem positiven Image führen und das Vertrauen der Verbraucher stärken.
  • Wettbewerbs­vorteil: Unternehmen, die frühzeitig Maßnahmen ergreifen, können sich als Vorreiter in der Branche positionieren und potenziell neue Kunden gewinnen, die Wert auf nachhaltige Produkte legen.
  • Risikominderung: Durch die Überwachung und Bewertung der Lieferketten kann das Risiko von Reputa­tions­­verlust, rechtlichen Konsequenzen und Liefer­ketten­­unter­­brechungen verringert werden. Dies kann dazu beitragen, Geschäfts­risiken zu minimieren.

Weitere Schritte

Die Verordnung über entwaldungs­freie Lieferketten ist am 29. Juni 2023 in Kraft getreten. Nicht-KMU Markt­teil­nehmer haben 18 Monate Zeit, um die neuen Regeln umzusetzen. KMU haben eine verlängerte Übergangsfrist von 24 Monaten. Die EU-Kommission wird die Durch­setzung der Verordnung überwachen und gegebenenfalls Anpassungen und Erwei­terungen des Anwendungs­bereichs vornehmen.

Fazit

Unternehmen sollten sich auf die Anforderungen der Verordnung vorbereiten, indem sie ihre internen Prozesse überprüfen, Risiko­analysen durchführen und Maßnahmen ergreifen. Für die großen Unternehmen ist das kein Neuland mehr – nach dem Liefer­ketten­­sorgfalts­­pflichten­­gesetz sind sie bereits verpflichtet menschen­recht­liche und umwelt­bezogene Sorgfalts­pflichten entlang der Liefer­ketten zu erfüllen. Die Verordnung über entwal­dungs­freie Liefer­ketten geht nun einen Schritt weiter und erweitert den Anwendungs­bereich der Sorgfalts­pflichten auf die Umwelt­aspekte und Rechte indigener Völker.
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